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06 2014

Todeskämpfe der Publikationsindustrie?

Erfahrungen einer kleinen Vielheit

Isabell Lorey, Otto Penz, Gerald Raunig, Birgit Sauer, Ruth Sonderegger

Die Verlegten sind auch die Vermessenen. Oder: „Ich bin eine Null“

Was ist wissenschaftliche Qualität? Generationen von Sozialwissenschaftler_innen waren sich einig darin, dass Qualität in Wissenschaft und Forschung etwas Relatives ist, das sich in einer epistemischen Gemeinschaft herausbilden kann, dass dieser Standard aber auch etwas Vergängliches ist. Die Messung von wissenschaftlicher Leistung – oder besser, wie es heißt „wissenschaftlicher Qualität“, ist mittlerweile seit mehr als 15 Jahren ein grassierendes Phänomen in den Sozialwissenschaften auch in Österreich. Die Einführung von New Public Management, also neuen Steuerungsinstrumenten an Universitäten, hat auch zur langsamen, aber doch stetigen Einführung von so genannten bibliometrischen Instrumenten geführt. Ja, das, was man schreibt wird inzwischen weniger gelesen, sondern vielmehr ge- und vermessen. Denn, so die Logik der Bibliometrie bzw. Szientometrie: Jeder Artikel, jedes Buch lässt sich in Form von Zahlenwerten darstellen. Dabei ist nicht der Umfang des Geschriebenen gemeint, sondern vielmehr wird behauptet, dass die abstrakte Zahl eine Aussage über die Qualität des Geschriebenen machen kann – vergleichbar einer Note. Wenn ich das meiner Nichte erzähle, die ihre Schulaufsätze ja auch benotet bekommt, dann findet sie das doof.

Doch im Unterschied zum benoteten und mit Zahlenwerten belegten Schulaufsatz, der immerhin von einer Lehrerin/einem Lehrer gelesen wird, basiert die Vermessung wissenschaftlichen Outputs (Qualität schreibe ich an dieser Stelle besser nicht mehr, denn das ist höchst fragwürdig) gar nicht auf dem Lesen, sondern dem Zitieren – also der bloßen Erwähnung, der schlichten Referenz auf den Text.

Am berüchtigtsten für diese vermeintliche Messung von Qualität ist der so genannte Impact Factor von Artikeln, die in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht werden. Der Name suggeriert, dass mit dieser Zahl der Einfluss eines Textes gemessen werden könne. Die Rechnung geht so: Wenn ein Artikel oft zitiert wird, dann ist das ein Ausweis seiner Qualität. Allein das ist schon komisch, denn er könnte ja auch vernichtend zitiert werden. Das ist aber noch die harmloseste Überlegung, geht sie doch davon aus, dass diese Berechnung irgendwie auf soliden Füßen steht. Das ist aber nicht der Fall.

Die Behauptung, dass mit dem IF Qualität gemessen würde oder werden könnte, ist eine schlicht falsche. Der IF wurde von Eugene Garfield, dem US-amerikanischen Begründer der Bibliometrie, eingeführt mit dem Ziel, Bibliothekar_innen einen Anhaltspunkt für die Zitier- und mithin für die Verkaufs- und Ausleihhäufigkeit zu geben. Kurz: Der IF ist ein Instrument, das messen soll, wie gut sich eine Zeitschrift in Zukunft verkaufen wird. Dazu wird die Häufigkeit gezählt, mit der ein Artikel einer Zeitschrift in einer anderen Zeitschrift (selbstverständlich nur in einer Zeitschrift, die auf einem vom bibliometrischen Betreiber der Vermessung handverlesenen Index vertreten ist) zitiert wurde.

Dieses ursprüngliche Ansinnen erfuhr im Rahmen des Quantifizierungswahns neuer akademischer Steuerungsinstrumente eine eigentümliche Metamorphose: Die Häufigkeit der Zitierung wurde nun zu einem Gütekriterium für den Inhalt von Zeitschriften bzw. Texten gemacht. Gerade so, als sei McDonald’s das beste Essen der Welt, nur weil es die meisten kaufen.

Noch absurder wird es, wenn man die Zahlen genauer studiert: In meinem Fach, der Politikwissenschaft, haben die „qualitätsvollsten“ europäischen Zeitschriften des SSCI (Social Science Citation Index) – ein Index von Thomson Reuters, der ebenfalls privatwirtschaftlich ausgerichtet ist – einen IF von 2,4. Und was heißt das? Im vergangenen Jahr wurden Artikel dieser Zeitschrift 2,4 mal in einer anderen Zeitschrift des SSCI zitiert. Hier muss man kurz innehalten: Diese in eine Zahl geronnene Lächerlichkeit wird tatsächlich zum Qualitätskriterium für eine Publikation. Das als Güteausweis für die Zeitschrift bzw. die in ihr veröffentlichten Texte zu nehmen grenzt an Milchjungen-Rechnungen, denn meist sind es wohl Jungs, die sich auf dieses Spiel einlassen.

Warum ist dieser Text auch mit „Ich bin eine Null“ betitelt? Der IF macht viele Kolleg_innen einfach zu Nullen – wenn ihr kommerzialisierter IF null ist. Ebendies ist mit vielen Lehrenden des Wiener Instituts für Politikwissenschaft kürzlich im Rahmen einer Institutsevaluation geschehen. Der IF ist also nicht harmlos oder unschuldig, nein, er richtet mit minimalem Erkenntnisgewinn maximalen Schaden an – er schließt aus, und selbstverständlich ein. Er suggeriert Qualität, wo er nur quantifiziert. Und er entmachtet nicht nur die Autor_innen, sondern führt das Urteilsvermögen der wissenschaftlichen Community ad absurdum: Anstatt z.B. in Berufungsverfahren die Texte und Einlassungen der Bewerber_innen zu lesen, wird nur noch nach ihrem IF oder Hirsch-Faktor, auch ein bibliometrisches Maß für die Zitationshäufigkeit eineR Autor_in, das allerdings größere Zeiträume in Betracht zieht, gesucht und gerechnet.


If you are going to San Francisco …

Die Naturwissenschaften, in denen die Quantifiziererei ihren Anfang nahm, sind die ersten, die die bibliometrischen Verfahren inzwischen ablehnen: In San Francisco beschloss im Dezember 2012 eine Gruppe von Naturwissenschaftler_innen die San Francisco Declaration on Research Assessment, die sich explizit gegen die Fetischisierung des Impact Factors wendet. Die Deklaration stellt nicht nur die Aussagekraft des IF in Frage und kritisiert die Manipulierbarkeit dieser vermeintlichen Qualitätsmessung – sie fordert Förderinstitutionen und Universitäten dazu auf, dieses Instrument nicht mehr zu verwenden. Auch der FWF, der österreichische Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, bezieht sich in einer Aussendung positiv auf diese negative Haltung gegenüber dem IF. Paradox?

Wir können uns also auch Blumen in die Haare stecken und, statt vermessen zu werden, vermessen sein.

B.S.


Peer Reviews und andere Ökonomien

Peer Reviews gelten als objektive Bewertung wissenschaftlicher Texte, weil diese anonym an wiederum anonym bleibende zwei bis drei Gutachter_innen weitergegeben werden, die die Texte beurteilen. Entlang dieser Beurteilungen müssen die eingereichten Texte entweder von den Autor_innen überarbeitet werden oder sie werden abgelehnt. Nicht selten gibt es zwei bis drei Überarbeitungsrunden, die in internationalen, hoch gerankten, in der Regel englischsprachigen Journals auch schon einmal zwei bis drei Jahre dauern können. Eine endgültige Ablehnung der Texte ist nach jeder Überarbeitung und der erneuten Peer Review möglich. Nur bei wirklich berühmten Autor_innen werden in der Regel keine oder nur wenige Textkorrekturen verlangt.

Die Texte sollen einem standardisierten Format von Einleitung, Forschungsstand, Argumentation und zusammenfassendem Fazit folgen, was nicht nur dazu führt, dass davon abweichende Textgestaltungen keinen Eingang in die internationalen wissenschaftlichen Journals finden. Vor dem Hintergrund, dass jeder Text in einer Review-Schleife von mehreren Jahren hängt und die Journals danach Exklusivrechte haben wollen, scheint es sich durchzusetzen, dass pro Text nicht mehr als ein eigenständiges Argument angebracht wird. Das nächste Argument reicht man dann lieber im nächsten Text beim nächsten Journal ein. Dementsprechend flach sind in der Regel die Texte niedrig wie hoch gerankter internationaler Journals. Aber auf die Inhalte kommt es in dieser wissenschaftlichen Quantifizierungsmaschinerie, die in sehr vielen Fächern karrierebestimmend ist, ja ohnehin nicht mehr an. Es zählt nur noch, wie viele Peer-Review-Artikel eine Bewerber_in/Antragsteller_in vorweisen kann und in welchem Rankingverhältnis sich die jeweiligen Zeitschriften befinden. Beiträge in Sammelbänden gelten im Vergleich dazu als wertlose Publikationen, aufgewertet werden nur noch Veröffentlichungen bei Suhrkamp oder in als wichtig erachteten englischsprachigen Verlagen. Auch Monografien „zählen“ im Vergleich zu den Peer-Review-Artikeln viel weniger.

Peer-Review-Verfahren werden immer wieder wegen der Anonymität als objektiv legitimiert. Eine positive Begutachtung bedeutet, dass der eingereichte Text, quasi stellvertretend durch die Gutachter_innen, von einer imaginären, durchaus heterogenen Scientific Community als innovativ und eigenständig wertgeschätzt wird.

Einen als wichtig erachteten theoretischen oder empirischen Strang in der internationalen Scientific Community durch das Angebot einer Begutachtung vertreten zu können scheint derart verführerisch zu sein, dass auch wissenschafts- und institutionskritische Nachwuchswissenschaftler_innen beim Bier darüber sprechen, in welchem wichtigen Organ sie gerade gereviewt haben oder wie lange es aufgrund ihrer vielen Arbeit noch dauern wird, bis sie dazu kommen werden.

Es gehört nicht viel dazu, zu verstehen, in welcher Weise die oft langwierige und mit vielen Enttäuschungen und Durchhalteenergien versehene wissenschaftliche Karriere bis zur Professur damit aufgehellt werden kann, wenn man anonym die Texte jener beurteilt, die (vermeintlich) erfolgreicher an einem vorbeiziehen oder bereits -gezogen sind. Welche Omnipotenz lässt sich erfahren, wenn – trotz aller Anonymisierung – der Text die Konkurrent_in oder eine andere bekannte Person als Autor_in zu verraten scheint, deren Beurteilung nun in den eigenen Händen liegt? Das wissenschaftliche Bewertungssystem durch Peer Reviews wird kaum – auch nicht im Kreise jener, die sich als kritische Zeitgenoss_innen verstehen – in Frage gestellt. Es wird vielmehr als selbstverständlich akzeptiert und reproduziert. Vielleicht ja unter anderem deshalb, weil es – nimmt man daran als Peer Reviewer teil – manchmal die erlittenen Frustrationen im Wissenschaftsbetrieb durch die Rolle als anonyme Richter_in kompensieren zu helfen scheint.

Das anonyme Peer-Review-Verfahren produziert aber noch andere, weitaus problematischere Subjektivierungsweisen als jene, die vielleicht auch deshalb nicht aus dem zunehmend auf quantifizierbaren und somit ökonomisierbaren Kriterien basierenden Wissenschaftssystem aussteigen, weil es Mittel und Wege gibt, manche Frustrationen in Machtphantasien umzulenken. Jenseits dessen gibt es – und man erkennt es oft in der Art und in der Geste des Schreibens – ältere und oft etablierte Gutachter_innen, die sich im Schatten der Anonymität keineswegs an Respekt und konstruktive Kritik gegenüber dem zu beurteilenden Text halten.

So muss man sich als Projekteinreichende bei einem Dreiländer-DACH-Projekt von einem Gutachter (es ist oft zu erkennen, wenn es sich um einen – in der Regel älteren – männlichen Gutachter handelt) des Schweizer Nationsfonds (SNF) vorhalten lassen, man hinge „Zeitgeisttheorien wie Gender und Postcolonial Studies“ an, die nicht als förderwürdig zu betrachten seien. Nun ist bekannt, wie sehr die rechtsextreme Schweizer Volkspartei (SVP) in diversen Medien immer wieder auch gegen Gender Studies wettert und dieser Forschungsrichtung im Gestus eines (auch in Deutschland und Österreich zu findenden) Antifeminismus und Antiintellektualismus die Wissenschaftlichkeit abspricht. Wenn aber der SNF Gutachten akzeptiert und an die Antragsteller_innen weiterreicht, die eine international so renommierte wissenschaftliche Denk- und Forschungstradition wie die feministische als Zeitgeist diskreditieren, dann fällt dies schließlich auf den SNF zurück, der sich mit dem Vorwurf der Unseriosität konfrontiert sehen muss. Ein anderes Gutachten des SNF war dem Projekt übrigens positiv zugeneigt, allerdings dermaßen voller Rechtschreibfehler, wie es bei keiner Seminararbeit akzeptiert werden würde.

Unseriosität findet sich nicht nur im Antifeminismus, sondern auch innerhalb deutschsprachiger feministischer Fachzeitschriften. Vor wenigen Jahren wurde ich nach einem Vortrag auf einer Tagung nachdrücklich dazu aufgefordert, doch bitte den Vortrag als Aufsatz für die Feministischen Studien einzureichen, eines der wenigen deutschsprachigen peer-reviewed Journals im Kontext der Geschlechterforschung. Ein solches Verfahren ist nicht der neuen (aus dem englischsprachigen Raum importierten) Publikationsökonomie geschuldet. Vielmehr praktiziert die Zeitschrift seit Beginn ihres mehr als 30-jährigen Bestehens die Praxis der anonymen Begutachtung.

Nachdem der überarbeitete Vortrag versehen mit dem entsprechenden Stylesheet fristgerecht eingereicht war, kam einige Wochen später die Nachricht, der Text sei abgelehnt. Nun ist das zwar ärgerlich, weil ja hinter der Einreichung eine explizite Aufforderung der Herausgeberin stand und die Aufsatzfassung in der Argumentation nicht wesentlich von der Vortragsfassung abwich. Aber in einem Publikationsprozess entscheiden mehrere und dass es dann doch zur Ablehnung kommen kann, ist Teil des Publikationsgeschäfts. Was aber wirklich ärgerlich war und an der Professionalität der Zeitschrift zweifeln lässt, waren die beiden Gutachten, die für die Zurückweisung des Textes maßgeblich waren. Sie waren nachlässig formuliert, ressentimentgeladen und bei einigen im Text angesprochenen international einschlägigen Diskursen uninformiert. Zum Beispiel hieß es da, der Text biete eine „exkludierende, hermetische, abgehobene Schreibweise – was heißt da ‚koextensiv‘ oder ‚postoperaistisch‘? –, die an Verständigung sowie dem interdisziplinären Anspruch der Feministischen Studien nicht interessiert zu sein scheint.“ „Im zweiten Abschnitt […] erfahren wir etwas darüber, was Judith Butler sich dazu überlegt hat. Es fallen auch noch ein paar andere Namen […]. Der vorliegende Text aber erscheint mir bislang eher als ein etwas durcheinander geratener Zettelkasten. Er ist nicht mit Gewinn zu lesen und er erhellt m.E. am Ende auch gar nichts.“ Ein Glücksfall, dass derselbe Text im europaweiten Zusammenhang der Prekarisierungsforschung offenbar doch erhellend wirkte und zu einem Standardtext wurde. Geschmackssache, wie im Übrigen auch das Peer-Review-Verfahren an sich.

I.L.


„There is an incurred fee for this added service of $3.000“. Reproduktionsbedingungen des wissenschaftlichen Publizierens

Als ich im Februar 2012 von den Book Review Editors gebeten wurde, eine Rezension für die Zeitschrift Constellations zu schreiben, habe ich ohne Zögern zugesagt. Das zu rezensierende Buch stand auf meiner Leseliste, und ConstellationsAn International Journal of Critical and Democratic Theory, so der Untertitel des Journals – schien mir kein schlechter Publikationsort für die Rezension. Nachdem die Rezension von den Review Editors auf sehr konstruktive Weise kommentiert worden war und ich daraufhin noch ein paar Veränderungen vorgenommen hatte, hörte ich lange nichts mehr.

Im Mai 2013 kam dann eine anonyme E-Mail von der Wiley Verlagsgruppe, in der mir von Wiley_SingaporeC@aptaracorp.com mitgeteilt wurde, dass ich die Fahnen der Rezension online lesen und freigeben solle. Da ich dieser Aufforderung nicht innerhalb von wenigen Tagen gefolgt bin, wurde ich aus dem e-proof-System geschmissen und es bedurfte ziemlich vieler E-Mails und Menschen, um meinen Text dann doch wieder in das e-proof-System zu schleusen. Wechselseitige überhöfliche Entschuldigungen für den Ärger folgten. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass das viel zu viel Aufwand für eine kleine Rezension war, die 1.500 Wörter nicht überschreiten sollte.

Die nächste E-Mail mit Wiley im Absender zeigte vor allem eines: Der Vorfall mit dem e-proof-System hatte mich bereits vorbildlich diszipliniert. Schon beim Lesen hatte ich das dringende, ja stressige Gefühl, jetzt sofort antworten zu müssen, um nicht den nächsten Systemrausschmiss und den damit verbundenen kommunikativen Fallout zu riskieren. Die neue Mail begann mit: „ACTION REQUIRED: Your article has been received by our production department. You must now log into Author Services and sign your licence agreement. Failure to do so will prevent your article from being published. Several days ago we invited you to visit Wiley-Blackwell Author Services to enjoy many benefits, including the ability to track the production status of your article.“ (Großschreibung und fett im Original, R.S.)

Zu den angepriesenen benefits gehörte auch, dass man ankreuzen konnte, ob der Text open access erscheinen sollte oder nicht. Super, dachte ich, natürlich soll meine Rezension open access erscheinen. Offenbar war der Anspruch auf Kritik und Demokratie im Untertitel von Constellations nicht nur ein Lippenbekenntnis, wenngleich ich mich im Moment des Anklickens der open access-Option daran erinnerte, dass ich noch nie online Constellations-Texte lesen konnte, ohne zu zahlen oder Teil einer Institution zu sein, die dafür zahlte. Offenbar hatte sich an der open access-Politik bei Constellations nun etwas verändert und man konnte Texte allen Interessierten zugänglich machen.

Die nächste Wiley-E-Mail kam vom „Open Access Administration Assistant JOHN WILEY & SONS, INC.“ und teilte mir mit, dass ich meine Gebühr noch immer nicht bezahlt hätte. Ich fragte, welche Gebühr? Gemeint war die für open access! Ob ich denn das Kleingedruckte vor dem Anklicken der open access-Option nicht gelesen hätte: „There is an incurred fee for this added service of $ 3.000.“ Auch der freundliche Hinweis des Open Access Administration Assistant, es könne ja auch meine Institution diesen Betrag zahlen, half nicht wirklich weiter, denn welche Institution hat 3.000 Dollar für solche added services auf die Seite gelegt? Zuletzt musste ich darum betteln, das licence agreement, das ich elektronisch unterschrieben hatte, rückgängig machen zu dürfen. Der Bitte wurde stattgegeben. Ich bekam die Antwort: „You will now be able to log back in and re-answer the licensing questions, to this time choosing No for OnlineOpen and then signing the correct license agreement.“

Die Möglichkeit, Nein zu sagen, hätte ich mir (zumal im Zeichen von Kritik und Demokratie) anders und für Anderes gewünscht. Definitiv nicht als die Freiheit, Nein zu sagen zur Möglichkeit, dass meine Rezension von Menschen unentgeltlich gelesen werden kann.

R.S.


Rückkauf von Wissen möglich

„The commodification of the product of intellectual labour has become routine, subject to fashion and political patronage, much like any other commodity“, resümiert Couze Venn (On the Cunning of Imperialist Reason: A Questioning Note or Preamble, in: Theory, Culture & Society 1/1999, S. 60) in einer kurzen Replik auf die kritische Stellungnahme von Pierre Bourdieu und Loïc Wacquant (On the Cunning of Imperialist Reason, in: ebd., S. 41–58) zur Amerikanisierung des akademischen Publikationswesens. Die kommerziellen Interessen und Publikationsstrategien großer Verlagshäuser wie Basil Blackwell oder Routledge führten dazu, dass wissenschaftliche Inhalte im Hinblick auf ihren ökonomischen Marktwert selektiert werden, argumentieren die beiden französischen Intellektuellen (ebd., S. 47). Und durch die Marktmacht der Großverlage, nicht zuletzt die globale Distribution englischsprachiger Bücher und Zeitschriften, würden diese Themen und Topoi auch zu den dominanten im wissenschaftlich-universitären Betrieb werden. „Decisions of pure book marketing orient research and university teaching in the direction of homogenization and submission to fashions coming from America, when they do not fabricate wholesale ‚disciplines‘ such as Cultural Studies“ (ebd.). Typischerweise sind diese Verlage auch imstande, den Widerstand gegen die eigene diskursive Macht zu einem Geschäft zu machen. Veranschaulicht wird dies im vorliegenden Fall dadurch, dass die kritischen Passagen in einer Zeitschrift erschienen, die von einem der weltweit mächtigsten Verlagsimperien herausgegeben wird, Sage Publications, das seinerzeit, etwa mit der Gründung der Zeitschrift Body & Society, den somatic turn in den Sozialwissenschaften (mit)einleitete.

Im deutschsprachigen Raum geht von Verlagen wie UTB oder Springer eine ähnliche symbolische Gewalt der Themensetzung aus. Dazu hat sich seit geraumer Zeit eingebürgert, dass das unternehmerische Risiko für die Veröffentlichung von Erkenntnissen, die nicht auf den ersten Blick marktgängig erscheinen, von den Autor_innen zu tragen ist, die damit – zumindest so lange sie keinen Namen haben – unternehmerisches Geschick in der Vermarktung der eigenen Argumente entwickeln müssen. Besondere Blüten treibt dieses ökonomische Spiel auf dem Zeitschriftenmarkt, wo mittlerweile ein ausufernder Handel mit digitalisierten wissenschaftlichen Aufsatztexten zu beobachten ist. Als Redaktionsmitglied der Österreichischen Zeitschrift für Soziologie, also dem Sprachrohr der österreichischen Soziologie, kann ich exemplarisch darauf hinweisen, dass der gesamte Entstehungsprozess jedes einzelnen ÖZS-Heftes von der unentgeltlichen Mitarbeit einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Expert_innen abhängt, aber am Ende des Prozesses einige tausend Euro Jahr für Jahr an den Springer-Verlag überwiesen werden für den Druck der Zeitschrift und die digitale Veröffentlichung der darin enthaltenen Aufsätze. Springers Open Choice-Politik sieht vor, dass Texte für wohlfeile 2.200 Euro (+ VAT) einer breiten Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden können – zu bezahlen vom Autor oder von der Autorin. Es sei denn, unterstützende Institutionen wie Forschungsinstitute oder Universitäten springen ein und subventionieren damit nicht nur den Forschungsprozess, sondern private Verlage gleich mit. Wird keine open access publication fee entrichtet, lässt sich der unentgeltlich entstandene Aufsatz in weiterer Folge für 34,95 Euro von der Homepage des Springer-Verlags downloaden.

Wir haben es in solchen Fällen also mit einer künstlichen, den kapitalistischen Verwertungsinteressen dienenden Verknappung des Zugangs zu Wissen zu tun, indem ökonomische Barrieren errichtet werden, die entweder die Veröffentlichung oder die öffentliche Distribution von Erkenntnissen erschweren. Die Gewinner in dieser Vermarktlichung der Wissensproduktion sind mit Sicherheit die großen Verlagshäuser, Verlierer all jene Wissenschaftler_innen,  die von einem freien, kooperativen Austausch von Wissen, unabhängig von der ökonomischen Verwertungslogik, profitieren könnten.

O.P.


Insistierende Einverleibung

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: onbehalfof+tcs+sagepub.co.uk@manuscriptcentral.com [mailto:onbehalfof+tcs+sagepub.co.uk@manuscriptcentral.com] Im Auftrag von tcs@sagepub.co.uk
Gesendet: Montag, 2. Juli 2012 17:18
An: Raunig Gerald
Betreff: Theory Culture & Society - Reviewer Request


Dear Gerald Raunig

Your name was recently suggested at one of our editorial board meetings as someone we should invite to become a peer-reviewer for our journal. This should involve only a minimum amount of commitment from you, and we will endeavour to invite you to review on an occasional basis only those manuscripts we receive that fall within your area of expertise. Each invitation will, of course, come with an option to agree or decline to review the relevant manuscript, so there will be no expectation of you agreeing each time.

With this in mind, we have added your name to the Theory, Culture & Society database in the hope that you will become one of our referees.

In recognition of the support of our anonymous referees, we have arranged with our publisher SAGE to offer free access to all 600+ SAGE journals for 30 days upon receipt of completed reviews and a 25% book discount on all SAGE books ordered online.

If you do not wish to review for the journal, please let us know and we will remove your details from our database with immediate effect.


Best wishes

Simon Dawes
Editorial Assistant
on behalf of Couze Venn, Managing Editor

 

________________________________________

From: gerald.raunig@zhdk.ch [gerald.raunig@zhdk.ch]
Sent: 03 July 2012 00:53
To: Theory, Culture & Society
Subject: AW: Theory Culture & Society - Reviewer Request


dear simon dawes, dear couze venn, dear mike featherstone,

thank you for your suggestion, but i have to say, i would prefer not to ...

some time ago i decided to strike against peer reviews, as long as they do not try to overcome their standardized formats. i agree with this quote from a leftist intellectual:

"15. The chief means for taming wild writing are academic journals, particularly in the form of the peer-reviewed journal. Originally introduced as a way of enhancing objectivity, the peer review has long since become an instrument of (self-)government, and as such bolsters existing structures and encourages their system of inclusion and exclusion."

so it would be nice if you could remove my personal belongings from the sage-database.

sincerely,

g.

 

________________________________________

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Theory, Culture & Society [mailto:tcs@sagepub.co.uk]
Gesendet: Mittwoch, 4. Juli 2012 12:22
An: Raunig Gerald
Betreff: RE: Theory Culture & Society - Reviewer Request


Dear Gerald - many thanks for your email; it's one we'll discuss!

I'll remove your name from our database so we harrass you no further.

Kind regards

Simon

Simon Dawes
Editorial Assistant: Theory, Culture & Society and Body & Society
Editor: TCS Website
http://www.sagepub.net/tcs/
http://theoryculturesociety.blogspot.com/

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SAGE, the Independent Publishers Guild Academic and Professional Publisher of the Year 2012
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________________________________________

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: onbehalfof+tcs+sagepub.co.uk@manuscriptcentral.com [mailto:onbehalfof+tcs+sagepub.co.uk@manuscriptcentral.com] Im Auftrag von tcs@sagepub.co.uk
Gesendet: Mittwoch, 27. März 2013 16:29
An: Raunig Gerald
Betreff: TCS Referee Request - 13-054-TCS

Dear Gerald Raunig

We would be very pleased if you would consider refereeing the following manuscript which has been submitted to Theory, Culture & Society:

[…]

Many thanks for your support for the journal.


Best wishes
Couze Venn
Managing Editor
for
Mike Featherstone
Editor