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02 2017

Es ist Krieg in den artifiziellen Städten...

Die räumliche Imagination des Feindes

Andrea Kretschmann

Der Krieg ist schon längst eine Frage der Städte geworden, und in diesem Sinne verlagert dieser sich auf neue Territorien. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Räume, in die militärische Apparate intervenieren, immer vorgestellte Räume sind, die in sozialen Prozessen fernab der betreffenden Regionen hervorgebracht werden. Ein wesentliches Element dieser Raumproduktionen ist gegenwärtig die artifizielle Stadt. In nie dagewesenem Maße vermittelt sie sozialräumliche und kulturelle Aspekte desjenigen Territoriums, auf dem der Gegner zu Hause ist. Es zeigt sich jedoch, dass diese Aspekte nicht authentisch oder neutral sind sondern immer schon mit kultureller Bedeutung über die gegnerischen Räume versehen.

Der Krieg ist schon längst eine Frage der Städte geworden, das ist bekannt: Nimmt man etwa das von der NATO im Jahr 2003 veröffentlichte Papier „Urban Operations in the Year 2020“ zur Hand, so wird deutlich, dass diese das Einsatzgebiet ihrer Mitgliedsstaaten in starkem Maße in Städten verortet.1 Anlass dessen ist ihr die allgemeine Entwicklung hin zu einer Verstädterung der Weltbevölkerung.2 Aus Sicht der NATO ist es insbesondere die hiermit einhergehende Mixtur aus zunehmender urbaner Verslummung und einer sich auf engem Raum divers zusammensetzenden Bevölkerung, die verstärkt für Aufstände und zivile Unruhen in den Städten sorgen wird.3

In strategischer Hinsicht gilt für den Städtekampf: Die SoldatInnen sind nicht nur kampftechnisch zu schulen, sondern – damit sie die Aktivitäten des Gegners antizipieren können – auch mit möglichst detaillierten Informationen über den Feind zu versehen. Schon immer hat man in der Ausbildung von SoldatInnen auch Propaganda im Sinne eines bewusst kolportierten einseitigen, dieselben auf den Kampf einschwörenden Blicks auf den Gegner verarbeitet. In besonderem Maße räumlich kreiert – ob bewusst oder unbewusst, das sei hier dahingestellt – wird das Wissen über den Gegner mit der Verstädterung des Krieges, denn diese bringt ein bisher eher vernachlässigtes Genre militärischer Architektur zur Ausdifferenzierung: die artifizielle Stadt. Um sich auf den Kriegsfall vorzubereiten, sieht man im Militär die Notwendigkeit, die Trainings aus dem offenen Gelände in städtische Umgebungen zu verlagern und in diesem Kontext entsteht die artifizielle Stadt. Unter KriegsstrategInnen geht man davon aus, dass auf lineares Voranschreiten ausgerichtete Kampfstrategien heute überholt sind4 und es stattdessen einer netzwerkartigen Organisation des Kampfes bedarf. Die Verstädterung des Krieges erfordert dabei eine komplexe Kriegsführung; städtisches Gelände gilt als schwierig im Vergleich zum traditionell offenen Gelände.5 Insbesondere Kriege in Städten mit einem hohen Anteil von Slums oder Flüchtlingslagern zu führen erweist sich dabei als Herausforderung. In der Strategieforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass smart bombs zwar nützlich sind, um hierarchisch strukturierte, über zentralisierte Infrastrukturen verfügende Städte unter Kontrolle zu bringen, “high-tech weapons” hingegen “falter before the problem of controlling undeveloped concentrations of poverty, like in Mogadishu, in Somalia, and Sadr City in the Iraqi capital of Baghdad.“6 Die militärischen Apparate der verschiedenen westlichen Länder haben in diesem Sinne nicht nur ihre Doktrinen um den urbanen Raum ergänzt sondern auch einen großen Teil ihrer militärischen Übungen.

Nachbildungen städtischer Räume sind deshalb heute überhaupt keine Seltenheit mehr. Über eine der größten artifiziellen Städte verfügt mit ihrem Urban Warfare Training Center (UWTC) derzeit das israelische Militär7, dicht gefolgt von den USA. Letztere betreiben in Colorado Übungen in Fort Carson, in Louisiana kann in Fort Polk im städtischen Raum trainiert werden und in Alaska hält Fort Richardson Möglichkeiten für derartige Übungen bereit. Für diese so genannten „Military Operations on Urban Terrain“ (MOUT) trainiert auch das britische Militär in seiner Stanford Battle Area. Über die europaweit größten Trainingseinrichtungen verfügt momentan das französische Militär in verschiedenen „Centres d’entrainement aux actions en zones urbaines“ (CENZUB). Von seiner führenden Position in Europa wird Frankreich jedoch spätestens im Jahr 2020 verdrängt werden. Dann soll eine noch größere Übungsstadt in Sachsen-Anhalt fertiggestellt sein – auch wenn dessen Fläche immer noch nur ein Fünftel der Fläche des israelischen MOUT-Geländes ausmacht.8 „Mit der Errichtung des Urbanen Ballungsraumes wird das GÜZ [Gefechtsübungszentrum Heer] zur größten und modernsten Übungseinrichtung Europas, wenn es um die Simulierung von Ernstfällen in Krisengebieten geht“, heißt es auf der Website der Bundeswehr.9 Bislang verfügte das deutsche Militär über so genannte Ortskampfanlagen auf dem Truppenübungsplatz in Lehnin, darunter das fiktive Städtchen ‚Rauhberg’ sowie über ‚Bonnland’ auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg. Beide werden wohl bald als Vorläuferinnen der ‚städtebaulichen Entwicklung’ von Kampfanlagen zu betrachten sein. Greift man in Bonnland noch auf die Struktur eines abgesiedelten Dorfes mit 120 Gebäuden zurück, so zeichnet sich Rauhberg schon dadurch aus, dass es in Ansätzen über eine städtische Infrastruktur verfügt. Die Anlage umfasst 70 Gebäude, die in unterschiedlicher Bauart (mit und ohne Keller, teilweise möbliert) zur Verfügung stehen, sie verfügt u.a. über ein Kanalnetz, über Fußgängerunterführungen und einen Bahnhof, eine Schule, Einkaufsläden, Tankstellen, Gaststätten und einen Flugplatz. Zudem können Gebäudebrände dargestellt werden und Lautsprecher können den Gefechtslärm simulieren. Rauhberg hat zudem elektrisch gesteuerte Ziele, auf die mit Übungsmunition geschossen werden kann.10 Die artifizielle Stadt der zweiten Generation ist damit nicht mehr als willkürliche Ansammlung von Häusern zu sehen, sondern stellt bereits ausschnitthaft einen urbanen Raum dar. Schnöggersburg, das demgegenüber großstädtische Züge trägt, soll nach Fertigstellung einer ausdifferenzierten „ganze[n] Stadt“11 so ähnlich wie möglich sein. Diese soll etwa 500 Häuser umfassen, die in verschiedene Viertel unterteilt sind, darunter eine Altstadt, eine Neustadt, aber auch ein so genanntes Elendsviertel. U.a. gibt es eine Müllhalde, außerdem einen U-Bahn-Tunnel, Kanalisationsschächte und eine Stadtautobahn. „Die Einsatzrealität der Bundeswehr zeigt“, heißt es in einem Artikel des deutschen Militärs, „dass derzeitige und zukünftige Konflikte und Krisenherde dort entstehen, wo soziale und kulturelle Ballungsräume zu finden sind. Bereits heute kennzeichnen (sic) eine Vielzahl von unterschiedlichen Operationsarten die internationalen Missionen der Bundeswehr. Diese reichen von humanitären Einsätzen bis hin zu bewaffneten Konflikten im Rahmen Frieden erzwingender Maßnahmen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, hat das Bundesministerium der Verteidigung entschieden, einen ‚Urbanen Ballungsraum’ im Gefechtsübungszentrum Heer auf dem Truppenübungsplatz Altmark zu schaffen“12, heißt es auf der Internetseite der Bundeswehr in Bezug auf Schnöggersburg.

Das Nachbilden von Städten zu Trainingszwecken ist dabei keine gänzlich neue Entwicklung; militärische Nachbauten urbaner Räume haben Tradition. Im zweiten Weltkrieg etwa sollte das wiederholte Bombardement artifizieller deutscher und japanischer städtischer Bebauung bei der Entwicklung amerikanischer und britischer Brandbomben helfen.13 Planspiele in artifiziellen Städten gab es auch während des Kalten Kriegs, so auch vonseiten der Bundeswehr, die in Bonnland schon seit den 1960er Jahren trainiert.

Während die Simulationen früher jedoch darauf abzielten, sich darauf vorzubereiten, eine durch eine nationale Armee verteidigte Stadt einzunehmen, trainiert man heute für asymmetrische Kriege. Geübt werden sollen Praxen, die es den Einsatzkräften ermöglichen, einem heterogenen strukturierten Feind gegenüberzutreten, der abseits einer regulären Armee organisiert ist.14 Es wird damit gerechnet, auf ein zersplittertes Schlachtfeld ohne klassische Frontlinien und auf dezentral operierende, eventuell auch über moderne technologische Ausrüstung verfügende Einheiten netzwerkartig verteilt Kämpfender zu treffen. In Termini der NATO sind dies derzeit vor allem Charakteristika von „non article 5 operations“15, also Einsätzen, die abseits der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung eines Landes zu verorten sind.16 Auch die Bundeswehr begreift „Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung (...) im erweiterten geografischen Umfeld“ im Kontext der „Sicherheitsvorsorge“ als ihre vorrangige Aufgabe17, die allerdings im Kontext der Frage, inwieweit sie mit Paragraf 80 des Strafgesetzbuches, „Vorbereitung eines Angriffskrieges“ vereinbar ist, in Politik und Bevölkerung seit Jahren kontrovers diskutiert wird. Derartige Operationen verschieben den Krieg in Richtung eines „crisis management 18, wobei das Militär regelhaft auch mit im eigentlichen Sinne zivilen Aufgaben konfrontiert ist. Kurz: In den artifiziellen Städten wird für den „low intensity war“ geübt. Es geht darum, zu „fight elsewhere [Hervorhebung durch A.K.], but not so often, rarely as reluctantly, and never so brutally.“19

Die artifiziellen Städte und die in ihnen vonstatten gehenden Simulationen sind dabei untereinander nicht identisch, sondern sie sind angepasst an die jeweiligen Kampfkontexte, in die die Militärs der unterschiedlichen Länder intervenieren. Diesbezüglich strebt man an, reale Kampfterrains und -situationen möglichst „authentisch“ nachzubilden. So ist israels Städtebau etwa einer Wüstenstadt nachempfunden; alltagssprachlich trägt diese den Namen ‚Baladia’, arabisch für Stadt. Auch die ArchitektInnen und StadtplanerInnen der US-amerikanischen MOUT-Gelände haben teilweise arabische Regionen als Vorlage genommen: Im Jahr 2006 verfügte etwa Fort Carson über drei verschiedene ‚irakische Dörfer’.20 Das britische Militär wiederum trainiert in der Stanford Battle Area in der Nachbildung eines ‚afghanischen Dorfes’.

Für die in den Städten bzw. Dörfern stattfindenden Trainings wird auch hinsichtlich der Ausstattung der Architektur mit ‚Leben’ beträchtlicher Aufwand betrieben; im Fokus steht die Nachbildung der Kriegsszenerien möglichst in ihrer ganzen Komplexität. Diese wird nicht nur als nötig erachtet hinsichtlich des Umstands, dass urbane Kriegssituationen hohe Opferzahlen in der Zivilbevölkerung nach sich ziehen21, sondern weil ein wesentliches Problem gegenwärtiger urbaner Kriegsführung darin besteht, den ‚Feind’ von den ‚ZivilistInnen’ zu unterscheiden. „Die Gefahr lauert in der Kanalisation, auf Häuserdächern, in Gebäuden. Attentäter verstecken sich in Menschenmengen“, formuliert etwa der ehemalige Leiter des GÜZ, auf dem auch Schnöggersburg steht, in diesem Zusammenhang.22 In der Konsequenz muss der Soldat nicht nur den ‚feindlichen Kämpfer’ verstehen können, sondern auch die ‚Zivilbevölkerung’. In den irakischen Dörfern der USA sind insofern nicht nur Moscheen mit Minaretten verbaut, auch wird der Ruf des Imam zum Gebet nachgeahmt. Hier laufen nicht nur Esel durch die Stadt sondern auch bezahlte ‚zivile Personen’ in regionalspezifischer Kleidung. 23 In Schnöggersburg gibt es u.a. eine Apotheke und einen Bäcker; ZivilistInnen werden von den SoldatInnen selbst gespielt. „Es ist äußerst wichtig, dass wir so nah wie möglich an der Realität ausbilden“, äußert sich hierzu ein Oberst der Bundeswehr.24

Lässt man – notwendig zu reflektierende, aber bereits anderswo problematisierte – Aspekte der Auswirkungen einer derartigen Kriegsführung außen vor und stellt eine stadtsoziologische Perspektive in den Vordergrund, dann ist zu berücksichtigen, dass mit dem Städtebau Imaginationen der sozialen Ordnung in diesen Regionen tragend werden, die in die späteren Kriegshandlungen einfließen dürften. In der Soziologie hat man sich darauf verständigt, Architektur als eben so wenig neutral anzusehen wie den Raum selbst. Raum ist keineswegs einfach vorhanden, sagt Lefebvre, sondern immer schon sozial hervorgebracht; er ist ein Produkt gesellschaftlicher Prozesse.25 In diesem Sinne stellen die Dörfer und Städte keine authentischen Nachbildungen von Realität dar, sondern in ihren räumlichen Anordnungen enthalten sie bestimmte Vorstellungen des feindlichen Gegenübers, wie sie aus Kontexten historischer oder heraufziehender Konflikte bzw. aktueller Konfliktsituationen entstehen. Für die irakischen Dörfer des amerikanischen Militärs in den USA etwa hat Graham herausgestellt, dass diese im Kontext eines komplexen Wechselspiels von Politik, think tanks und Medien entstehen, in dem vom war of terror geprägte, stereotype Bilder des Feindes verarbeitet werden. Die Städte innerhalb der zu bekriegenden Regionen werden in diesem Zusammenhang als Räume konstituiert, deren einzige Funktion darin zu bestehen scheint, dass sie TerroristInnen Unterschlupf bieten. In diesem Sinne repräsentieren die Trainingsflächen „not the complex cultural, social or physical realities of real Middle Eastern urbanism, but the imaginative geographies of the military and theme park designers that are brought in to design and construct it.“26

Insofern in den artifiziellen Städten für reale Kriegssituationen trainiert wird, haben die hierin verbauten symbolischen Ordnungen weiter einen Streuungseffekt. Architektur antizipiert kommende Nutzungsbedürfnisse27 und insofern ist sie auf Funktionen hin gebaut. Diese zeigen an, „wo wir sind und was zu tun ist“28. Der architektonisch und schauspielerisch strukturierte Raum reduziert Kontingenz und entlastet, indem er Praktiken kanalisiert. Da die ‚Städte’ spezifische sozialräumliche Anordnungen darstellen und deren kulturelle Nutzung simulieren, wird in ihnen der Raum dergestalt vorstrukturiert, dass in ihm bestimmte Bewegungen im Raum sowie Handlungen angeregt und zugelassen, andere wiederum verunmöglicht oder erschwert werden. Deshalb sind es spezifische räumlich konstituierte Sinngehalte – für die USA etwa Stereotype über das alltägliche Leben sowie ‚Freund’ und ‚Feind’ in der arabischen Welt – die in die Übungen der SoldatInnen eingehen und dort von diesen reproduziert werden dürften, mit der Folge eines spezifischen Umgang auch mit der Zivilbevölkerung.

Auch für Schnöggersburg stellt sich die Frage, welche sozialen Sinngehalte hier architektonisch verarbeitet werden. Anders als bei den Übungsanlagen etwa der U.S.A. lässt Schnöggersburg erst einmal offen, auf welches elsewhere es abstellt. Seine Kirche kann bedarfsweise mit wenigen Handgriffen in eine Moschee umgebaut werden und umgekehrt.29 Laut Auskunft der Bundeswehr ist die ‚Stadt’ nicht auf ein konkretes Interventionsziel hin gebaut, sondern es handelt sich um eine „Fabelstadt, die sich in der ganzen Welt befinden könnte“30. Schon der Vergleich zu den anderen skizzierten Städten und Dörfern zeigt jedoch, dass hier eine hierarchisch strukturierte, über zentralisierte Infrastrukturen verfügende Anlage im Bau ist, wie sie neben vielen anderen etwa auch deutsche Großstädte kennzeichnet.

Es ist schon längst Krieg in den Städten, auch unter Beteiligung Deutschlands, und dieser Krieg hat in größerem Maße nichts mit direkten Erfahrungen zu tun, die SoldatInnen in der Region des Feindes machen, sondern mit Imaginationen derselben. Die artifiziellen Städte verdeutlichen den Umstand, dass die Räume, in die militärische Apparate in Kriegen intervenieren, immer vorgestellte Räume sind. Weitab vom eigenen Lebensraum imaginiert sich der Westen etwa den irakischen Feind.

In nie dagewesenem Maße werden heute jedoch sozialstrukturelle und kulturelle Aspekte des Alltagslebens in die Übungssituationen integriert; das ist der Unterschied zum vergleichsweise abstrakten Training im offenen Gelände. Es entsteht so der Anschein, als sei der Alltag im Irak schon erfahren worden. Auch die deutsche Bundeswehr meint, den sozialen Sinn, den der/die ZivilistIn in Afghanistan einer Situation zuschreibt wenn der/die SoldatIn ihn spielt, ansatzweise schon erfassen zu können. So ist die Bundeswehr der Auffassung, dass durch das Hineinversetzen der SoldatInnen in die „je nach Szenario (...) afghanische Bevölkerung, Polizei oder Armee (...) die interkulturelle Kompetenz der Soldaten geschult“ wird.31 Was aber vordergründig als realistische Darstellung des feindlichen Gegenübers oder der Zivilbevölkerung daherkommt, ist keine reine Wiedergabe des Gegebenen, sondern immer schon imaginatorisch angeeignete Realität. Als solche ist sie mit spezifischem, sozialisatorisch und kulturell aufgeladenem Sinn versehen.

Auch wenn die Regionen der Welt sich im Zuge der Globalisierung derart nahe kommen, dass für Staaten – mit dem tatsächlichen Ziel oder dem Vorwand der Befriedung – „ein schnelles Handeln auch über große Distanzen erforderlich“32 wird, nicht selten mit fatalen destabilisierenden Folgen für die Regionen, so zeigt das Beispiel der U.S.A., dass mit letzterem keine Entsprechung bei der Wahrnehmung auf diese Räume einhergehen muss. Nicht zuletzt ist ein gewisser stereotyp-verkürzter Blick auf das feindliche Gegenüber oder ein gewisses othering auch eine elementare Bedingung des Kriegsführens; das ist der Sinn von Propaganda. Während diese jedoch auf Komplexitätsreduktion abstellt, werden mit den artifiziellen Städten Komplexitätssteigerungen vorgenommen; asymmetrische Kriegsführung verlangt geradezu danach. Am Beispiel der USA zeigt sich, dass hiermit nicht unbedingt eine verstehende Perspektive eingenommen werden muss, sondern dass auf diese Weise eben auch Prozesse des othering angeleitet werden können. Stereotypisierende Grenzziehungen werden dann nicht aufgehoben, sondern auf spezifische Weise differenziert.

 

Dieser Text ist eine leicht abgewandelte Version des Textes „Krieg und artifizieller Städtebau“, erschienen zuerst in Wissenschaft und Frieden 2/2016, 11-14.

 

1 NATO (2003): Urban Operations in the Year 2020, http://www.warstartsherecamp.org/sites/default/files/files/nato_bericht_eng_fran.pdf; ebenso NATO (2010): Urban Combat Advanced Training Technology, http://natorto.cbw.pl/uploads/2015/7/$$TR-MSG-063-ALL.pdf, xii

2 United Nations (2014): World Urbanization Prospects, siehe http://esa.un.org/unpd/wup/highlights/wup2014-highlights.pdf

3 NATO (2003): Urban Operations in the Year 2020, 4

4 NATO (2003): Urban Operations in the Year 2020, iii.

5 Yonas, Gerald/Moy, Timothy (2001): Emerging technologies and military operations in urban terrain, in: Desch, Michael C. (Hg.): Soldies in Cities. Military operations on urban terrain, 131-139, hier: 131.

6 Interview mit Mitke Davis: The rising tide of urban poverty http://socialistworker.org/2006-1/588/588_06_MikeDavis.shtml.

7 Urban Warfare Training Center – Simulating the Modern Battle-Field, 2011, https://www.idfblog.com/blog/2011/10/26/urban-warfare-training-center-simulating-the-modern-battle-field/

8 Jungholt, Thorsten, Bundeswehr soll in Israel den Häuserkampf lernen, in: Die Welt online v. 30.08.2015; Konkret soll Schnöggersburg etwa sechs Quadratkilometer groß werden.

11 Siehe hierzu die Äußerung von Oberstleutnant Peter Makowski in der Mitteldeutschen Zeitung v. 09.05.2012, http://www.mz-web.de/mitteldeutschland/bundeswehr-angriff-in-schnoeggersburg,20641266,17094814.html

13 Davis, M. (2002) Dead cities, and other tales, New York, 65ff.

14 NATO (2003): Urban Operations in the Year 2020, 1.

15 NATO (2003), 9.

16 Häußler, Ulf (2001): in: Odello, Marco/Piotrowicz, Ryszard (Hg.): Crisis response operations in maritime environments, International Military Missions and International Law161-

17 Makowski 2013Urbaner Ballungsraum „Schnöggersburg“ im Gefechtsübungszentrum Heer, in: Infobrief Heer 18(1), 8-9.

18 Siehe NATO (2015): Crisis management v. 29.01. 2015, http://www.nato.int/cps/en/natolive/topics_49192.htm

19 Peters, R.: Our Soldiers, Their Citiers, in: Ders.: Lines of Fire: A Renegade Writes on Strategy, Intelligence, and Security, Mechanicsburg: Stackpole, 2011(1996), 25-34, hier: 25

20 Graham, Steve (2006): Cities and the ‘War on Terror’, in: International Journal of Urban and Regional Research 30(2), 255-276.

21 NATO (2003): Urban Operations in the Year 2020, iii.

23 Graham 2006, 266f..

25 Lefebvre, Henri, The Production of Space, Oxford: Cambridge 1991, 30.

26 Graham 2006, 267

27 Foster, Norman 2004: Hightech-Gestaltung – Ästhetik und Nachhaltigkeit prägen die Regeneration der Städte. In: Hubert Burda, Christa Maar (Hg.): Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder. Köln. 247-259.

28 Schroer, Markus (2013): Raum, Zeit und Soziale Ordnung, in: Ernst/Strohmaier (Hg.): Raum: Konzepte in den Künsten, Kultur- und Naturwissenschaften, Baden-Baden: Nomos, 11-24, hier: 20.

30 Bundeswehr übt in Sachsen-Anhalt den Häuserkampf, Die Welt v. 10.5.2012, http://www.welt.de/politik/deutschland/article106287247/Bundeswehr-uebt-in-Sachsen-Anhalt-den-Haeuserkampf.html

31 Bundeswehr v. 3.12.2010: Afghanistaneinsatz