04 2017
Sie verkaufen Macao. Liebe & Bordell
Also haben wir geschrieben.
„Sehr geehrte Gemeinde von Mailand, lieber Herr Bürgermeister, lieber
Herr Stadtrat für Stadtplanung und liebe Sogemi-Spa, vertreten durch
ihren hervorragenden Präsidenten.“
Wir haben eine klare, bürokratische und unzweideutige Sprache benutzt,
um zu sagen: Ihr müsst das Macao verkaufen? Lasst uns einen Weg finden,
dass die Stadt das Macao kauft. Es ist uns wichtig, einen Dialog mit
Euch, illustre Institutionen, zu entwickeln,
um diesen Weg zu finden: einen Weg, der Schule machen könnte, neue
Türen öffnen könnte, Mailand in eine kühne Stadt und – um ein modisches
Wort zu verwenden – in eine Drehscheibe für Innovation verwandeln
könnte.
Wir haben eine einfache und direkte Sprache benutzt und nicht mehr als Mut verlangt, einen Akt der Schönheit und der Kraft im Angesicht dieser traurigen Notwendigkeit, das Geschäft von Sogemi zu sanieren – ein unbeholfenes, schlecht geführtes und peripheres Unternehmen, das zu 99% der Gemeinde von Mailand gehört und den Gebäudekomplex in der Viale Molise und das ganze Gebiet des ehemaligen Ortomercato besitzt – das größte Leerstandsgebiet im gesamten städtischen Kontext Europas.
Also haben wir geschrieben. Und gewartet.
Wir haben auf eine offene Diskussion mit der Gemeinde gewartet, eine
Diskussion, die uns versprochen wurde, aber nie stattfand, während Tag
für Tag der Verkaufsplan von Sogemi realer wurde und näher kam. In ein
paar Tagen wird eine öffentliche Ausschreibung
veröffentlicht werden, und irgendwer wird die Frechheit haben, uns zu
sagen: „Ihr könnt gern daran teilnehmen, wie jeder andere ehrliche
Bürger das auch tun würde.“ Warum? Um uns von den Holdings, den
Immobilienentwickler_innen oder irgendjemandem erdrücken
zu lassen, der es sich leisten kann, ein gigantisches Gebäude leer und
verschlossen zu halten, das schon einmal tot war, dann wiedergeboren
wurde und nun wieder davor steht, geopfert zu werden? Denn das ist es,
wozu die öffentliche Ausschreibung dienlich sein
soll. Nicht dafür, der Zivilgesellschaft, den Vereinen oder den
Gruppierungen von Bürger_innen Raum zu geben, sondern vielmehr die
Einkünfte so hoch wie möglich zu treiben oder an die zu verkaufen, die
es sich leisten können: Wir sprechen von Investmentfonds
und großen Konzernen, die auf Spekulation und Profit ausgerichtet sind.
Das ist etwas ganz anderes als Austausch mit den Vereinen, lokale
Entwicklung, Einbezug durch Innovation und ähnliches Blabla.
[Unter dem Galfa-Hochhaus waren wir Tausende. Unter dem Hochhaus haben
vor fünf Jahren Tausende Personen die Narrative verändert, Worte
erfunden, Reden gehalten. Unter dem Hochhaus, das heute nichts mehr ist
und das bald Luxus für die wenigen sein wird, waren
wir zu Tausend.]
Soziales Gewebe, Regierung des Territoriums, städtische Brache und
städtische Fülle stehen im Mittelpunkt unsrer Fragen, seitdem das Macao
existiert. Nach zwei Jahren harter Arbeit haben wir dem damals von
Giuseppe Pisapia geleiteten Stadtrat eine Entschließung
vorgelegt. Paragraph für Paragraph haben wir ein Governance-Modell
entworfen, in dem die Verbindung von politischem Handeln und Nutzung der
Stadträume nicht auf die Schaffung eines politischen Konsenses
beschränkt ist, sondern den Bürger_innen erlaubt, die
städtischen Räume in kreativer Weise zu nutzen, vielleicht ungewohnt,
aber in Bezug auf ihre besonderen Wünsche. Denn das ist es, was wir
wirklich brauchen - Werkzeuge, die uns erlauben, darauf Antworten zu
finden, wo wir bisher nichts anderes gefunden haben
als Leere und Schweigen. Diese Entschließung wurde nie erörtert, und
dementsprechend auch nie genehmigt. Schweigen. Schweigen. Ende der
Durchsage. Eine Veränderung wünschen, um gleich zu bleiben. Schweigen.
Wir bleiben standhaft.
[Während dieser fünf Jahre hat Macao fast 2000 Künstler beherbergt.
Dutzende von Kooperationen mit Universitäten und Institutionen. Hunderte
von Produktionen in allen Bereichen der Kunst und Kultur. Ein Publikum
von Hunderttausenden. Sie mögen Zahlen? Vergleiche
sind Ihr Massstab? Sie lieben Statistiken? Machen Sie ihre Vergleiche.
Vergleichen Sie den Wert, der geschaffen wurde, wie viel noch erreicht
werden könnte, wenn uns Zeit gegeben, wenn diese Erfahrung abgesichert
wird.]
Warum etwas wagen? Wozu ein Risiko eingehen und es versuchen? Wenn die
Wünsche der Bürger_innen nicht ausreichen, wenn es nicht ausreicht, die
Partizipation anzurufen, die direkte Demokratie und die Innovation, oder
die Tatsache, dass Mailand Kulturhauptstadt
werden will; wenn es nicht genügt, nach mehr zu streben, sich ein
Jenseits vorzustellen, ein Morgen vorauszusehen: weil wir hier genauso
wie anderswo ein Dorn im Hintern sein werden.
[Im Palazzo Citterio habt ihr uns mit der Gewalt der Armee geschlagen.
Es waren dringende Arbeiten zu tun, Bildende Künste, Verträge und
Ministerien der Mitte. Dringende Werke, die noch immer ihres Anfangs
harren. Ihr musstet uns mit der Gewalt der Armee schlagen,
um die Leere zu schaffen: Eure Politik erschafft die Leere.]
Wenn also dieses Schweigen, dieses Warten, dieses
die-Dinge-passieren-lassen, gemäss dessen es eine Ausschreibung für die
Viale Molise 68 geben wird, an der wir nicht teilnehmen können - wenn
dies also eure Wahl ist, hohe Verwaltung, wird dies keine Wahl sein,
die unsere Wünsche zähmen wird.
Wir haben geschrieben, wir haben gewartet und jetzt:
LIEBE: Nie zuvor war es so notwendig, sehr zahlreich zu sein, die
Kompliz_innen zu vervielfältigen, die Solidarität und den Kampf, um
diesen Weg zu bestärken. Macao gehörte schon immer allen, und wir sind
so viele!
Registriert euch im Verein zum Kauf Macaos: http://www.macaomilano.org/
LIEBE (nochmals): Wir müssen mit der ganzen Stadt reden, wir werden den
Preis gemeinsam festlegen! > Öffentliche Versammlung am 22. April.
Und schliesslich: LIEBE & BORDELL> so viel es auch braucht.
[Von der einunddreißigsten Etage des Hochhauses hinunter auf die Erde
fahren und die Stadt umdrehen. Oder: Wir könnten sogar ans Fliegen
denken …]
>>
Mehr über die Zukunft des Galfa-Hochhauses, mit Rücksicht auf das
Wohlbefinden der Stadt:
http://ricerca.repubblica.it/repubblica/archivio/repubblica/2016/09/02/galfa-via-ai-lavori-la-torre-fantasma-diventera-un-hotelMilano02.html
Mehr über den gegenwärtigen Stand der Vernachlässigung des Palazzo Citterio:
http://milano.corriere.it/notizie/cronaca/16_maggio_04/gioco-dell-oca-mezzo-secolo-palazzo-citterio-all-ex-caserma-88a5f526-11b7-11e6-83c1-0dbc221175cd.shtml
Hier der Entschließungstext, den wir zwischen Sommer 2014 und Herbst / Winter 2015 entwickelt haben:
http://www.macaomilano.org/spip.php?article456
Für einen Überblick über die tatsächlichen Möglichkeiten einer Stadtverwaltung in Sachen sozialer Innovation:
http://www.comune.napoli.it/flex/cm/pages/ServeBLOB.php/L/IT/IDPagina/16783