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08 2025

Eine Ausstellung „entarteter Kunst“ im Studentischen Kulturzentrum in Belgrad?!

SKC U BLOKADI

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Einen Monat nach der Räumung durch Polizei und Verwaltung, die von den Regime-Medien begleitet wurde, entrollten Studierende, die mehr als fünf Monate das Studentischen Kulturzentrum (SKC) in Belgrad besetzt hatten, heute, am 23. August 2025, vor dem SKC-Gebäude eine Leinwand mit der Aufschrift „ENTARTETE KUNST“ als Kommentar zur aktuellen Ausstellung der neuen Verwaltung und des Regimes.

In dem Moment, in dem das Monopol auf die Wahrheit verloren geht und die einstige Autorität Risse aufzuweisen beginnt, die irgendwie gefüllt werden müssen, damit diese schwache, fragile Autoritätsstruktur nicht vollständig zusammenbricht, entsteht die Notwendigkeit, ein Narrativ zu schaffen, das ein gespaltenes Erinnerungsbild im kollektiven Gedächtnis erzeugt.

Dieses Narrativ verwandelt sich jedoch überaus schnell in ein sehr gefährliches Spiel für seinen „Erzähler“ und endet immer auf die gleiche Weise. Die Instrumentalisierung kulturhistorischer Manipulation für politische oder ideologische Zwecke war schon immer ein Merkmal imperialistischer, autoritärer und rechtsgerichteter Versuche, ein Fake-Kulturmodell zu schaffen.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus ihrer eigenen prekären Lage eröffnete die Leitung des SKC unter dem kommissarischen Direktor Slavoljub Veselinović die Ausstellung „Blick in die Zukunft“, die die Studierendenblockade als gesellschaftlichen Verfall darstellen soll.

Die Geschichte verschont niemanden. Und die Kunstgeschichte lehrt alle, die versuchen, sie für Manipulationszwecke zu missbrauchen.

Mit ihrem Versuch, die Inhalte der Studierendenblockade als „entartet“ zu rahmen, tappte die SKC-Leitung bewusst oder unbewusst in eine historische Falle und schuf praktisch ihre eigene Version der berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ – eine der größten Fehltritte einer Regierung in der Kunst- und Kulturgeschichte.

Die Ausstellung „Entartete Kunst“ wurde 1937 in München als Teil der Propagandakampagne des NS-Regimes gegen modernistische und avantgardistische Strömungen in der Kunst eröffnet. Die auf Geheiß von Propagandaminister Joseph Goebbels organisierte Ausstellung zielte darauf ab, als „entartet“ geltende Werke – vom Expressionismus und Dadaismus bis hin zum Surrealismus und zur Abstraktion – öffentlich zu diskreditieren. Alles Subversive und Kritische wurde bloßgestellt. Die Kunstwerke wurden chaotisch präsentiert, mit spöttischen Inschriften und propagandistischen Kommentaren, um bei den Besucher_innen ein Gefühl der Verachtung zu erzeugen (etwas Ähnliches können wir dieses Jahr auch im Studentischen Kulturzentrum in Belgrad sehen). An den Wänden hingen Werke bekannter europäischer Künstler wie Klee, Chagall und Nolde, bzw. Werke deutscher Künstler_innen, die nicht der offiziellen Ideologie entsprachen (ähnlich wie man heute, abgesehen von der kurzen Zeit der studentischen Besetzung des SKC, keine öffentlich ausgestellte Kritik an der herrschenden Ideologie findet).

Das Wesen dieser Ausstellung lag nicht nur in kultureller Unterdrückung, sondern auch in der ideologischen Manipulation. Das Nazi-Regime nutzte Kunst als Mittel zur Definition und Kontrolle kultureller Identität und bestimmte, was „akzeptabel“ und „rein“ war und was als gefährlich für Volk und Staat galt. Auf diese Weise wurde „Entartete Kunst“ zu einem Paradigma der Zensur und des Missbrauchs von Kunst für politische Zwecke. Ironischerweise erhielten viele dieser Werke dank dieser Kampagne später noch größere internationale Aufmerksamkeit und wurden zu einem Symbol des Widerstands gegen die autoritäre Interpretation von Kultur.

Eine Ausstellung wie die aktuelle über den „Blick in die Zukunft“ im SKC, die ausschließlich Propagandazwecken dient, ist jedoch leider keine Ausnahme in der nationalen Geschichte. Während der Marionetten-Regierung der Nationalen Rettung unter Milan Nedić (1941-1944) wurden in Belgrad ähnliche Propagandaausstellungen, die „unerwünschte“ gesellschaftliche Akteur_innen diskreditierten und Hass und Verachtung schürten, organisiert und mit deutschem (NS-)Geld gefördert.

Die Avantgarde-Szene verschwand für viele Jahre aus dem SKC, nicht weil es sie in Belgrad nicht gab, sondern weil man indirekt zugab, dass Kunst gefährlich sein kann. Sie kann gefährlich sein für euch, eure Pfründe und eure Inkompetenz. Ihr habt Angst.

Ihr habt Angst vor dem Neuen, der Avantgarde, ihr habt Angst vor der Kunst als solcher, denn irgendwann wird sie euer wahres Gesicht zeigen.

Die Kunst wird euch immer überleben. Die tierische Angst, das Monopol zu verlieren, hat euch in diese Lage gebracht, die ihr selbst geschaffen habt. Es ist unsere Pflicht, euch zu zeigen, wo ihr gelandet seid. Willkommen, liebe SKC-Führung, in der Ausstellung – dem Zeugnis eures Verbrechens. Die Kunstgeschichte, so anfällig sie auch für Manipulationen sein mag, erinnert sich an alles. Und auch daran wird sie sich erinnern.