10 2000
"My traditional clothes are sweat-shirts and jeans". Über die Schwierigkeit, nicht different zu sein oder Gegen-Kultur als Zurichtung
Für eine antirassistisch-feministisch-queere Internationale
                    An den Wänden zum Hörsaal hingen Schilder mit verschiedenen 
                    Aufschriften wie "United Colors of ifu" oder "My 
                    traditional clothes are sweat-shirts and jeans". Das 
                    war die Antwort einiger ifu[1] -Teilnehmerinnen 
                    gegen eine mediale Repräsentationspolitik, in der sie 
                    immer wieder zu exotischen Paradiesvögeln stilisiert 
                    wurden. Die Vielfältigkeit der Welt war zur Stelle. Hannover 
                    feierte sich letzten Sommer bunt mit "EXPO" und 
                    "ifu". Jede als "Fremde" Identifizierbare 
                    wurde mit einem Lächeln begrüßt, waren sie 
                    doch alle nur mit einem "befristeten Aufenthalt" 
                    gekommen, gut ausgestattet mit den entsprechenden Mittel und 
                    dem "nötig gewordenen" Know-How[2]. 
                    Ihr Betätigungsfeld war auch genau umrissen: Entweder 
                    an einem der "real native" Pavillons zu stehen, 
                    zu bedienen oder einzukaufen oder mit ihren authentischen 
                    Berichten aus aller Welt die nicht zu sättigenden Expandierungsfantasien 
                    des Nordens zu füttern. Unter diesen Umständen konnten 
                    Differenzen toleriert und bis zur kulturellen Unkenntlichkeit 
                    überdeterminiert werden. Was für ein schönes 
                    Hannover - so viele Saris, so viele afrikanische Stoffe. 
                    
                    Während Hannover und insbesondere seine institutionelle 
                    feministische Szene Weltoffenheit feierte, meldete zum gleichen 
                    Zeitpunkt die Frankfurter Rundschau 400 polizeilich registrierte 
                    rassistische Angriffe in der bunten Republik. Auch einige 
                    der Teilnehmerinnen der ifu blieben davon nicht verschont. 
                    Rassistische Anmache auf der Straße, Beschimpfungen 
                    wie "Neger" oder von erwachsenen weißen deutschen 
                    Männern angespuckt zu werden, sind nur ein paar der Vorfälle, 
                    die einige bewogen, die gefeierte folkloristische Aufmachung 
                    abzulegen und wieder abzureisen. Trotz dieser nicht aus der 
                    Welt zu schaffenden "Begebenheiten" blieb der "multikulturelle 
                    Rummel" für die VeranstalterInnen rentabel, konnten 
                    sie doch die Urheberschaft über die Kreationen für 
                    sich verbuchen.
                    
                    Die alltägliche Politik der Differenzierung und Hierarchisierung, 
                    die über Sondergesetze institutionell verankert wird, 
                    wie zum Beispiel das Ausländergesetz, fängt nicht 
                    erst bei Ereignissen wie der "EXPO" an. Seit den 
                    70er Jahre schreiben MigrantInnen, Flüchtlinge und Schwarze 
                    Deutsche gegen die rassistische Repräsentationspraxis, 
                    die sie immer wieder als eindeutige und simple Gestalten konstruiert 
                    (vgl. Gutiérrez Rodríguez 1996). Entweder werden 
                    Frauen aus der Türkei als "Unterdrückte" 
                    par excellence oder "sexy orientalische Bräute" 
                    stilisiert oder männliche Migranten als "newborn 
                    Gangster" vorgeführt - um nur ein paar Klischees 
                    aus der reichen Palette der Exotisierung, Sexualisierung und 
                    Ethnisierung zu nennen, mit denen MigrantInnen insbesondere 
                    jene aus dem Süden, konfrontiert werden. Das sind Bilder, 
                    die von den herrschenden Medien immer wieder produziert werden. 
                    Doch was passiert eigentlich, wenn diese Bilder nicht mehr 
                    als "Fremdbeschreibungen" auftauchen, sondern als 
                    "Selbstinszenierungen"? Welche Rolle nehmen öffentliche 
                    Figuren, die sich selbst als MigrantInnen oder KanakInnen 
                    bezeichnen, in der Darstellung und Vertretung von MigrantInnen 
                    und Flüchtlingen ein (s. auch Mark Terkessidis' Beitrag)? 
                    Aus diesem Fragenkomplex leite ich die Frage nach der Funktion 
                    und der Verantwortung von Intellektuellen insbesondere aus 
                    "subalternen Gruppen" ab (Gutiérrez Rodríguez 
                    1999a/b). Daran gekoppelt ist auch die Frage nach Repräsentation 
                    im Sinne von Sichtbarmachung und Widerstand. Konkret heißt 
                    das: Welche Rolle nehmen intellektuell arbeitende Menschen 
                    im Kontext von Diaspora, Exil und Migration in der kulturellen 
                    Darstellung und Vertretung ihrer Situation und ihres Lebensalltags 
                    ein? Inwieweit reproduzieren und tragen sie zur Konstruktion 
                    des "differenten Anderen"[3] bei 
                    oder inwieweit brechen sie damit bzw. artikulieren sie eine 
                    widerständige Praxis? 
Die Macht der Sichtbarkeit - Intellektuelle aus subalternen 
                    Gruppen
                    
                    In Anlehnung an Antonio Gramsci bezeichne ich intellektuell 
                    und politisch-organisierend arbeitende Menschen im Kontext 
                    von Diaspora, Exil und Migration als Intellektuelle[4] 
                    aus subalternen Gruppen. In Relation zu den herrschenden 
                    sozialen Gruppen nehmen die marginalisierten Gruppen eine 
                    subalterne Position ein (Gramsci 1986:44ff., Spivak 1985). 
                    Subaltern bezeichnet hier die Unterwerfung einer sozialen 
                    Gruppe durch die hegemonialen Gruppen. Die Subalternen sind 
                    einerseits vom herrschenden Kräfteverhältnis ausgeschlossen, 
                    andererseits konstitutiv für seine Herausbildung. Dies 
                    bedeutet, dass ihre Artikulationsformen zwar Eingang in den 
                    herrschenden Kanon finden ohne dass jedoch ihre Urheberschaft 
                    benannt wird (Gutiérrez Rodríguez 1998). In 
                    vielen Fällen kommt es auch zu einer Entfremdung und 
                    Aushebelung ihrer widerständigen Aussagekraft. Ihre Position 
                    als Subalterne wird durch den Umgang mit ihren Wissensproduktionen 
                    reifiziert. Erst in dieser Abhängigkeitsbeziehung konstituiert 
                    sich das Verhältnis von Herrschenden und Subalternen. 
                    In diesem Zusammenhang nehmen Intellektuelle als Kohäsionsfiguren 
                    im kulturellen Feld eine wesentliche Rolle ein. Ein Blick 
                    auf den Intellektuellenbegriff Antonio Gramscis soll dies 
                    verdeutlichen.
                    
                    Antonio Gramsci bezeichnet mit seinem Begriff des Intellektuellen 
                    [5] das Aufkommen einzelner Individuen als 
                    TheoretikerInnen innerhalb eines konkreten sozialen Kontextes 
                    (Gramsci 1996:1500). Er unterscheidet zwischen zwei Typen 
                    von Intellektuellen, einem der "traditionellen" 
                    und einem der "organischen" Kategorie (ebd.:1504ff.). 
                    Die "traditionellen" Intellektuellen werden vom 
                    professionellen Typus repräsentiert, der in Kunst und 
                    Wissenschaft für die hegemonialen Klassen tätig 
                    ist. Seine Position in der Gesellschaft erwächst aus 
                    früheren und gegenwärtigen Klassenbeziehungen und 
                    bezieht sich auf eine spezifische historische Klassenkonstellation. 
                    Sie entsteht zwar "organisch" aus einem spezifischen 
                    sozialen Zusammenhang heraus, bedingt jedoch nicht "organisch" 
                    den Charakter seiner Tätigkeit und Funktion in Relation 
                    zu seiner Herkunftsgruppe. Vielmehr vertritt der "traditionelle" 
                    Intellektuelle die Interessen und die Weltanschauung der herrschenden 
                    Gruppen unabhängig von seiner sozialen Herkunft. Die 
                    "organischen" Intellektuellen dagegen stellen das 
                    denkende und organisierende Element einer partikularen, fundamentalen 
                    sozialen Klasse dar. Sie formieren sich "organisch" 
                    aus den Praktiken und den Artikulationen einer spezifischen 
                    Klasse heraus. Nicht ihre professionelle Position ist ausschlaggebend 
                    für ihre Funktion als Intellektuelle, sondern ihr Gewordensein 
                    und ihre Eingebundenheit in ein soziales Milieu, in dem ihre 
                    Analysen und Beschreibung von Mensch und Gesellschaft große 
                    Anerkennung und Verbreitung finden. Sie nutzen ihre erworbenen 
                    intellektuellen Fähigkeiten für die Analyse und 
                    die Organisierung ihrer sozialen Klasse. "Organische 
                    Intellektuelle" sind zwar Produkt dieser Arbeitsteilung, 
                    zugleich bewegen sie sich jedoch am Schnittpunkt von Hand- 
                    und Kopfarbeit, an dem nicht ihre "professionelle Tätigkeit" 
                    sie zu Intellektuellen macht, sondern die jeweilige politische 
                    und intellektuelle Organisierungs- und Vermittlungstätigkeit. 
                    "Organische Intellektuelle" nach Gramsci sind demnach 
                    an der Darstellung und der Vertretung "Subalterner" 
                    beteiligt. Als solche organisieren sie den Widerstand gegen 
                    die hegemonialen Gruppen auf der Ebene von Kultur und Symbolik. 
                    Der "organische Intellektuelle" weist Spuren des 
                    gesellschaftskritischen Intellektuellen Emile Zolas auf, der 
                    um seinen Zugang zu Veröffentlichungsmitteln weiß. 
                    Dieses Wissen setzt er für die Sichtbarmachung der Interessen 
                    seiner sozialen Gruppe ein (vgl. Bauman 1995). 
                    
                    Die Figur des "organischen Intellektuellen" Gramscis, 
                    verortet im italienischen Kontext der 20er und 30er Jahre, 
                    weist für die Bestimmung der aktuellen Position von Intellektuellen 
                    aus subalternen Gruppen einige Lücken auf. Erstens ist 
                    das Adjektiv "organisch" kritisch zu betrachten, 
                    da es in einem naturmetaphorischen Bedeutungskontext steht, 
                    der für eine gesellschaftskritische Analyse nicht haltbar 
                    ist. Soziale Zusammenhänge über einen biologischen 
                    Diskurs zu erklären, bedeutet darauf zu verzichten, Gesellschaft 
                    als heterogenes Feld von miteinander konkurrierenden Achsen 
                    von Macht und Herrschaft zu verstehen. Zweitens können 
                    wir heute nicht mehr von einem einzigen politischen Interesse 
                    ausgehen, das sich einheitlich mittels einer Partei artikulieren 
                    ließe. Die 68er-Bewegung hat zumindest in Westeuropa 
                    die Grenzen eines Gesellschaftsverständnisses gezeigt, 
                    das Antagonismen in Haupt- und Nebenwidersprüche teilt. 
                    Die Frauen-, die Lesben- und Schwulenbewegungen sowie die 
                    antirassistischen Bewegungen haben gezeigt, dass politische 
                    "communities" sich nicht entlang eines einzigen 
                    Interesses organisieren. Vielmehr verbünden sie sich 
                    zu unterschiedlichen politischen Aktionen, deren Kern sich 
                    jedoch gegen Ausbeutung, Demütigung und Vereinnahmung 
                    richtet. Auf dieser Grundlage reduziert Edward Said die gesellschaftliche 
                    Funktion der Intellektuellen auf ihre Repräsentationsmacht. 
                    Er schreibt, dass ihr Existenzgrund darin liege, "all 
                    die Menschen und Problemstellungen zu repräsentieren, 
                    die für gewöhnlich vergessen oder unter den Teppich 
                    gekehrt werden"[6] (Übers. EGR, 
                    Said 1994). Laut Pierre Bourdieu tragen Intellektuelle zur 
                    Verallgemeinerung sozialer Phänomene bei, die gesellschaftlich 
                    individualisiert werden (Bourdieu 1993). Die soziale Aufgabe 
                    der Intellektuellen besteht demnach darin, als individuelle 
                    Fehler oder als Schicksal privat erfahrene Phänomene 
                    in ihrer Gesellschaftlichkeit zu thematisieren und einer breiten 
                    Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Bourdieu 1993). 
                    
                    
                    Der feministische Spruch "Das Private ist politisch" 
                    scheint die Grundlage für die Bestimmung der Aufgaben 
                    der Intellektuellen zu bilden. Er verweist vor allem auf den 
                    Ende der 60er und 70er Jahre fehlenden Zugang von Frauen zur 
                    kulturellen und politischen Öffentlichkeit. Dies gilt 
                    heute weiterhin für eine radikale feministische Praxis. 
                    Intellektuelle MigrantInnen tauchen in der herrschenden Öffentlichkeit 
                    kaum auf, und vor allem dann nicht, wenn sie sich antirassistisch 
                    und queer-politisch artikulieren. Einige ihrer Interventionen 
                    gelingen jedoch im Rahmen antirassistischer Netzwerke. Im 
                    Vergleich zu den hegemonialen Gruppen ist ihr Zugang zur Öffentlichkeit 
                    aufgrund ihrer finanziellen und politischen Position kaum 
                    vorhanden. Daher ist eine Intervention der subalternen Gruppen 
                    in die öffentlichen Sphären der hegemonialen Gruppen 
                    nur mittels kollektiver Aktionen in Form von Protestbewegungen 
                    möglich. Erst dann bekommen sie einen Zugang zu den Medien 
                    und können diese für ihre Interessen nutzen. In 
                    derartigen Prozessen des Protestes artikulieren sich Intellektuelle 
                    öffentlich (vgl. Gutiérrez Rodríguez 1999c). 
                    Derart tragen sie zur Kohäsion ihrer Gruppe, zur Synthetisierung 
                    und zur Artikulation kollektiver Interessen bei. Anders jedoch 
                    als der "organische Intellektuelle" Gramscis, der 
                    im Rahmen der kommunistischen Partei Italiens zu verorten 
                    ist, entwickeln intellektuelle MigrantInnen ihre Organisationsfähigkeit 
                    nicht im Rahmen einer einheitlichen politischen Institution. 
                    Ihre politische Arbeit entsteht im Rahmen von Protestbewegungen, 
                    insbesondere innerhalb der antirassistischen, feministischen 
                    und Queer-Bewegungen. Als solche treten sie im Namen von Interessengruppen 
                    auf. Dabei können sie mit ihren öffentlichen Interventionen 
                    zur Affirmation oder zur Infragestellung der sozialen Verhältnisse 
                    beitragen. In diesem Zusammenhang ließe sich auch die 
                    seit drei Jahren stattfindende Berichterstattung zu den "neuen 
                    Deutschen" lesen.
Repräsentation in der identitätslogischen Dynamik 
                    von Differenz und Gleichheit
                    
                    Auf der Titelseite einer renommierten deutschen Wochenzeitung 
                    konnten wir Anfang des Jahres die strahlenden Gesichter männlicher 
                    Figuren aus Politik und Kultur und eines weiblichen Gegenparts 
                    bestaunen. Cem Özdemir, Feridun Zaimoglu und Nadja Abd 
                    El Farrag wurden als die neuen Gesichter "transnationaler 
                    Deutscher" oder sogar der "fremden Deutschen" 
                    vorgeführt. Ihr Aussehen, durch eine Spur "südländischen 
                    Flairs" markiert, trägt die Gravuren des eindeutig 
                    "Fremden". Mit Sakkos gekleidet stehen sie wiederum 
                    für das aufsteigende migrantische Proletariat. Da haben 
                    es drei geschafft. Ihrer Integration steht also nichts im 
                    Wege. Sie gehören nun zum Volk der Gleichen trotz ihrer 
                    markierten und immer wieder phänotypisch konstruierten 
                    Differenz. Das steht einem "globalisierten Deutschland" 
                    gut zu Gesicht. Die Integration der AusländerInnen wird 
                    zelebriert, gleichzeitig ihre Differenz zementiert. Nette 
                    "fremde Deutsche" gehören nun zur bunten Republik. 
                    "Hybride" Positionen (Bhabha) - also nicht eindeutige 
                    identitäre Repräsentationen - sind angesichts eines 
                    offiziellen politischen Diskurses, der zwischen "Deutschen" 
                    und "Ausländern" unterscheidet, nicht haltbar. 
                    Denn nach dem gescheiterten Versuch der rot-grünen Regierung, 
                    die doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen, sind 
                    nur die "fremden Deutschen" geblieben. Denn trotz 
                    der im Februar 1999 durch die rot-grüne Regierung eingeleiteten 
                    Reform des Staatsbürgerrechts, wonach nun Kinder ausländischer 
                    Eltern im Falle einer Geburt in Deutschland automatisch die 
                    deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollen, wenn mindestens 
                    ein Elternteil in Deutschland geboren oder vor dem 14. Lebensjahr 
                    eingereist ist, hat sich am "ius sanguinis" Prinzip 
                    (Blut- und Bodengenealogie) des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts 
                    nicht viel geändert (vgl. FR Januar 1999: Rat für 
                    Migration). Die Durchsetzung der Doppelten Staatsbürgerschaft 
                    wurde aufgrund des Widerstands der CDU/CSU und nicht zuletzt 
                    auch aus den Regierungsreihen abgeschmettert. 
                    
                    Sogar die politisch artikulierte Identität des "Kanaken" 
                    wird nun medial eingedeutscht. Ihre Einfügung in das 
                    Hegemoniale basiert jedoch nicht nur auf der Grundlage der 
                    Zugehörigkeit zur nationalen Mehrheit, sondern auch durch 
                    die Überdeterminierung einer heteronormativen und sexistischen 
                    Logik. 
                    
                    Nur bestimmte Formen der Männlichkeit und Weiblichkeit, 
                    die die mediale Figur des Kanaken befördern, finden in 
                    der Öffentlichkeit eine Repräsentation. Hierfür 
                    stehen Filme wie "Kurz und Schmerzlos" oder "Kanak 
                    Attack", aber auch sich als "politisch unkorrekt" 
                    inszenierende intellektuelle männliche Kanaken. Brüche 
                    mit identitär vereindeutigenden, rassistischen Zuschreibungspraktiken 
                    werden mit sexistischer und heterosexueller Inszenierung gekoppelt. 
                    Die männlichen Figuren haben den Part, ihre Vorherrschaft 
                    immer wieder über einen patriarchalen Chauvinismus zu 
                    statuieren. Auch wenn sie Verletzlichkeit zeigen, die einerseits 
                    mit der ihnen aufoktroyierten Männlichkeit bricht, bleibt 
                    den neben ihnen stehenden weiblichen Figuren nur die Rolle 
                    der im Hintergrund agierenden Schwester und Liebhaberin. Eine 
                    alte Geschichte der heterosexuellen Geschlechterordnung wiederholt 
                    sich: Die Show scheinen die Typen zu machen. Sie sind die 
                    Protagonisten von Politik und Medienrummel. Die Ladies im 
                    Rampenlicht bleiben die Geliebte, Schwester oder Unterhalterin. 
                    Bezeichnungen wie "High-Heel-Turkas" befördern 
                    männliche heterosexuelle, die Frauen wieder einmal zu 
                    Objekten eines männlich heterosexuellen Begehrens machen. 
                    Fast als "backlash" könnte diese Inszenierungspraxis 
                    interpretiert werden, in der hegemoniale Konstruktionen von 
                    Männlichkeit und Weiblichkeit verhandelt werden. Angesichts 
                    einer seit den 70er Jahren agierenden feministischen Migrantinnen-Protestbewegung 
                    und einer lesbischen "Women of Color"-Bewegung ist 
                    es leidig, mit Bildern bombardiert zu werden, die vor allem 
                    männliche heterosexuelle Fantasien befördern. 
                    
                    Die Schwierigkeit, sichtbar zu werden, ohne sofort identisch 
                    zu sein, scheint in einer identitär-logisch strukturierten 
                    Gesellschaft unüberwindbar. Wie kann eine Sichtbarkeit 
                    geschaffen werden, die nicht immer wieder in die Falle des 
                    Hegemonialen zurückfällt, sondern politische Identitäten 
                    und gesellschaftliche Differenzen im Sinne sozialer Ungleichheit 
                    anerkennt? 
                    
                    Das Feld der Differenzen ist in einem gesellschaftlichen Rahmen 
                    von Hierarchien durchzogen, die unter anderem die Kommunikation 
                    zwischen den Individuen und den Institutionen strukturieren. 
                    Auf der Ebene der Repräsentation beeinflusst nicht jedes 
                    Artikulationsmoment auf gleiche Weise das öffentliche 
                    Bild. Staatliche Institutionen greifen unverkennbar in den 
                    Bewegungs- und Darstellungsrahmen eines Individuums ein. Eine 
                    autonom feministisch arbeitende Migrantinnengruppe wird, wenn 
                    überhaupt, nur peripher in den öffentlichen Diskurs 
                    eingreifen. Ihre Interventionsmöglichkeiten sind von 
                    Allianzen und Bündnissen mit anderen Gruppen abhängig. 
                    Nichtsdestotrotz intervenieren einige feministische Intellektuelle 
                    im Kontext von Diaspora, Exil und Migration mittels Publikationen 
                    und öffentlichen Auftritten in Bereichen der Wissenschaft, 
                    der Medien und der Kunst. Zumeist jedoch bleibt der Glanz 
                    ihrer Darstellung nur für wenige Minuten bestehen. Keine 
                    oder keiner da, die oder der daran anknüpft, weiterspinnt, 
                    weiterdenkt und es artikuliert? Oder doch? Um öffentlich 
                    wirksam zu werden, müssen daher Intellektuelle im Kontext 
                    der Diaspora, des Exils und der Migration aus der Vereinzelung 
                    heraus. Sie müssen an kollektive widerständige Repräsentationsstrategien 
                    und Netzwerken arbeiten, immer wieder gegen die Vereinnahmung 
                    und die kulturelle Zurichtung agieren, die den Zielen einer 
                    patriarchalisch heteronormativen Verwertungs- und Vermarktungslogik 
                    folgt. 
Widerstand - In der Aporie der Paradoxie leben
                    
                    Widerstand kann nicht getrennt von einer aktivistischen Praxis 
                    bestimmt werden. Er kann auch nicht eindimensional und unilateral 
                    bestimmt werden. Neben unterschiedlichen Strategien im Alltag 
                    nehmen intellektuelle MigrantInnen in der Gesellschaft Einfluss. 
                    Einige von uns schreiben seit den 90er Jahren, philosophieren 
                    über antirassistische Praxis, über postkoloniale 
                    Kritik, über philosophische Aporien und Paradoxien. Mir 
                    zumindest fällt dazu nichts Neues ein, als ständig 
                    in Bewegung zu bleiben, in dem, was Jacques Derrida als "différance" 
                    bezeichnet.[7]
                    
                    Differenzen und kulturelle Artikulationen in der "différance" 
                    zu denken heißt, die Dynamiken des Sehens und der Präsenz 
                    für die Darstellung des unsichtbar Gemachten zu erkennen. 
                    Im Rahmen der ifu, um an das eingangs genannte Beispiel wieder 
                    anzuknüpfen, heißt dies, sich auf das Moment der 
                    Mimikry zu beziehen - der Mimesis und zugleich des Mokierens 
                    über das Hegemoniale. Es bedeutet, die Sichtbarkeit gegen 
                    das Herrschende zu verkehren, indem einerseits die Grundlagen, 
                    auf denen Herrschaft basiert, benannt, und andererseits die 
                    herrschenden Beschreibungsebenen verlassen werden. Wie kann 
                    das aussehen?
                    
                    Widerstand in der différance, in der Aporie und in 
                    der Paradoxie zu denken, heißt, sich immer wieder dem 
                    hegemonialen Auge zu entziehen, die hegemoniale Repräsentationsstrategie 
                    gegen sich selbst zu verkehren. Es heißt aber auch, 
                    Repräsentation nicht von ihren materiellen Bedingungen 
                    abzukoppeln. Es heißt, nicht über die Subalternen 
                    zu sprechen, sondern das eigene Sprechen zu kontextualisieren 
                    und zu situieren. Es heißt, das Verhältnis, in 
                    dem das Sprechen ermöglicht und darstellbar wird, deutlich 
                    zu machen. Es heißt, auf den Kontext und seine Grenzen 
                    hinzuweisen, die einerseits das Sprechen intelligibel machen, 
                    aber zugleich auf seine Limitiertheit auf die Gegenwärtigkeit 
                    hinzuweisen. In Anlehnung an Hito Steyerls Beitrag in diesem 
                    Heft müssen wir als intellektuell Schaffende weiterhin 
                    für Universalien einstehen, die die Metaphysik des Ökonomischen 
                    und des Existenziellen beschreiben, nämlich: für 
                    das Ende jeder Ausbeutung, jeder Demütigung und jeder 
                    Missachtung der Menschenwürde. Zugleich aber auch wachsam 
                    sein gegenüber der Möglichkeit der Integration und 
                    Instrumentalisierung unserer Artikulationsformen. Auf Rassismus 
                    mit Heterosexismus zu antworten, reiht subversive Widerstandspraktiken 
                    in den Kanon des phallischen Hegemonialen wieder ein. In diesem 
                    Sinne: für eine antirassistisch-feministisch-queere Internationale.
                  
Literatur
                    
                    Bauman, Zygmunt: Life in Fragments. Essays in Postmodern Morality. 
                    Oxford 1995. 
                    Bourdieu, Pierre: Satz und Gegensatz. Frankfurt am Main 1993.
                    Derrida, Jacques (1991): Die différance. In: Engelmann, 
                    Peter (Hrsg.): Postmoderne und Dekonstruktion. Stuttgart, 
                    S. 76-113.
                    Gramsci, Antonio: Aufzeichnungen und verstreute Notizen für 
                    eine Gruppe von Aufsätzen über die Geschichte der 
                    Intellektuellen, §§ 1-3. In: Gefängnisbriefe, 
                    Bd. 7, Heft 12 bis 15. Hamburg 1996. S. 1497-1532.
                    Gutiérrez Rodríguez, Encarnación (1996): 
                    Eine Frau ist nicht gleich Frau, nicht gleich Frau, nicht 
                    gleich Frau. In: Ute-Luise Fischer u.a. (Hg.): Kategorie: 
                    Geschlecht. Opladen, S. 163-190.
                    Gutiérrez Rodríguez, Encarnación (1999): 
                    Intellektuelle Migrantinnen - Subjektivitäten im Zeitalter 
                    von Globalisierung. Eine postkoloniale dekonstruktive Analyse 
                    von Biographien im Spannungsverhältnis von Ethnisierung 
                    und Vergeschlechtlichung. Opladen.
                    Oguntoye, Katharina/Opitz, May/Schultz, Dagmar (1986): Farbe 
                    bekennen. Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. 
                    Berlin.
                    Said, Edward: Representations of the Intellectual. New York 
                    1994.
                    Spivak, Gayatri Chakravorty (1985): Subaltern Studies: Deconstructing 
                    Historiography. In: Subaltern Studies, hg. v. Ranajit Guha. 
                    1985, Vol. IV.
                    Trinh T. Minh-ha (1988): Not You/Like You: Post-Colonial Women 
                    and the Interlocking Questions of Identity and Difference. 
                    In: Feminism and the Critique of Colonial
                  
 [1] ifu (Internationale Frauenuniversität) 
                    fand vom 15. Juli bis zum 15.Oktober 2000 im Rahmen der EXPO 
                    in Hannover statt. Dieses Projekt ermöglichte Wissenschaftlerinnen 
                    und Praktikerinnen aus aller Welt einen Raum des Austausches. 
                    Internationalität, Interdisziplinarität, Dialog zwischen Kunst 
                    und Wissenschaft sowie zwischen Akademikerinnen außerhalb 
                    oder innerhalb der Universität standen im Vordergrund. 
                    [2] Nicht zuletzt wurde dies deutlich Ende 
                    Februar 2000, als die Stimmen für eine "green card" für IT-SpezialistInnen 
                    laut wurden. 
                    [3] vgl. Gutiérrez Rodríguez 1999a/b.
                    [4] Nicht vergessen werden sollte, dass 
                    die symbolische und diskursive Definitionsmacht von Intellektuellen 
                    Produkt einer arbeitsteiligen organisierten Gesellschaft ist, 
                    in der zwischen Kopf- und Handarbeit unterschieden wird.
                    [5] Zygmunt Bauman setzt das Auftauchen 
                    des Begriffs "Intellektuelle" mit dem Erscheinen des "offenen 
                    Briefes" Emile Zolas an den Präsidenten der Französischen 
                    Republik, Felix Faure, im Jahre 1898 (13. Januar). In diesem 
                    Brief verurteilten zahlreiche männliche Persönlichkeiten aus 
                    Kultur und Wissenschaft das antisemitische Verfahren im Fall 
                    Dreyfus (Bauman 1995).
                    [6] Im Original heißt es: "... whose raison 
                    d'etre is to represent all those people and issues that are 
                    routinely forgotten or swept under the rug" (Said 1994). 
                    [7] Mit "différance" ist ein Prozess der 
                    ständigen Bedeutungsverschiebung der Bezeichnungsfelder gemeint. 
                    Bedeutungen sind demnach kontextgebunden, und der Kontext 
                    stellt sich jeweils in einem spezifischen historischen Moment 
                    her.