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01 2006

Das Unternehmen Kunstinstitution im Spätkapitalismus

Nina Möntmann

Was zur Zeit als politisch in der Kunst betrachtet wird, ist von einem weit reichenden Diskurs kritischer Ansichten zu Globalisierungsmechanismen, Privatisierung und der Prekarisierung von Lebensstilen geprägt. Darüber hinaus zeigt sich seit einiger Zeit ein reges Interesse von Kunst an politischem Aktivismus. Dennoch: Die mächtigsten und einflussreichsten Allianzen von zeitgenössischer Kunst und Politik finden sich nicht etwa mit einer aktivistischen Agenda im linkspolitischen Lager, sondern mehr und mehr in der Implementierung neoliberaler politischer Ideale als Standard von zunehmend privatisierten Kunstinstitutionen. Spätkapitalistische Unternehmensstrukturen fließen in die Führungspolitik und Arbeitsweisen von Institutionen ein, was auch die neuen persönlichen Qualifikationen und Fertigkeiten vorgibt. So muss der Direktor einer größeren Institution zum einen die Qualitäten eines Managers aufbringen und zum anderen diejenigen eines populistischen Politikers. Umgekehrt ist die Subjektkonstitution innerhalb des kulturellen Felds ein politischer Prozess, der als ein Role Model für die spätkapitalistische Unternehmenskultur dient. Die Übernahme prekärer sozialer Situationen und Überlebensstrategien wie Selbstmanagement, permanente Kreativität, flexible und mobile Lebensstile, wie sie, mehr oder weniger freiwillig gewählt, im Kunstfeld praktiziert werden, erfolgte bereits im Entstehungsprozess der New Economy und setzt sich fort in der Etablierung von Firmenstrukturen und dem Entwurf von Arbeits- und Lebensphilosophien in der neoliberalen Businesswelt.

In diesem aktuellen Szenario, das mit dem rückläufigen Wohlfahrtsstaat einhergeht, erscheint eine neue Ausrichtung emanzipatorischer Handlungsformen im institutionalisierten Kunstfeld notwendig. Dabei stellt sich zunächst eine grundlegende Frage der Positionierung: Ist es die Sache wert, den Wohlfahrtsstaat zu verteidigen? Oder hat er in seiner praktizierten Form die tatsächlichen Besitzverhältnisse verschleiert, indem er verhinderte, dass Menschen unter dem Mindesteinkommenssatz leben, und in diesem Zug die Privatisierung von Kunstinstitutionen eingeleitet? Immanuel Wallerstein beispielsweise bezieht sich auf eine linke Revolutionsrhetorik, die besagt, dass alles, was das herrschende Machtsystem nicht zum Zusammenbruch bringt, abgelehnt werden muss. Er behauptet, dass eine Politik der kleinen Schritte keine wirkliche Option mehr darstellt und plädiert dafür, ein komplett erneuertes System vorzustellen, das die überkommenen Ideen von Demokratie, welche tatsächlich nie realisiert wurden, ersetzt. In seinen Worten ist Demokratie mit Egalitarismus gleichzusetzen, und er fordert ein radikal egalitäres System ein.[1] In leninistischen Systemen erkennt er lediglich eine egalitäre Rhetorik. Welche Perspektive ergibt sich aus diesem Szenario? Wallerstein schlägt vor, dass Allianzen gefunden werden müssen, aber er erkennt auch, dass dabei Vorsicht geboten ist gegenüber den Interessen jener Leute, die die existierenden Machtverhältnisse wahren wollen. Wallerstein selbst scheint nicht sehr pessimistisch, was die Erfolgsmöglichkeiten dieses Ansatzes betrifft. Man kann da durchaus skeptischer sein – dennoch: Seine Beschreibung der aktuellen Situation und die Idee, wie demokratische Ansätze strukturiert und geleitet werden könnten, können für die Organisation kollaborativer Strategien im Kunstfeld nützlich sein.

Seit den 1960er Jahren gingen die Entwicklungen der Bereiche Kunst und Politik immer weiter auseinander. Deswegen ist zu diesem Zeitpunkt das Entwerfen von neuen Institutionen – sowohl von Grund auf als auch im Rahmen bestehender Institutionen –, die Kunst und Politik zusammenführen, genauso herausfordernd wie notwendig. Die entscheidende Frage dabei ist: Wer ist die neue Peer Group für diese zu bildenden Institutionen? Mit dem Verlust an gesellschaftlichem Einfluss seitens der Bourgeoisie hat die Kunstinstitution ihre Peer Group verloren, womit sie in eine Legitimationskrise gestürzt ist. Die Kunstinstitution, als ein Projekt der Aufklärung, verkörperte die Ideale der Bourgeoisie und diente der Produktion und Bestätigung aristokratischer Werte und ihrer ideologischen Unterfütterung. Somit bestärkte sie den Geschmack und die Bildung einer bestimmten, gesellschaftlich relevanten Bevölkerungsgruppe und gab dieser ein öffentliches Forum, was wiederum ihre eigene Legitimität stützte. Die Bourgeoisie demonstrierte ihren eigenen, distinguierten Lebensstil. Und diejenigen, die daran nicht teilhatten, sollten in den Kunstinstitutionen zumindest ein Stückchen Bildung mitbekommen.
Das klassisch bürgerliche Institutionenmodell ist jedoch längst abgelöst worden von einer korporativen Institutionslogik, flexibilisierten Arbeitsbedingungen, einem Programm mit Event-Charakter und einem populistischen Öffentlichkeitsbegriff. Habermas’ Begriff einer homogenen öffentlichen Sphäre, die einem abstrakten Ideal folgt und beispielsweise Sub- und Gegenkulturen ausschließt, ist zwar längst von der Erkenntnis einer fragmentierten Öffentlichkeit widerlegt, welche unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nicht in gleicher Weise zugänglich ist. Dennoch stellt sich heute für Kunstinstitutionen das Problem dar, dass Politiker und Sponsoren immer noch von einem homogenen, populistischen Öffentlichkeitsbegriff ausgehen und die Institutionen von ihren GeldgeberInnen mit einem entsprechenden Auftrag betraut werden. Demnach bildet sich das Maß ihres Erfolgs, und damit die gegenwärtig geltende Legitimierung von Kunstinstitutionen, in BesucherInnenzahlen ab, in schierer Quantität also, und darüber hinaus darin, dass sich die Institution ökonomisch rechnet.[2]
Hier wird die BesucherIn als globale KonsumentIn konzipiert. Richard Sennett analysiert in seinem letzten Buch diesen "Idealmenschen" des "neuen Kapitalismus", der ständig nach Neuem sucht und dafür noch völlig intakte alte Güter wegwirft, der von einem Ort zum anderen reist und dabei die Bodenhaftung mit allen Bindungen verliert und Gewohnheiten aufgibt.[3] Diese Persönlichkeitsausprägung ist sowohl bei BesucherInnen der Institution wie auch bei deren MitarbeiterInnen gefragt. Gerade bei jenen Institutionen für zeitgenössische Kunst, die selbst flexibel und unsicher sind, was ihre Zukunft betrifft, zählt eine fundierte Kenntnis, Ausbildung und Erfahrung häufig nicht so viel wie die globale Präsenz und Vernetzung der Person und ihre ManagerInnenqualitäten. Was verspricht man sich davon? Die Anforderungen haben sich geändert, Kunstinstitutionen müssen sich in ihrer Standort- und PR-Politik mit Wirtschaftsunternehmen messen. Der Bildungsauftrag ist zum Konsumtionsauftrag geworden.

Am Beispiel des Guggenheim Museums zeigt sich am deutlichsten, wie die Institution von PolitikerInnen und SponsorInnen als Konsumtempel konzipiert und inszeniert wird und wie die globale Expansion der Institution genau kalkuliert wird. Es ist kein Geheimnis, dass Kunst als Standortfaktor bei der Entscheidung für Bilbao als Ort für den spektakulären Frank-O.-Gehry-Bau des Guggenheim Museums die größte Rolle spielte. Die zum Ende des 19. Jahrhunderts noch größte Industriestadt Spaniens war seit den 1970er Jahren ökonomisch heruntergekommen, was die Region Baskenland dazu veranlasste, ein Raumentwicklungsprogramm zu entwickeln, in dem das Guggenheim eine zentrale Rolle einnimmt. Der Plan ging auf: Die TouristInnen strömen in Millionenzahlen jährlich, die Region ist ökonomisch wieder erfolgreich und die Eindämmung der Arbeitslosigkeit wird zu einem Großteil dem Museum zugeschrieben. Dieses Resultat macht heute als "Bilbao-Effekt" Schule. Eine weitere amerikanische Mega-Institution setzt Standards zur fortschreitenden Korporatisierung von Museen, das neue MoMA, dessen Direktor Glen Lowry den Vorstand und den Museumsbeirat durch vermögende Business-Direktoren erweiterte, die zum großen Teil überhaupt keinen kunstbezogenen Hintergrund haben. Zudem haben die KuratorInnen an Einfluss und Verantwortung verloren, indem ihnen eine neu eingerichtete Management-Ebene überstellt wurde. Die räumlichen Erweiterungen fielen hauptsächlich den Merchandising-Bereichen in jedem Stockwerk, den Restaurants, Cafés und repräsentativen Lobbys zu, die auf Fundraising-Veranstaltungen zugeschnitten sind.[4] Damit hat das MoMA die illusorische Idee eines populistischen Öffentlichkeitsbegriffs und die Produktion des konsumistischen Subjekts in konsequenter Weise in die Institutionslogik internalisiert.

Aber es formuliert sich auch eine Kritik an dieser Form des globalisierten korporativen Institutionalismus und seines KonsumentInnen-Publikums: Seit Mitte der 1990er Jahre ist in der Programmatik von progressiven Kunsthallen, Kunstvereinen und anderen zeitgenössischen Kunstinstitutionen häufig davon die Rede, dass neue Öffentlichkeiten "produziert" werden müssten, was eine Gegenthese zu dem altbekannten Konzept des "reaching out for audiences" ist. Grundlegend für die neuen Konzepte der progressiveren Institutionen ist ein radikal anderes Verständnis von Öffentlichkeit und der Struktur öffentlicher Räume. Mit dem derzeitigen Trend zu immer mehr Privatisierung, Security, Rivalität und Ausgrenzung in öffentlichen Räumen ist ein homogener demokratischer Raum, in dem die unterschiedlichsten Interessen in einem harmonischen Verhältnis nebeneinander gelebt und ausagiert werden können, nicht vorstellbar. Stattdessen wird Öffentlichkeit als ein durch Diversität strukturierter Raum aufgefasst, in dem parallel existierende, differente Interessen in einem konfliktreichen Verhältnis zueinander stehen.[5] Das Anerkennen von Dissonanzen als produktive Kräfte öffentlicher Räume bedeutet, dass die Herausforderung, die sich öffentlichen Kunstinstitutionen stellt (und darüber hinaus der Stadtplanung, der Politik, den Medien, allen anderen öffentlichen Einrichtungen und letztlich jeder einzelnen NutzerIn öffentlicher Räume), darin besteht, mit Diversität umzugehen und die bestehenden Konflikte produktiv zu wenden. Dieser Aufgabe habe sich beispielsweise das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) und das Rooseum in Malmö gewidmet. Das MACBA geht davon aus, dass das Publikum eine aktive Rolle als Produzent einnimmt, woraus dann auch neue soziale und künstlerische Strukturen innerhalb der Zivilgesellschaft entstehen können. Das Museum betrachtet sich als Agent dieser politischen Praxis, die gleichzeitig die Plattform für eine Repolitisierung der Kunst selbst darstellt. Dabei geht das MACBA diplomatisch vor, wie es für eine Institution seiner Größe, ein öffentliches Museum zeitgenössischer Kunst in einer Großstadt, absolut notwendig ist: Progressive politische Projekte wie "Las Agencias", in dem das Museum in der Hochzeit der Anti-Globalisierungsbewegung 2001 an KünstlerInnen und sozialaktivistische Gruppen für verschiedene Aktivitäten übergeben wurde, oder "Desacuerdos" ("Die Widersacher"), über Widerstandsbewegungen im öffentlichen Raum in Spanien, werden eingebettet in klassische Werkschauen beispielsweise von Robert Frank oder Francis Alys.
Das Rooseum in Malmö, eine regionale Kunsthalle in einer mittelgroßen schwedischen Stadt, hatte unter der Leitung von Charles Esche einen konsequenten Ansatz der Arbeit mit multiplen Öffentlichkeiten verfolgt. Mit Projekten wie "Baltic Babel", an dem selbstorganisierte KünstlerInnengruppen aus den baltischen Ländern teilnahmen, oder der kritisch bilanzierenden Ausstellung "Whatever Happened to Social Democracy?" war das Rooseum zur progressivsten und vielleicht interessantesten Institution in den nordischen Ländern avanciert. In Malmö selbst stießen die Aktivitäten des Rooseum jedoch auf politischen Gegenwind. Die regionalen PolitikerInnen verteidigten ihren populistischen Öffentlichkeitsbegriff, der sich in BesucherInnenzahlen niederschlägt und nicht in Form von multiplen, hybriden Öffentlichkeiten, mithin in der Inklusion von Gruppen, die nicht den bürgerlichen Repräsentationsidealen entsprechen. An beiden Beispielen, dem diplomatischen und dem radikalen, wird deutlich, dass Institutionen Kunst in demokratische Prozesse involvieren. Darüber hinaus kann Kunst über ihre Mediatisierung durch Institutionen Ebenen des Begehrens in politische Konzepte einführen, wie Lars Bang Larsen es in einem kürzlich erschienenen Artikel formulierte.[6] Die Vorstellung des Begehrens in diesem Kontext ist offensichtlich an die Einführung einer subjektiven Perspektive gebunden. Tatsächlich stellt meiner Ansicht nach die "Ökonomie des Begehrens" einen essenziellen Faktor dar, wenn man die Produktion einer politischen Sphäre von Kunstinstitutionen bedenkt. Gleichwohl würde ich Deleuze/Guattaris ausschließlicher Definition des Subjekts als einer Ökonomie des Begehrens, was eine rein libidinöse Ausrichtung meint, widersprechen und vielmehr mit Gayatri Spivak übereinstimmen, die im Sinne notwendiger asymmetrischer Relationen zwischen Begehren und Interesse argumentiert.[7]

Als Kuratorin für NIFCA (Nordic Institute for Contemporary Art) habe ich in einer Reihe von Ausstellungen, Paneldiskussionen, Workshops und Meetings zum Thema der aktuellen Veränderungen zeitgenössischer Kunstinstitutionen geforscht. Zugrunde lag die oben beschriebene Beobachtung, dass sich parallel zu der zunehmenden Korporatisierung vor allem der Museen und größeren Institutionen, die sich seit den 90er Jahren vollzieht, neue Formen von flexibleren Institutionen in Allianz mit einer Kritik formiert haben, die zwar unter sehr unterschiedlichen Bedingungen, Kontexten und Intentionen entstanden sind, jedoch an der gemeinsamen Idee arbeiten, Alternativen zur Abwicklung eines populistischen Programms zu entwerfen. Diese neuen Kunstinstitutionen haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht lediglich eine publikumswirksame Ausstellung nach der anderen zu produzieren, sondern auf mehreren Ebenen mit den verschiedensten spezifischen Angeboten die unterschiedlichsten Subjekte anzusprechen und eine Diversität von Öffentlichkeiten zu produzieren. Während das populistische Modell der massenwirksamen Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners folgt, wollen die progressiveren Kunstinstitutionen mit parallel laufenden spezifischen Veranstaltungen einen demokratischen Ort der Vielstimmigkeit schaffen und dabei Konflikte in Kauf nehmen. Mein Interesse richtete sich vor allem darauf, diese progressiveren Modelle genauer zu betrachten und die Entwicklungen dieser neuen Möglichkeiten, die häufig in einer engen Zusammenarbeit zwischen KünstlerInnen und KuratorInnen entstehen, abzuschätzen. Wie formulieren sich die Arbeitsbedingungen dieser Institutionen, wie wird ein kritisches Potenzial und Profil aufgebaut und genutzt, und wie äußern sich die politischen Reaktionen? Kann schon eine Bilanz dieser Modelle gezogen werden? Wie wird eine emanzipatorische Arbeit mit Kunstinstitutionen heute formuliert, in welcher Weise existiert sie überhaupt?

Das Ziel der Projekte war, auf verschiedenen Ebenen und im Rahmen verschiedener Formate wie Ausstellungen, Research-Projekte, Paneldiskussionen, Workshops und Meetings, neue Modelle institutioneller Kooperationen zu diskutieren und experimentell anzuwenden – sowohl utopische als auch realistische. Das Projekt Opacity. Current Considerations on Art Institutions and the Economy of Desire stellt eine Plattform für ein experimentelles institutionelles Modell dar, das Forschung und Analyse als einen ersten Schritt nimmt, gefolgt von eher visuell orientierten Prozessen wie Ausstellung, Screening oder Fanzine. Als Forschungsinstrumente haben wir nicht nur traditionelle Methoden der Akkumulation von Fakten und des Umgangs damit bemüht, sondern auch Fiction und sekundäre Strategien wie Appropriation. Die KünstlerInnen (Kajsa Dahlberg, Danger Museum, Markus Degerman, Stephan Dillemuth, Gardar Eide Einarsson, Sofie Thorsen) und die beteiligten Institutionen (NIFCA in Helsinki, INDEX in Stockholm, UKS in Oslo und die Secession in Wien) waren beziehungsweise sind gleichermaßen eingebunden in Workshops, eine Ausstellung, Paneldiskussionen, ein Screening und die Produktion eines Fanzines.

Auch in dem Projekt Spaces of Conflict, einem audio-visual, research-based essay on institutional spaces der schwedischen Künstler Mike Bode und Staffan Schmidt waren enge Zusammenarbeit und Austausch die Basis, diesmal mit KuratorInnen und DirektorInnen von sieben Institutionen in Berlin, Oslo, Kopenhagen, Vilnius, Malmö und Helsinki sowie mit KunststudentInnen der Akademien in denselben Städten. Die teilnehmenden Institutionen haben die verschiedensten räumlichen Gegebenheiten zur Verfügung. Was bedeutet es für die Arbeit aus dem 19. Jahrhundert stattfinden, wie im Nationalmuseum für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur in Oslo, in einer ehemaligen Margarinefabrik wie in den Kunst-Werken in Berlin, in einem Kunstpalast aus der sozialistischen Ära wie im Contemporary Art Center in Vilnius, in einem einstigen Turbinentriebwerk wie im Rooseum in Malmö oder in einem neo-klassizistischen Museumsgebäude wie in der Kunsthalle Helsinki? Während das Gebäude, der physische Ort der Institution, der konstante Faktor institutioneller Arbeit zu sein scheint, sind alle anderen institutionellen Bedingungen permanent im Wandel begriffen, manchmal aufgrund politischer Veränderungen wie beispielsweise im Falle der Situation nach dem Regierungswechsel in Dänemark, der radikale Veränderungen in der Struktur, dem Einfluss, der Autonomie, der Legitimierung und der Arbeitsbedingungen kultureller Institutionen verursachte. Es ist bemerkenswert, dass fast alle Institutionen, die Bode und Schmidt porträtiert haben – Rooseum, Kunst-Werke, Museum für Zeitgenössische Kunst in Oslo (heute: National Museum for Contemporary Art, Architecture and Design), x-room in Kopenhagen und NIFCA selbst – zur Zeit einen starken Wandel durchlaufen, der eine Kursänderung seitens einer Politik fordert, die von der völligen Umstrukturierung über Personalentscheidungen und radikale Budgetkürzungen bis zur Schließung der Institution reicht. Damit scheinen diese Modelle in ihre Schranken gewiesen zu sein, seien sie progressive Versuche, die Strukturen der Institution in ihre programmatische Arbeit mit einzubeziehen, ein Spartenmuseum für zeitgenössische Kunst oder einfach eine nischenhafte Verortung des Zeitgenössischen im Rahmen einer historisch ausgerichteten Institution. Die Tendenz ist klar: Gefördert werden zentralisierte Superstrukturen, was Tone Hansen in ihrer Studie über den Zentralisierungsprozess der staatlichen Museen in Oslo als "Megamonstermuseum" bezeichnet hat.[8]

Den progressiven Institutionen bleibt die Aufgabe, diesem Weg emanzipatorische Konzepte entgegenzustellen, imaginäre und begehrliche politische Konzepte vorzustellen und damit zu beweisen, dass "politics of pleasure" nicht gleichzusetzen sind mit "politics of consumption".



[1] Immanuel Wallerstein, "Demokratie, Kapitalismus und Systemveränderung", in: Demokratie als unvollendeter Prozess, Documenta11_Plattform 1, S. 113–130.

[2] Zu dieser kapitalistischen Unternehmenslogik kommt in Skandinavien noch die sozialdemokratische Idee hinzu, dass eine jede Institution für das Volk, das heißt potenziell für jede einzelne BürgerIn nützlich sein soll.

[3] Richard Sennett, Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin 2005. Das Buch weist allerdings, wie häufig bei Sennett, die Problematik auf, dass auf eine treffende Analyse der bestehenden Verhältnisse eher rückwärtsgewandte Lösungsvorschläge folgen.

[4] Vgl. Andrea Fraser, "A Museum is not a business. It is run in a business-like fashion", in: Nina Möntmann (Hg.), Art and its Institutions, London 2005.

[5] Chantal Mouffe beispielsweise beschreibt diesen Raum als "agonistische öffentliche Sphäre"; siehe Chantal Mouffe, The Democratic Paradox, London 2000.

[6] Lars Bang Larsen, "Statement on Art and Politics", in: Frieze 87 Nov./Dec. 2004, S. 87.

[7] Gayatri Chakravorty Spivak, "Can the Subaltern Speak?", in: Cary Nelson and Lawrence Grossberg (Hg.), Marxism and the Interpretation of Culture, Urbana and Chicago 1988, S. 271.

[8] Tone Hansen arbeitet als Research Fellow zu diesem Thema an der Academy of Fine Arts in Oslo.