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10 2008

Kritik und Kategorie

Zur Begrenzung politischer Praxis durch neuere Theoreme der Intersektionalität, Interdependenz und Kritischen Weißseinsforschung

Isabell Lorey

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1. Kritik

Was bedeutet es, gesellschaftliche Verhältnisse kritisch zu reflektieren? Was heißt es überhaupt, Kritik zu üben? Selten werden gegenwärtig solche Fragen gestellt, noch seltener sind Antworten zu vernehmen.[1] Dabei lässt sich am jeweiligen Verständnis von Kritik, daran, wie sich eine kritische Haltung in einem theoretischen Gebäude selbst positioniert, ablesen, wie Veränderung, Transformation und das Verschwinden bestimmter Regierungsweisen denkbar gemacht und befördert werden. Deshalb zunächst eine kurze provisorische Antwort auf die Frage nach der möglichen Bedeutung von Kritik: Kritik sollte nicht einfach auf Beurteilung und Negation begrenzt werden. Kritik lässt sich im Hinblick auf politische Praxen weitaus produktiver als eine bestimmte Form der Verweigerung verstehen, als Entziehen und Entgehen mitsamt einem daraus erwachsenden Vermögen zu handeln.

Entgegen dieser zunächst nur andeutenden Bestimmung von Kritik ist es im Kontext aktueller Theoriedebatten oft nicht mehr üblich, genauer zu benennen, was denn jeweils mit Kritik gemeint ist. Obwohl „kritisch“ als offenbar unverzichtbares Label vieler progressiver Perspektivierungen fungiert, ist sein Gebrauch inflationär und nichts sagend, von einer politischen Potenz solcher „Kritik“ ist zumeist nichts wahrzunehmen. Das gilt auch für aktuelle Beiträge zur deutschsprachigen Geschlechterforschung, Kritischen Weißseinsforschung und im Fall der Debatte um Konzepte der Intersektionalität und der Interdependenz. Zwar formulieren die sich überschneidenden Diskurse den Anspruch eines „gesellschaftskritischen“ Vorhabens, was sie unter Kritik verstehen wollen, bleibt jedoch unpräzisiert. Freilich lässt sich ein implizites Verständnis von Kritik herausfiltern, das allerdings politische Handlungsfähigkeit eher begrenzt als ermöglicht.

 
2. Intersektionalität und Interdependenz

Vor bald zwei Jahrzehnten entwickelte die Rechtwissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw (1991) erstmals ein Konzept von Intersektionalität. In den USA beeinflusste der von ihr geprägte Begriff unterschiedliche Forschungsfelder wie Critical Race Studies oder Feminist Legal Theory sowie Menschenrechtsdebatten (Walgenbach et al 2007: 8). Diese, bereits in den USA nicht unumstrittene theoretische Konzeptionierung von zu „Machtachsen“ oder „Kategorien“ verdichteten Topoi wie Gender, Race, Class, Sexuality wurde sehr verspätet nun auch jüngst in die deutschsprachigen Gender-Debatten eingeführt (Knapp 2005, Klinger/Knapp 2005).

Dieser Theorieimport kann als Reaktion auf die anhaltenden Einwände gegenüber der dominanten Geschlechterforschung verstanden werden, nicht von der Perspektive abzurücken, das soziale Geschlecht als primäre Analysekategorie zu favorisieren. Nahezu kritikresistent wurde in Mainstreampositionen fetischisierend (Lorey 2006) an dem „Hauptwiderspruch“ der Frauenunterdrückung festgehalten, ohne systematisch die damit verbundenen Reproduktionen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu problematisieren.

Das scheint sich nun, nicht nur mit den immer besser vernehmbaren Debatten um Kritische Weißseinsforschung (Eggers et al 2005, Tißberger et al 2006), sondern mehr noch mit den breiter diskutierten Konzeptionen um Intersektionalität (Klinger et al 2007, Walgenbach et al 2007, Degele/Winker 2007) zu ändern. Die beiden Forschungsperspektiven sind im deutschsprachigen Raum nicht voneinander zu trennen, nicht zuletzt deswegen, weil einige der Protagonistinnen an beiden Debatten teilnehmen. Das Konzept Intersektionalität wird mittlerweile aufgrund seiner Umstrittenheit immer häufiger um das der Interdependenz ergänzt, erweitert und transformiert; es lässt allerdings erstaunen, dass das bereits in den USA kontrovers diskutierte Konzept anfangs unkritisch importiert wurde.

Mit der Einführung dieser „traveling theories“ (Knapp) werden die vier Kategorien „Klasse, Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität“ (Klinger/Knapp 2005) fokussiert, die allerdings lediglich als „Trias“ (ebd.) benannt werden. Angesichts „gravierender Veränderungen in Kultur und Gesellschaft im globalen Maßstab“ (Knapp et al 2007: 7) und der „Erschütterung von Gewissheiten“ werde offensichtlich, dass die verschiedenen Wissenschaftsbereiche mit ihrem „Übermaß an Spezialisierung“ (ebd.: 9) nicht in der Lage seien, die vielfältigen und komplexen sozialen Ungleichheiten zu untersuchen. Um zu einer gesellschaftstheoretischen Analyseperspektive zu gelangen, sollten Forschungsrichtungen, die sich bisher in erster Linie mit nur einer dieser zentralen Kategorien beschäftigten, die Intersektionalität, also die Überlappungen und Kreuzungen der Trias in den Blick nehmen (Klinger/Knapp 2005: 74 f.).

Sind diese fokuserweiternden Bestrebungen in der dominanten Geschlechterforschung durchaus begrüßenswert, treten sie doch in ihrer Inszenierung von gegenwärtig zugespitzten Ungleichheitsverhältnissen und mangelnden sozialwissenschaftlichen Analyseinstrumenten mit einer verblüffenden Blindheit auf die Bühne. Statt sich in die langjährigen – auch deutschsprachigen – Debatten einzuschreiben[2] und in Auseinandersetzung damit gegebenenfalls neue Analyseinstrumente zu entwickeln, wird eine nicht allein um queer/feministische Überlegungen bereinigte Trias auf die Agenda gehoben. Sexualität etwa, die als Erfahrung erst im 18. Jahrhundert problematisierbar wird (Foucault 1989: 10 f.), passt offenbar nicht in die Vorstellung einer longue durée, die mit der Kategorientrias transhistorische, universale Ungleichheiten markieren will, Ungleichheiten, die sich in „modernen westlichen Industriegesellschaften“ spezifizieren (Klinger/Knapp 2005: 73).

Dass Gender als Analysekategorie zu gelten hat, ist mittlerweile zum kaum noch hinterfragten „erkenntnisleitenden Paradigma“ (Hornscheidt 2007: 73) deutschsprachiger Geschlechterforschung avanciert.[3] Die hegemoniale Perspektive ist gekennzeichnet durch kategoriale Einordnung und Festlegung, ohne dass deren konstitutives Scheitern im Erfassen heterogener Praxen und Erfahrungen systematisch mitgedacht würde. Mit dem erweiterten Fokus auf Intersektionalität, liegt das Primat nun nicht mehr auf Gender, doch weiterhin auf Kategorien – mitsamt dem Verkennen des Scheiterns. Das auf Kategorien basierende Konzept von Intersektionalität scheint deshalb für die Geschlechterforschung auch methodisch besonders anschlussfähig und operationalisierbar zu sein.

Intersektionalität soll mehrere Kategorien oder „Machtachsen“ wie „Rasse“, Klasse, Geschlecht gleichzeitig in den Blick nehmen, vornehmlich allerdings an den Punkten, an denen sich die „Achsen“ kreuzen oder überschneiden. Solche Konstruktionen von Achsenkategorien müssen jenseits ihrer vermeintlichen Schnittmenge durch die intersektionale Sortierperspektive zuallererst gerastert, getrennt und kartographiert werden. Eine solche Perspektive auf drei, vier, fünf zentrale Achsen oder Kategorien, um die Komplexität von Welt wahrzunehmen, konstruiert und sortiert nicht nur diese Kategorien, sondern behauptet (implizit) mit dieser Metapher der Kreuzung (Klinger/Knapp 2008) zugleich, die zusammengeführten, linearen Verdichtungen hätten vor oder hinter der Kreuzung wieder nicht mehr viel miteinander zu tun.[4]

In affirmativen und kritischen Auseinandersetzungen mit diesem Importangebot wird, wie gesagt, endlich als neuer breiter Konsens der Geschlechterforschung die Analyseperspektive zu erweitern versucht. Rassifizierungsprozesse, ökonomische Verhältnisse sowie auch Sexualisierungsmechanismen sollen immer systematischer mitanalysiert werden, wenn es um das soziale Geschlecht geht. Die Pluralisierung von Kategorien stellt derzeit eine der lautesten Antworten auf theoretische wie gesellschaftliche Beschränkungen in der deutschsprachigen Mainstream-Geschlechterforschung dar.

Um den Begrenzungen des intersektionalen Konzepts der „Achsen der Differenz“ (Knapp/Wetterer 2003) oder auch der aktuelleren „Achsen der Ungleichheit“ (Klinger et al 2007)[5] zu entgehen, hebt ein Berliner Autorinnenkollektiv (Walgenbach et al 2007) nun den Begriff der Interdependenz auf die Agenda der akademischen Gender-Debatten.[6] Das Kollektiv problematisiert viele Schwachstellen des Importkonzepts und entwickelt darüber hinausgehende Perspektiven auf die Gleichzeitigkeit mehrere „Machtachsen“. Selbstverständlich beziehen sie sich nicht erst in diesem Buch etwa auf die langjährigen Auseinandersetzungen zwischen „afroamerikanischer Theorie und Weißem Feminismus“. Denn: „Abgeschnittene Bewegungstraditionslinien sind immer ein Symptom für Entpolitisierung“ (Dietze 2006: 224, siehe auch Hornscheidt 2005, Walgenbach 2005), eine „gesellschaftskritische Perspektive“ sei „nicht von ihren politischen Genealogien zu entkoppeln“ (Dietze et al 2007a: 12). Erst in solchen Fluchtlinien wird es möglich, eine Analyse von Ungleichheiten einer neoliberalen Verwertung von „Diversity“ zu entziehen.

Neben dem politischen Anspruch besteht das Besondere dieser Intervention auf theoretischer Ebene nicht einfach darin, einen anderen Begriff, nämlich Interdependenz, einzusetzen, einen, der ebenfalls das Zwischen (inter) der unterschiedlichen Kategorien analysieren will, diese Kategorien aber auch voraussetzt oder vorab bestimmen muss. Die Dependenz, die Abhängigkeit soll dagegen vielmehr als eine verstanden werden, die gleichsam den Kategorisierungen inhärent ist. Es geht darum, Kategorien selbst als immer schon verbunden mit, abhängig von und bedingt durch andere/n Kategorisierungen zu verstehen, also von interdependenten Kategorien selbst auszugehen, nicht von Überschneidungen oder Abhängigkeiten zwischen Kategorien (Walgenbach 2007: 61).[7] Gender als interdependente Kategorie meint, „sie also als immer schon zugleich rassisiert, sexualisiert, lokalisiert zu betrachten“ (Dietze et al 2007b: 108).

 
3. Benennungspraxen

Ich werde mich im Folgenden auf diese, meines Erachtens avanciertesten Überlegungen (Hornscheidt 2007, Dietze et al 2007b) zur Konzeptualisierung von Intersektionalität/Interdependenz beziehen, um mit und an ihnen die Begrenzungen auch dieses kategorialen Denkens hinsichtlich ihres Verständnisses von Kritik deutlich zu machen. Mein Fokus zielt auf die angebotenen politischen Handlungsmöglichkeiten einer solchen Kritik, entsprechend der Intention der Autorinnen. Sie verstehen ihr „Buchprojekt als eine Intervention in derzeitige Debatten zur Intersektionalität insbesondere bezüglich der Konsequenzen für politisches Handeln als auch hinsichtlich eines kritisch-reflektierten Sprachgebrauchs“ (Dietze et al 2007: 7). Die Überlegungen von Antje Hornscheidt und Gabriele Dietze, Elahe Haschemi Yekani, Beatrice Michaelis bieten sich auch deshalb an, weil sie entweder die Unmöglichkeit oder das Begehren formulieren, sich kategorialen Ordnungsmustern zu entziehen und zu verweigern. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Verständnis von Kritik und Selbstkritik zu, sowie dem Verhältnis zwischen dem Infragestellen von Kategorisierungen und der Verweigerung derselben.

Aus Hornscheidts linguistisch dekonstruktiver Perspektive bestehen die wichtigsten (Selbst-)Problematisierungen eines Ansatzes, der die inhärenten Interdependenzen von Kategorien zu erfassen sucht, darin, die Grundlagen von Kategorisierungen zu hinterfragen und Kategorien nicht einfach zu setzen (Hornscheidt 2007: 72). Ausgehend von sprachlichen Konstruktionsprozessen von Kategorien wie Gender ist das Ziel kritischer Reflexion, zu „komplexeren Vorstellungen von Kategorisierungen“ (ebd.: 83) zu gelangen. Gender lässt sich in diesem Rahmen dann verstehen als „ein in und durch Diskurse überhaupt erst geschaffenes Kategoriensystem, welches zumeist binär strukturiert ist“ (ebd.: 75). Dieses „Kategoriensystem“ muss hinsichtlich seiner naturalisierenden und hierarchisierenden Effekte, also seiner Materialisierung untersucht und zudem die „Verknüpfung, Verzahnung und Verwebung“ (ebd.: 73) mit anderen Kategorien wie Klasse, „Rasse“, Sexualität in den Blick genommen werden. Doch diese Verwebung wird nicht wie beim intersektionalen Kreuzungs- und Schnittmengenmodell zwischen abgeschlossenen Kategorien gedacht, sondern – die Metapher des Knüpfens und Webens verweist bereits auf eine komplexere Perspektive, die allerdings weiterhin mit kategorialen Fäden arbeitet – als gegenseitige konstitutive Bedingtheit und als dem „Kategoriensystem“ Gender inhärent konzipiert.

Hornscheidt fragt unter anderem danach, wie Menschen durch Benennungen in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden, auf welche Weisen Kategorien demnach hierarchisierend ordnen (ebd.: 77). Kategorisierungen werden in dieser Perspektive nicht nur als sprachliche Konstruktionen mit materialisierenden Wirkungen gedacht, die bis zur strukturellen Diskriminierung reichen. Kategorien sind zugleich „strukturierendes Moment von Wissen“ (ebd.: 73).

Als eine Möglichkeit widerständigen Handelns schlägt Hornscheidt „Benennungspraktiken“ vor, die das inhärent-interdependente Kategorienverständnis nicht abbilden, sondern praktizieren und „längerfristig zu einer selbstverständlich interdependenten Wahrnehmung von Gender führen könnten“ (ebd.: 104). „Gender“ soll in diesen neuen Bezeichnungspraxen mit anderen Kategorien gleichzeitig und zusammenhängend benannt und dazu durch Unterstriche[8] orthographisch verbunden werden – wie bei der von Hornscheidt gewählten Markierung von AutorInnen, auf die sie sich in ihren Überlegungen bezieht: zum Beispiel den „weißen_westeuropäischen_Soziologen Pierre Bourdieu“ (ebd.: 72).[9] Hornscheidt setzt diese Kategorisierungen bewusst ein, denn sie verweist selbst auf die damit verbundenen Re/Produktionen von Zuschreibungen und Klassifizierungen. Die offensive Benennung dessen, was in der Regel unbenannt bleibt, weil es als Norm verstanden wird, soll die selbstverständlich gewordenen Mechanismen in der Produktion von Wissen vor Augen führen. Dazu gehört in diesem Verständnis, das mit der Verschiebung von Benennungspraktiken operiert, nicht nur die Markierung von ReferenzautorInnen als „westlich“ und „weiß“, sondern selbstredend auch die der eigenen Sprechposition. Hornscheidt versteht solche zusammengehängten Bezeichnungskonstruktionen durchaus als politische Praxis, allerdings als eine, die der Kategorisierung und damit immer auch einer potenziellen Naturalisierung nicht entgehen könne. „Jede Kategorisierung an sich hat per se festlegenden, begrenzenden und ausschließenden Charakter“ (ebd.: 100). Dies zu leugnen sei „illusorisch und idealistisch“ (ebd.: 83).

Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass Kategorisierungen als grundlegende Analyseperspektive nicht infrage gestellt und eine erneute starre, widerspruchsfreie Festschreibung entlang meist binärer Ordnungsschemata in Kauf genommen wird. Durch mehrfache, zusammengehängte Klassifizierung des normalerweise Unbenannten sollen Bezeichnungspraxen verschoben und verändert werden, um aber letztlich deren Festschreibung als unhintergehbare Folie zu bestärken. Kategorien scheinen unser Gefängnis, unser unauflösbares Zwangsverhältnis zu sein.

In diesem dekonstruktivistischen Verständnis von kategorialen Konstituierungsprozessen ist es nicht denkbar, sich Kategorisierungen zu entziehen und zu verweigern.[10] Ein Verlassen des Paradigmas ist nicht möglich, alternative Denkweisen fallen immer wieder in Kategorisierungen zurück und reproduzieren das, was sie kritisieren. Es existiert kein verfehltes und entgangenes Außen, kein gescheitertes Jenseits von Kategorien.

Freilich scheint ein Denken, eine wissenschaftliche, aber auch eine politische Analyse kaum möglich, ohne zu kategorisieren, zu ordnen und zu klassifizieren. Doch die Vorstellung einer permanenten Re/Produktion von kategorialen Ordnungen durch kritisch-reflexive Dekonstruktion stellt diese auf Dauer und verweist letztlich allein auf reformierende Dynamiken bürgerlich kapitalistischer Gesellschaften. In dieser Aporie bleibt das Ende von Ungleichheit ein uneingelöstes Versprechen. „Kritik wird darauf beschränkt, das, was zur Naturalisierung, zur Verdinglichung tendiert, wieder aufzulösen“ (Demirovic 2008: 36), und damit darauf beschränkt, in der Permanenz dieser reflexiven Bewegung selbst normalisiert und naturalisiert zu werden.

Es macht einen Unterschied, ob gleichsam die Herrschaftsbehauptung wiederholt wird, ein Leben jenseits von spezifischen Ordnungen sei nicht lebbar, oder ob die Kämpfe gegen die Aufrechterhaltung von Ordnungen selbst virulent gehalten werden.[11] Das bedeutet, sich der Grenze von Ordnung, die immer auch durch die Konstituierung von Unordnung aufrechterhalten werden muss, zu verweigern und zu entziehen und so selbst Grenzen zu setzen. Unordnung ist dabei nicht unabhängig von Ordnung zu verstehen, sondern eher als ein Gefüge, das nicht dermaßen gerastert wird; ein Gefüge, das der Ordnung entgeht, durch dessen unentwegt versuchte Kategorisierung, Rasterung und Kontrolle sich diese Ordnung zugleich permanent zu legitimieren sucht.

Interessanterweise kommen nahezu alle Intersektionalitätsansätze ohne die Analyse von Macht als vielfältige, nicht allein binär strukturierte Verhältnisse aus, mit der die Produktivität von Kräfteverhältnissen, nicht deren ausschließliche Reglementierung, Verhinderung und systemstabilisierende Funktion problematisierbar wäre. Es greift erheblich zu kurz, das Verhältnis von Macht und Widerstand auf ein reproduktives zu beschränken. Denn in und durch Machtverhältnisse entstehen zugleich die Möglichkeiten zur Widerständigkeit, auch deshalb sind sie als produktiv zu betrachten (vgl. Foucault 1983: 113 ff.). Diese Produktivität kann, statt als stabilisierende Reformulierung bestehender Verhältnisse, als eine Dynamik verstanden werden, auf die bezogen es möglich ist, das Entgehen von Kategorisierungen systematisch zu denken. Das Verharren im kategorialen Paradigma, das theoretisch zirkulär wirkt und verändernde politische Praxen nur reproduktiv versteht, ist, so meine These, einem verkürzten impliziten Verständnis von Kritik geschuldet.

 
4. Urteilen

Aus der antiken griechischen Tradition ist die Bedeutung von Kritik als ‚unterscheiden’, ‚trennen’, ‚urteilen’ und ‚anklagen’ überliefert, mithin eine juridische Konnotation von Kritik, eine, die zu einer Stellungnahme als RichterIn oder Partei zwingt. Ein kritisches Urteil fordert in diesem alten Verständnis Unterscheidungsfähigkeit und Urteilsvermögen (Röttgers 1982: 652).

Kant definiert viele Jahrhunderte später die kritische Methode nicht mehr als eine, die unumwunden unterscheidet und urteilt, sondern als jene, die das Urteil suspendiert. Doch auch Kant verbleibt mit seinem Verständnis von Kritik in der juridischen Logik und kehrt zum Urteil zurück. Er beschränkt Kritik, wie Foucault in seinem Vortrag „Was ist Kritik?“ kritisiert, auf ein Problem der Erkenntnis (Foucault 1992: 29). Was Kant interessiert, sind in erster Linie die Legitimationsmechanismen historischer Erkenntnisweisen, wodurch das kritische Unternehmen zu einer Erkenntnis der Erkenntnis eng geführt wird. Eine solche Erkenntniskritik ist getrennt von politischer Praxis, begrenzt allein auf die Produktion von Wissen. Kritik markiert im kantschen Verständnis zugleich die Grenzen der Erkenntnis. Doch statt sie als „praktische“ Kritik zu „überschreiten“ (Foucault 2005: 702 f.), verharrt Kritik bei Kant beim Konstatieren und Reproduzieren dieser Grenzen. Dagegen sollte ein Verständnis von Kritik als Praxis nicht diese kantsche Engführung auf Erkenntniskritik verwalten und damit verunmöglichen, dass Kritik zur politischen Praxis wird (Röttgers 1982: 662 ff., Raunig 2008).

Eine auf die Analyse und Problematisierung von Kategorien reduzierte Geschlechterforschung bleibt dieser juridisch begrenzten Vorstellung von Kritik verhaftet. Proklamierte „gesellschaftskritische“ Ansprüche erschöpfen sich (wenn überhaupt) in der Markierung der Grenzen von Kategorisierungen, der Bedingungen ihrer Konstitution. Ein grundlegendes Unterwandern und Verweigern kategorialen Ordnungs- und Normierungsdenkens, der damit verbundenen Kontrollphantasien bleiben aus. Dabei repräsentieren intersektionale Kategorisierungen eine Herrschaftsgeste des Überblicks und der Souveränität über Unübersichtlichkeit und Komplexität, die als binär strukturierte, traditionell weiße und okzidentale Perspektivierung bezeichnet, festgelegt und gerastert werden kann. Mit diesem Gestus der intersektionalen Kategorisierung ist die alte juridische Vorstellung des Urteils untrennbar verbunden, und damit auch die Vorbedingung für jenen Depolitisierungsprozess gegeben, der Reflexion und Handlung voneinander trennt. Kritik, auch als kritische Haltung der Wissens- oder Textkritik, muss, um politische Praxis zu werden, die Logik des Urteilens, des Beurteilens und Aburteilens verlassen und aufkündigen, um sich mit sozialen Kämpfen verbinden zu können (vgl. Raunig 2008). Dagegen verwaltet das wissenschaftliche Alltagsverständnis von kritischer Reflexion nicht selten die Position des richterlichen Urteilens und unterbindet geradezu, gesellschaftliche Veränderung als politische Kämpfe zu verstehen, die nicht nur das Aussetzen des Urteilens bedingen, sondern sich diesem verweigern und entziehen.

Vor diesem Hintergrund stellt auch die im Kontext von Kritischer Weißseinsforschung und Intersektionalität/Interdependenz oft und massiv eingeforderte Selbstkritik keinen Ausweg aus dem juridischen Urteilsdenken dar. Die verlangte Selbstpositionierung von (meist als weiß selbst gesetzten) AutorInnen wird als „situiertes Wissen“ (Haraway) (miss)verstanden.[12] Diese reduktionistische Vorstellung von Situierung und Selbstpositionierung besteht in der Selbst- oder Fremdzuschreibung als „weiß“, „Frau“, „westlich“ oder akademische DisziplinvertreterIn (vgl. u.a. Eggers 2005). Damit soll sinnvollerweise die in der Regel nicht wahrnehmbare privilegierte Sprechposition gekennzeichnet werden. Doch, wie gesagt, kann eine solche Praxis der Positionierung einer hegemonialen Sprechposition als (Selbst)Kritik identitären Zuschreibungen nicht entgehen und reproduziert permanent binäre Kategorisierungen. Diese zirkuläre Argumentation wiederholt die juridische Logik von Kritik, da sie aus der Selbst/be/ver/urteilung nicht herauskommt. Die Position der Richterin wird nicht verlassen, eine Position, die mit der Idee eines souverän handelnden Subjekts korrespondiert, das durch Ordnen, Klassifizieren und Urteilen in seiner Autorität nicht erschütterbar ist. Die Position einer solchen Richterin bedeutet letztlich aber auch eine Position, die gerade die Möglichkeit politischen Eingreifens reduziert, wenn nicht verunmöglicht. Das Selbstrichten verweist zugleich auf einen juridischen Entschuldungs- und Schutzdiskurs, auf eine juridische Immunität (Lorey 2007), in der die Verurteilung eine reinigende Differenz erzeugt (vgl. Butler 2001: 598), nicht nur vom anderen, sondern auch von sich selbst.

 
5. Kategorisierung und Verweigerung

Einen Weg aus der Re/Produktion von Kategorien denken Gabriele Dietze, Elahe Haschemi Yekani und Beatrice Michaelis, wenn sie unterschiedliche Ansätze zu Intersektionalität mit Queer Theorie produktiv machen wollen (Dietze et al 2007b: 108). Die Strategie der Desidentifikation gilt ihnen als „radikale Verweigerung“ (ebd.: 118) von identitären und binären Kategorisierungen. Als Beispiel führen sie Drag Performances von Queers of Color wie die von Vaginal Davis an, die unterdrückenden und normalisierenden Diskursen widerstehen und normativen Kategorisierungen entgehen.[13] Wichtig ist in dem hier fokussierten Zusammenhang, dass ein Entgehen gedacht und wahrgenommen wird; nicht jedoch verstanden als vollständige Separation, sondern als eine Weise des immanenten Entziehens (Lorey 2008).

Doch auch Dietze, Haschemi Yekani und Michaelis begrenzen sich selbst. Zwar sei Desidentifikation, also Verweigerung „wünschenswert“, aber auf den „Umgang mit Kategorien kann (…) nicht verzichtet werden“: „Der Umstand, dass Intersektionalität keine völlig zufrieden stellenden Ergebnisse erzielt, ist für uns kein Grund, das Konzept aufzugeben“. (Dietze et al 2007b: 138) In Anlehnung an Gayatri Spivak plädieren sie für einen „strategischen Kategorialismus“. Ein solches Vorgehen soll das jeweils konstitutive Außen von Kategorien thematisieren und auf die „intersektionale Ko-Präsenz“ verweisen, die bei vereindeutigenden „Subjektivierungsformen“ drohen, verloren zu gehen. Die Autorinnen schließen mit dem Appell, wieder kritische Queer-Forschung und Aktivismus zu betreiben (ebd.: 139), doch verstellen sie mit ihrem Festhalten am intersektionalen „Kategorialismus“ die Möglichkeit, eine entgehende und sich entziehende Kritik systematisch zu denken.

 
6. Kritik als politische Praxis: Aussetzen – Entziehen – Konstituieren

Für Foucault (1992) ist Kritik eine Praxis, kein Urteil, auch keines, das zeitweilig suspendiert wird, um wieder zurückzukehren und das Urteilen zu re/produzieren. Das Aussetzen des Urteils ist keine Distanzierung, um erneut zu rastern und zu ordnen. Es lässt vielmehr eine neue Praxis aufgrund dieser Suspension entstehen (Butler 2002: 250). Dieses Aussetzen entzieht sich dem ordnenden Beurteilen, weil es sich auf die Praxen bezieht, die Urteil, Gesetz und Kategorie entgehen. Von keinem Jenseits der Macht ist die Rede, aber von Praxen, die in einem juridischen Raster nicht erfasst werden können. Die neuen Praxen, die sich der Ordnung verweigern und landläufig als Unordnung gelten, eröffnen eine Neuzusammensetzung, eine Konstituierung (Lorey 2008).[14] Damit ist nicht das Aneinanderhängen von Kategorien gemeint, sondern die Konstituierung, die aus und in nicht vereinheitlichten heterogenen Praxen entsteht, aus Praxen, die es wagen, Neues zu erfinden.

Wenn Kritik nicht als Urteilen und Festhalten an der Fetischisierung von Kategorien verstanden wird, kann die Praxis, an der/die die Ordnung aussetzt, das Vermögen einer konstituierenden Macht begründen und somit eine neue konstituierende Praxis werden. Mit dieser Perspektive auf Kritik geht es darum, das, was als unzuordenbar, als unzurechenbar gilt, in seiner Potenz wahrzunehmen, das heißt für Praxen offen zu sein, die keine Vorbilder haben und gleichsam durch das Raster fallen, für Praxen, die den Mut haben, sich zu verweigern.

Foucault nennt die Praxis des Verweigerns und Entziehens „Entunterwerfung“ (Foucault 1992: 15). Kritik ist damit ein Akt, eine „reflektierte Unfügsamkeit“ (ebd.), eine Praxis, die sich nicht wieder in das Denken in Kategorien einfügt. Eine Denkpraxis, die das Infragestellen von Kategorien nicht als Reformulierung von Kategorien versteht, sondern als Konstituierung eines Vermögens, das das Verschwinden von bestimmten Kategorisierungen für möglich hält und möglich macht. Das Arbeiten an der Dynamisierung, an der Veränderung von Machtverhältnissen ist kein einzelner Akt und kein Akt von Einzelnen, keine identitäre Selbstkritik im erwähnten Sinn. Die Vervielfältigung, die Transformation und das Zurückweisen von Machtverhältnissen, die Weigerung, auf diese oder jene Weise regiert zu werden (Foucault 1992), sind subjektive wie kollektive Praxen des Entziehens. Doch Kritik ist deshalb nichts Einheitliches, sondern immer gebunden an die spezifischen Weisen, regiert zu werden, stets in Bezug auf die Verhältnisse, denen sie sich entzieht. Sie existiert nie jenseits davon, autonom oder universal. Kritik „existiert nur in Bezug auf etwas anderes als sie selbst“ (Butler 2002: 252).

Kritik als Praxis stellt demnach die Konstitutionsprozesse von Kategorisierungen infrage und verhilft in der Praxis des Entziehens den Dingen zur Artikulation und zur Wahrnehmbarkeit, „von der sie sonst von der vorherrschenden Sprache abgeschnitten sind“ (ebd.). Kritik ermöglicht das Ungedachte eines Paradigmas. In diesem Sinne meint praktische Kritik nie allein Wissens- und Textkritik, sondern deren „Verkettung“ mit den „sozialen Maschinen des Widerstands“ (Raunig 2008).[15]

Eine kritische Perspektive auf Konzepte von Intersektionalität und Interdependenz sollte demnach nicht die Grenzen der vorherrschenden kategorialen Ordnung verwalten, zu den Strukturen der bestehenden Regierungsweisen zurückkehren und das Paradigma der Kategorisierung aufrecht erhalten. Dagegen setzt praktische Kritik einem kategorialen Denken gerade dadurch Grenzen, indem sie die Legitimation der Rasterung zurückweist und die kategoriale Anrufung verweigert. Ohne Urteil geht es um die Delegitimierung einer bestimmten Ordnungsmacht, um den Willen, sich nicht länger derart regieren zu lassen. Dieser „Wille“ entspricht sowohl einer „individuellen Erfahrung“ wie einer kollektiven Praxis (Foucault 1992: 54). Das mit diesem Willen entstehende Vermögen einer widerständigen konstituierenden Macht bedeutet die politische Praxis der Kritik.

 
In: Alex Demirovic (Hg.): Kritik und Materialität. Reihe der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung, Bd. 1. Münster: Westfälisches Dampfboot 2008. Eine erweiterte und überarbeitete Fassung erscheint unter dem Titel "Konsituierende Kritik. Die Kunst, den Kategorien zu entgehen" in: Birgit Mennel, Stefan Nowotny, Gerald Raunig (Hg.), Kunst der Kritik, Wien: Turia+Kant 2009.

 
Literatur

Butler, Judith (2001): Eine Welt, in der Antigone am Leben geblieben wäre. Interview mit Carolin Emcke und Martin Saar, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 49. Jg., Nr. 4, S. 587-599.

— (2002): Was ist Kritik? Ein Essay über Foucaults Tugend, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 50. Jg., Nr. 2, S. 249-265.

— (2004): Undoing Gender, London / New York.

Crenshaw, Kimberlé (1991): Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics and Violence Against Women of Color, in: Stanford Law Review, Vol. 43, No. 6, p. 1241-1299.

Degele, Nina / Winker, Gabriele (2007): Intersektionalität als Mehrebenenanalyse (http://www.tu-harburg.de/agentec/winker/pdf/Intersektionalitaet_Mehrebenen.pdf)

Demirovic, Alex (2008): Kritik und Wahrheit. Für einen neuen Modus der Kritik, in: Grundrisse. Zeitschrift für linke Theorie und Debatte, Nr. 26, S. 31-40.

Deuber-Mankowski, Astrid (2001): Geschlecht als philosophische Kategorie, in: Die Philosophin. Forum für feministische Theorie und Philosophie: ‚Gender Studies und Interdisziplinarität’. 12. Jg., Nr. 13, S. 11-29.

Dietze, Gabriele (2001): Race Class Gender. Differenzen und Interdependenzen am Amerikanischen Beispiel, in: Die Philosophin. Forum für feministische Theorie und Philosophie: ‚Gender Studies und Interdisziplinarität’. 12. Jg., Nr. 13, S. 30-49.

— (2006): Critical Whiteness Theory und Kritischer Okzidentalismus, in: Martina Tißberger / Gabriele Dietze / Daniela Hrzán / Jana Husmann-Kastein (Hg.): Weiß – Weißsein – Whiteness. Kritische Studien zu Gender und Rassismus, Berlin, S. 219-247.

— / Hornscheidt, Antje / Palm, Kerstin / Walgenbach, Katharina (2007a): Einleitung, in: Katharina Walgenbach / Dietze, Gabriele / Hornscheidt, Antje / Palm, Kerstin: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen / Farmington Hills, S. 7-22.

— / Haschemi Yekani, Elahe / Michaelis, Beatrice (2007b): ‚Checks and Balances.’ Zum Verhältnis von Intersektionalität und Queer Theory, in: Katharina Walgenbach / Gabriele Dietze / Antje Hornscheidt / Kerstin Palm: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen / Farmington Hills, S. 107-139

Eggers, Maureen Maisha / Kilomba, Grada / Piesche, Peggy / Arndt, Susan (Hg.) (2005): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster.

Engel, Antke (2007): Unter Verzicht auf Autorisierung. Foucaults Begriff der Akzeptanz und der Status des Wissens in queerer Theorie und Bewegung, in: Ronald Langner / Timo Luks / Anette Schlimm / Gregor Straube / Dirk Thomaschke (Hg.): Ordnungen des Denkens. Debatten um Wissenschaftstheorie und Erkenntniskritik, Berlin, S. 269-286.

Foucault, Michel (1983): Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1, Frankfurt/M.

— (1989): Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit 2, Frankfurt/M.

— (1992): Was ist Kritik?, Berlin.

— (2005): Was ist Aufklärung? in: Michel Foucault: Dits et Écrits. Schriften. Band IV 1980-1988, hrsg. von Daniel Defert / François Ewald, Frankfurt/M., S. 687-707.

Herrmann, Steffen Kitty (2005): Queer(e) Gestalten. Praktiken der Derealisierung von Geschlecht, in: Elahe Haschemi Yekani / Beatrice Michaelis (Hg.): Quer durch die Geisteswissenschaften. Perspektiven der Queer Theory, Berlin, S. 53-72.

Hark, Sabine (2007): ‚Überflüssig’: Negative Klassifikationen – Elemente symbolischer Delegitimierung im soziologischen Diskurs? in: Cornelia Klinger / Gudrun-Axeli Knapp / Birgit Sauer (Hg.): Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität, Frankfurt/M. / New York, S. 151-162.

Hornscheidt, Antje (2005): (Nicht)Benennungen: Critical Whiteness Studies und Linguistik, in: Maureen Maisha Eggers / Grada Kilomba / Peggy Piesche / Susan Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster, S. 476-490.

— (2007): Sprachliche Kategorisierung als Grundlage und Problem des Redens über Interdependenzen. Aspekte sprachlicher Normalisierung und Privilegierung, in: Katharina Walgenbach / Gabriele Dietze / Antje Hornscheidt / Kerstin Palm: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen / Farmington Hills, S. 65-106.

Klinger, Cornelia / Knapp, Gudrun-Axeli (2005): Achsen der Ungleichheit – Achsen der Differenz. Verhältnisbestimmungen von Klasse, Geschlecht, ‚Rasse’/Ethnizität, in: Transit. Europäische Revue, Nr. 29, S. 72-95.

— / Knapp, Gudrun-Axeli (Hg.) (2008): Über-Kreuzungen. Fremdheit, Ungleichheit, Differenz, Münster

— / Knapp, Gudrun-Axeli / Sauer, Birgit (Hg.) (2007): Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität, Frankfurt/M. /New York.

Knapp, Gudrun-Axeli (2005): ‚Intersectionality’ – ein neues Paradigma feministischer Theorie? Zur transatlantischen Reise von ‚Race, Class, Gender’, in: Feministische Studien, 23. Jg., Nr. 1, S. 68-81.

— / Wetterer, Angelika (Hg.) (2003): Achsen der Differenz. Gesellschaftstheorie und feministische Kritik II, Münster.

— / Klinger, Cornelia / Sauer, Birgit (2007): Einleitung, in: Cornelia Klinger / Gudrun-Axeli Knapp / Birgit Sauer (Hg.): Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität, Frankfurt/M. / New York, S. 7-18.

Lorey, Isabell (2006): Der weiße Körper als feministischer Fetisch. Konsequenzen aus der Ausblendung des deutschen Kolonialismus, in: Martina Tißberger / Gabriele Dietze / Daniela Hrzán / Jana Husmann-Kastein (Hg.): Weiß – Weißsein – Whiteness. Kritische Studien zu Gender und Rassismus, Berlin, S. 61-83.

— (2007): Weißsein und Immunisierung. Zur Unterscheidung zwischen Norm und Normalisierung (http://www.translate.eipcp.net/strands/03/lorey-strands01de)

— (2008): Versuch, das Plebejische zu denken. Exodus und Konstituierung als Kritik (http://www.eipcp.net/transversal/0808/lorey/de)

Precarias a la deriva (2004): Streifzüge durch die Kreisläufe feminisierter prekärer Arbeit (http://www.eipcp.net/transversal/0704/precarias1/de)

— (2007): Projekt und Methode einer ‚militanten Untersuchung’. Das Reflektieren der Multitude in actu, in: Marianne Pieper / Thomas Atzert / Serhat Karakayali / Vassilis Tsianos (Hg.): Empire und die biopolitische Wende. Die internationale Diskussion im Anschluss an Hardt und Negri, Frankfurt/M. / New York, S. 85-108

Raunig, Gerald (2008): Was ist Kritik? Aussetzung und Neuzusammensetzung in textuellen und sozialen Maschinen (http://www.eipcp.net/transversal/0808/raunig/de)

Röttgers, Kurt (1982): Kritik, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhard Koselleck, Stuttgart, S. 651-674.

Saar, Martin (2007): Genealogie als Kritik. Geschichte und Theorie des Subjekts nach Nietzsche und Foucault, Frankfurt/M. / New York.

Tißberger, Martina / Dietze, Gabriele / Hrzán, Daniela / Husmann-Kastein, Jana (Hg.) (2006): Weiß – Weißsein – Whiteness. Kritische Studien zu Gender und Rassismus, Berlin.

Walgenbach, Katharina (2005): ‚Weißsein’ und ‚Deutschsein’ – historische Interdependenzen, in: Maureen Maisha Eggers / Grada Kilomba / Peggy Piesche / Susan Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster, S. 377-393.

— (2007): Gender als interdependente Kategorie, in: Katharina Walgenbach / Gabriele Dietze / Antje Hornscheidt / Kerstin Palm: Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen / Farmington Hills, S. 23-64.

— / Dietze, Gabriele / Hornscheidt, Antje / Palm, Kerstin (2007): Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen / Farmington Hills.



[1] Als Ausnahmen, jenseits dieses Buches, sind zu nennen: die Konferenz „The Art of Critique“, veranstaltet vom Wiener Institut eipcp im Mai 2008 (die Vorträge sind in gekürzter Form zu finden unter: eipcp.net/transversal/0808) und das Buch von Martin Saar (2007).

[2] Cornelia Klinger und Gudrun-Axeli Knapp intervenieren in erster Linie in das sozialwissenschaftliche Feld von Strukturanalysen und ignorieren über weite Strecken Rassismusforschung, Queer-Theorie, Kritische Weißseinsforschung und ebenso die vielfachen theoretischen wie literarischen Interventionen Schwarzer Frauen seit den 1980er Jahren. Außerdem bleibt die gegenwärtig so virulente „Kategorie Religion“ vollkommen unberücksichtigt (siehe dagegen Dietze 2006).

[3] Noch 2001 diskutiert Astrid Deuber-Mankowski in der mittlerweile eingestellten feministischen Zeitschrift Die Philosophin die Unmöglichkeit der Verbindung von ‚Geschlecht’ und ‚Kategorie’, gerade weil zu einer Kategorie Geschlecht ein Verkennen konstitutiv dazugehört (Deuber-Mankowski 2001: 11 f.).

[4] Ein davon sehr verschiedenes Achsenmodell entwickelten die feministischen Aktivistinnen der Gruppe Precarias a la deriva. Um Prekarisierung als Prozess zu verstehen, entschieden sie sich für sieben „Achsen“: Mobilität, Grenzbereiche, Körperlichkeiten, Beziehungen und Wissen, Unternehmenslogik, Einkommen und Konflikt (Precarias a la deriva 2007: 94, 2004).

[5] Kategorisierungen in Frage stellt in diesem Band allein Sabine Hark (2007).

[6] Gabriele Dietze benutzt den Begriff der Interdependenz bereits 2001 in einem Aufsatz (Dietze 2001).

[7] Das Konzept der interdependenten Kategorie ist explizit identitätskritisch angelegt (Walgenbach 2007). Welche Bedeutung in einem inhärenten Verständnis allerdings weiterhin das Präfix inter haben soll, bleibt ungeklärt.

[8] „Der Unterstrich signalisiert Brüche und Leerstellen in als eindeutig vorgestellten Genderkonzepten und irritiert damit eindeutige Wahrnehmungen.“ (Hornscheidt 2007: 104) Die Idee des Unterstrichs geht auf Steffen Kitty Herrmann (2005) zurück.

[9] Hornscheidt markiert auf diese Weise nur die WissenschaftlerInnen, die in einer westlichen Perspektive als normal durchgehen und stets unmarkiert bleiben.

[10] Hier kommt kein volutaristisches, souveränes Subjekt durch die Hintertür. Es geht um Potenzialitäten politischen Handelns, die durch bestimmte Denkweisen ausgeblendet werden.

[11] Judith Butler formuliert in Undoing Gender (2004) – anders als in ihren bisherigen Büchern – eine politische Perspektive auf jene Praxen, die sie zuvor in erster Linie als in einer heteronormativen Ordnung nicht lebbar theoretisiert hat. Nun bedenkt sie „the right or entitlement to a livable life when no such prior authorization exists” (Butler 2004: 224). Allerdings betont Butler zu recht die Gewalt, die einer verwehrten Zugehörigkeit zu Ordnungsrastern inhärent ist. Antke Engel hebt im Anschluss an Butler und Foucault die politische Macht von Existenzweisen hervor, die auf eine normative Autorisierung verzichten (Engel 2007), sich dieser entziehen. So entstünden neue Subjektivitäten „nicht durch einen schöpferischen Akt, sondern aus einem kritischen Selbstverhältnis“ (ebd.: 283).

[12] Weitere Bezugsdiskurse sind die feministischen Standpunkttheorien der 1980er und 1990er Jahre.

[13] Wenn Vaginal Davis beispielsweise auf der Bühne keine „glamouröse Queen of Color oder eine weiße Diva verkörpert, sondern einen weißen rassistischen Redneck-Mann“ (Dietze et al 2007: 133). Mir geht es hier nicht um die Beurteilung einer solchen desidentifizierenden Praxis und ihrer Effekte. Vielmehr ist hier von Bedeutung, dass die Autorinnen anhand dieses Drag-Beispiels eine Verweigerung von Kategorisierungen denken.

[14] Konstituierung wird hier in der lateinischen Bedeutung von con-stituo als zusammen-setzen verstanden. Zum Gefüge von Aussetzen und Neuzusammensetzen siehe Raunig (2008).

[15] ‚Theorie’ und ‚Praxis’ sind in der kritischen Haltung nicht zu trennen und werden tendenziell ununterscheidbar.