Cookies disclaimer

Our site saves small pieces of text information (cookies) on your device in order to keep sessions open and for statistical purposes. These statistics aren't shared with any third-party company. You can disable the usage of cookies by changing the settings of your browser. By browsing our website without changing the browser settings you grant us permission to store that information on your device.

I agree

09 2000

Vom Defekt zum Effekt. Selbstkolonisierung als Alternativkonzept zum nationalen Isolationismus

Iara Boubnova

Übersetzt von Brigitte Rapp

Translators
languages

Ich halte die Beschäftigung mit der Entstehung und dem Verschwinden bzw. den Veränderungen von Utopie(n) und der kontinuierlichen Ablöse eines alternativen Konzeptes durch das andere für einen der interessantesten und relevantesten Aspekte der historischen Aufarbeitung der post-totalitären Kultur oder "der Kultur der Umgestaltungsphase". Heute könnte man diese historische Periode als die Zeit bezeichnen, in der die Kultur der (im negativen Sinn) Großen Utopie des Kommunismus/Sozialismus den Rücken gekehrt hat und nun voll Optimismus auf die Erfüllung der nächsten positivistischen Utopie der globalen Integration wartet. Es ist interessant zu beobachten, wie wir von der Utopie, die wir als Realität kennen, zu dem äußeren (internationalen/integrativen) Modell übergehen, das wir für eine Utopie halten.

Das System, das zugleich mit dem Regime zerfiel (nicht ohne die Hilfe unserer Generation), hatte sich immer darauf berufen, dass die "Kunst dem Volk gehört". Das Regime hatte die gesamte in der Kunst und Kultur aktive Intelligenz in den sogenannten KünstlerInnenverbänden versammelt und sie darüber hinaus Lenins "zwingender" Version der Widerspiegelungstheorie unterworfen. Zugleich hatte es, in Bulgarien jedenfalls, die schlimmsten Repressalien bald aufgegeben, um sich keinen allzu "schwarzen" Anschein zu geben, und diese Funktionen aber an die KünstlerInnenverbände selbst delegiert. Das Regime setzte den Staat einfach als einzigen Käufer von Kunstwerken ein (fast alle Fabriken und Betriebe "sammelten" zeitgenössische bulgarische Kunst) und überließ es den KünstlerInnen, die Kommissionen unter sich aufzuteilen. Das führte dazu, dass sich das bulgarische Kulturgeschehen damals vor allem durch allseitige Zufriedenheit auszeichnete: Der Staat war zufrieden, weil er erkannte, dass die selbst geschaffene Hierarchie unter den KünstlerInnen flexibler war als die staatlich verordnete und dass künstlerische Freiheiten ohnehin nicht als "Kunst" anerkannt wurden. Die KünstlerInnen waren zufrieden, weil sie oft genug "durchgefüttert" wurden und sich nicht den Zufälligkeiten des Marktes zu unterwerfen brauchten. Und die Öffentlichkeit war zufrieden, weil sie keine Ahnung hatte, welchen Preis sie für die propagierte Kultur und die Kunstwerke, an denen sie still vorbeiging, eigentlich bezahlte. Der Mythos von den Freuden des KünstlerInnendaseins war eine Art Belohnung des Schicksals. Dieser Mythos und die unbestrittene Treue der KünstlerInnen selbst machten sowohl im Westen als auch im Osten Eindruck. Der materielle Wohlstand "befreite" die sozialistische Kunst Bulgariens von alternativen, dissidenten Strömungen - alle derartigen Versuche wurden im Keim erstickt.

Eine soziologische Untersuchung, die im Herbst 1990 vom offiziellen Bulgarischen KünstlerInnenverband in Auftrag gegeben wurde, wies eindeutig nach, dass die meisten bulgarischen KünstlerInnen voll des Lobes waren für das kurz zuvor aufgelöste System staatlich veranlasster Restriktionen mit all seinen Jurys und Kommissionen, die vom Staat eingesetzt wurden, um die künstlerische Arbeit zu bewerten, zu korrigieren, zu approbieren und zu genehmigen. Hier kam vor allem zum Ausdruck, dass man sich jemanden - eine Institution, einen Kreis verantwortlicher Personen - wünschte, der bestimmte, was gute Kunst ist. Praktisch niemand von den befragten KünstlerInnen gab an, einen Mangel an Freiheit in ihrer Berufsausübung erlebt zu haben. Die meisten betonten sogar, dass sie sich in der Wahl ihrer Themen, der Bildsprache, Form usw. oder bei Ausstellungen ihrer Werke immer vollkommen frei gefühlt hatten. Die KünstlerInnen waren offenbar auch mit ihrer Ausbildung zufrieden, ebenso wie mit den Möglichkeiten, ihre Werke im Ausland zu zeigen, wenn sie selbst sich dafür "sicher genug fühlten". Hingegen wurden deutliche Einwände gegen bestimmte Personen oder einzelne KünstlerInnen erhoben, die im Dienste des Staates standen und einen "falschen" Einfluss auf die Kulturpolitik ausübten.

Eine der ersten Utopien, die Anfang der neunziger Jahre aufkamen, war jene von der Freiheit des Marktes. Daran knüpfte sich die Erwartung, dass sie ebenso sehr eine Quelle der Anerkennung der künstlerischen Arbeit wie des sozialen und wirtschaftlichen Wohlstands des Staates sein würde. In unserem naiven post-sozialistischen Bewusstsein waren "Markt" und Geld keine untrennbare Einheit. Verwirrt durch unklare Sozialtheorien, die persönlichen, aber keinen privaten Besitz rechtfertigten, konnte man sich wohlhabende KünstlerInnen nicht vorstellen, sondern nur berühmte (=gute) KünstlerInnen. "Der Markt" wurde als ein neues theoretisches Wertesystem begrüßt, als ein demokratischer Wohltäter, der lediglich die Hierarchien wieder ins Lot bringen, aber das Leben selbst nicht weiter beeinflussen würde. Die Künstler meinten, der Markt würde der Punkt auf dem "i" (des Kapitals) sein, er würde die guten Künstler zutage fördern und die schlechten aussondern. Vor allem für die jüngere Generation, die nicht in die traditionellen Konzepte der Kreativität passte, war der Markt die große Hoffnung. Diese KünstlerInnen machten denselben Fehler wie die russische postrevolutionäre Avantgarde: Sie rechneten mit der direkten Anerkennung durch das Volk, aber eben basierend auf den Werten des Marktes. Sowohl die Anhänger einer konservativen als auch jene einer liberalen Ästhetik führten in ihren Debatten immer den Kunstmarkt der Zukunft im Mund, so wie die antiken Helden die Götter anzurufen pflegten. Aber wie viele andere wirtschaftlich orientierte Euphorien auf dem Weg zum Kapitalismus war auch diese ziemlich bald verschwunden. Die so hoch bewertete Gerechtigkeit des Marktes fand nicht statt, und zum allgemeinen Erstaunen begann man nun die wohlhabenden KünstlerInnen als gute KünstlerInnen zu betrachten... Diese Einstellung ist heute noch zu spüren. Die letzte Hoffnung der KünstlerInnen ist, dass durch die Wirtschaftskrise das Geld derzeit nicht in den Händen der "richtigen" potentiellen KäuferInnen und SammlerInnen ist. In dieser Phase bestand eine deutliche Diskrepanz zwischen den Möglichkeiten des Kunstmarktes und der Zahl der neu gegründeten privaten, kommerziell arbeitenden Galerien. Inzwischen sind von den damals fünfzig Galerien nur noch zehn übrig. Man könnte behaupten, dass die Enttäuschung über den Systemwechsel in der Kunst mit dem Einbrechen des Kunstmarktes im Westen zusammenfiel.

Inzwischen ist der Glaube an die Integration, an gemeinsame Interessen und einen in einer gemeinsamen Sprache geführten Dialog an die Stelle der verschiedensten großen Utopien getreten, die sich nicht bewahrheitet haben. Viele KünstlerInnen streben jetzt die Aufnahme in die große Gemeinschaft an, die man vorläufig die "internationale Kunstwelt" nennt. Und das ist nur ein winziger Ausschnitt des ganzen Gesellschaften und Ländern gemeinsamen Traumes, um jeden Preis Teil der riesigen, immer bereits geordneten internationalen Gemeinschaft zu werden. Das Vorhandensein moderner Kunst in unseren Ländern gilt nach wie vor als Zeichen von Demokratie. Ihre VertreterInnen, eine zahlenmäßig sehr kleine Gruppe von KünstlerInnen, KunstkritikerInnen, KuratorInnen, TheoretikerInnen, KunsthändlerInnen und sogar InteressentInnen, betrachten sich als "Vermittler des Westens". Dabei ist es kein Geheimnis, dass manche Intellektuelle im Westen (meist politisch links orientiert, darunter viele mit Entscheidungsgewalt) ihren KollegInnen im Osten Verrat an der großen sozialistischen Idee vorwerfen, weil sie als treibende Kraft hinter dem Systemwechsel stehen. Das zeigt sich auch daran, dass es immer weniger persönliche Initiativen im Bereich der kulturellen Integration gibt.

Wir selbst setzen in die Integration Hoffnungen aus der Überzeugung, dass die moderne Kunst eine Art supranationaler Lingua franca ist und dass der Wettbewerb in der modernen Kunst von gleichen Voraussetzungen ausgeht. Eine Zeit lang sah es so aus, als wäre die Welt jenseits der regionalen Grenzen offen für den Dialog. Die Teilnahme osteuropäischer KünstlerInnen an großen internationalen Ausstellungen fand Aufmerksamkeit und Anerkennung, sodass Hoffnung bestand, dass die Kunst aus unserem Raum Teil des "Gesellschaftsvertrages" werden würde, wie es in den Gesellschaften des Westens der Fall ist. Aber allmählich stellte sich heraus, dass die reibungslos funktionierenden Mechanismen der geopolitischen Moden uns nur das Recht zugebilligt haben, als lokale Exoten aufzutreten, wobei dies in Form des notwendigen Minimums eines zivilisierten Kulturaustauschs wahrgenommen wird. Die bescheidenen Ausmaße des Austauschs und die Tatsache, dass das die einzige Möglichkeit der "Zusammenarbeit" mit dem Osten ist, lässt sich durch die unzureichende institutionelle Infrastruktur erklären, deren Errichtung wieder am Fehlen öffentlicher Gelder und entsprechender gesetzlicher Rahmenbedingungen scheitert. All das macht die Realität unserer modernen Kunst "unkontrollierbar, chaotisch, unerreichbar" - mit diesen Worten definiert Abdul R. JanMohamed[1] Objekte der Kolonisierung. Der lokale Kontext der osteuropäischen Kunst ist nicht weniger wichtig als jener der westlichen Kunst, und möglicherweise hat er in seiner Komplexität automatisch keinen Platz in der Auseinandersetzung mit den Problemen der Globalisierung, der totalen Migration, der Selbstidentifikation, des Multikulturalismus usw., wie sie im Westen vor sich geht. Aber Kultur und Kontext gehören nun einmal zusammen!

Der Westen und insbesondere die EU bestehen auf bestimmten Veränderungen im Bereich der Kultur als Voraussetzung für die Integration. Interessanterweise schien zum Beispiel die Koordination der kulturellen Angelegenheiten bereits im ersten "Themenpaket" zu Beginn des Verhandlungsprozesses zwischen der EU und Bulgarien auf. Wahrscheinlich hielt man das für ein leicht zu koordinierendes "Thema". Jetzt, knapp ein Jahr nach Einlangen der Einladung zum EU-Beitritt Bulgariens, sind sämtliche Kulturfragen so gut wie vergessen und aus der Verhandlungsagenda und der öffentlichen Debatte verschwunden, als wäre alles in diesem Bereich, so wie es ist, eindeutig... Während im bulgarischen Parlament nun schon das vierte Jahre über das neue Kulturgesetz debattiert wird, zeigt die internationale Gemeinschaft eine deutliche Tendenz, alles beim Alten zu belassen. Immer mehr westeuropäische Länder eröffnen Zweigstellen ihrer Kulturstiftungen vor Ort. Man könnte das als Ausdruck des Respekts für die lokale Kultur und ihre Kulturschaffenden interpretieren. Aber es wirkt doch auch unübersehbar wie eine Maßnahme zur restriktiven Kontrolle und Beobachtung aus der Nähe. In diesem Kontext ist zum Beispiel die für die Förderung von Kulturprojekten durch den Europarat einzuhaltende 3+2-Formel (3 Mitgliedsstaaten und zwei nicht-assoziierte Länder) zu sehen oder auch die jüngst geänderten Vorschriften für die Finanzierung von Kulturinitiativen in Deutschland, durch die sämtliche Ausgaben für ausländische Veranstaltungsteilnehmer mit bis zu 62% Steuern (zusätzliche Budgetausgaben) belastet werden. Dabei hat sich Deutschland bisher am aktivsten für die kulturelle Integration in Europa eingesetzt... Ebenso die französische Visavorschrift, die verlangt, dass auch Freiberufler eine angeordnete Dienstreise nachweisen können, was für KünstlerInnen naturgemäß kaum zu erfüllen ist. Eines der wichtigsten Prinzipien der Integration - "die Mobilität der Menschen" - wird immer öfter ersetzt durch die Mobilität von Ideen oder realen Ergebnissen kultureller Aktivitäten. In den nicht-kulturellen Bereichen der Integration ist diese Entwicklung allerdings noch deutlicher sichtbar.

In Bulgarien hat man zwei Möglichkeiten gefunden, auf all das zu reagieren. Beide sind spezifische utopische Konstruktionen, die alternativ zueinander bestehen. Auf der Ebene der offiziellen Politik arbeitet der Staat an einem nationalen Isolationismus, wie er peripheren Kulturen zur Widerspiegelung ihrer Vorstellung von kultureller Identität dient. Je neuer die Einflüsse auf die hiesige Kultur sind, desto mehr werden sie als fremd interpretiert. Je erfolgreicher die Manifestationen der bulgarischen Gegenwartskunst und -kultur im internationalen Kontext sind, desto mehr werden sie als zufällig und für den nationalen Kontext nicht repräsentativ betrachtet. In einem Zeitraum von zehn Jahren hat kein einziger Zweig der Staatsverwaltung ein Konzept für eine nationale Strategie im Kulturbereich vorgelegt, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Für jemanden, der die Situation kennt, sieht es ganz so aus, als hielten unsere PolitikerInnen die politische, wirtschaftliche und soziale Integration in die EU für ideal machbar, ohne sich über die Einbeziehung der modernen Kultur auch nur Gedanken machen zu müssen.

Die Erhaltung und Förderung des nationalen kulturellen Erbes, die Beibehaltung und Befürwortung konservativer Bildungsprogramme in der Kunst und die öffentliche Ehrung von Persönlichkeiten des Kulturlebens, und zwar ausschließlich der Vergangenheit (nach nicht nur historischen, sondern auch nach ideologischen Kriterien), sind offenbar der einzige sichtbare Ausdruck der staatlichen Auseinandersetzung mit kulturellen Fragen. Das aktuelle Kulturgeschehen und seine Prozesse, Phänomene, Ereignisse und Personen werden vollkommen ignoriert. Der Staat ist ganz froh darüber, dass die moderne Kunstszene "von allein funktioniert", und bietet sogar von offizieller Seite initiierten bzw. vorgeschlagenen Projekten keine Unterstützung. Die utopische Überzeugung, die Hauptaufgabe der Kultur sei es, innerhalb ihrer eigenen nationalen Parameter und nach Möglichkeit auch im Rahmen des patriarchalen Modells zu bleiben, wird in der letzten (und ersten) kulturellen Initiative des bulgarischen Präsidenten, der "Gesamtbulgarischen Versammlung", sichtbar. Der Präsident lädt 2000 bulgarische Intellektuelle ein, wesentliche Probleme der nationalen Kunst und Kultur zu diskutieren. Diese kommen in zwei großen Fragen ("Anliegen") zum Ausdruck: "Welchen Wert hat der geistige Reichtum Bulgariens?" und "Braucht die bulgarische Kultur ein Visum/Visa?". Ich glaube, das bedarf keiner weiteren Erklärung, weder die Sprache, die da verwendet wird, noch der konzeptuelle Rahmen...

Der lokale Kontext unserer aktuellen Kultur hat ein alternatives Programm hervorgebracht, das als positive Kommunikationsutopie beschrieben werden könnte: Wie kann die Kommunikation (in) der Kunst die fehlenden Kunsteinrichtungen ersetzen? Ohne die mit Institutionen und dem Markt einhergehenden Traditionen steht es uns frei, zu experimentieren. Die Aufgabe der Kommunikation wird von kleinen, privaten Kulturinitiativen übernommen, die in verschiedenen kulturellen Bereichen auf der Basis der NGO-Grundsätze operieren. Ähnlich wie in den siebziger Jahren im Westen stellen sie eine Alternative zu den bestehenden Staats-/Machtstrukturen in der Kultur dar. Ihren methodologischen Hintergrund bildet die Überzeugung, dass eine nur aus lokalen "Ausprägungen" bestehende "Geschichte" der Kunst inakzeptabel ist, da sie in die völlige Isolation führt, und dass der Direktimport und die Übernahme von Methodologien eine Form der Selbst-Kolonisierung darstellt (dieser Begriff stammt vom bulgarischen Kulturwissenschaftler Alexander Kiossev). Sie bemühen sich um eine konstruktive Nutzung dieser selbst-verordneten Kolonisierung, indem sie das lokale Produkt als eine Form der Kommunikation rückexportieren. Die internationale Kunst wird mit lokalen "Instrumenten" interpretiert. Ihr theoretisches Ziel ist die Schaffung einer "nationalen" Kunstgeschichte, die davon ausgeht, dass die bulgarische Kunst und die innerhalb der heutigen Landesgrenzen Bulgariens produzierte Kunst immer schon Teil eines größeren kulturellen Kontextes war, ohne je in dessen Zentrum gewesen zu sein, und dass Kunst unabhängig von ihrer Entstehungszeit, Ausrichtung oder den KünstlerInnen selbst immer schon anhand von Eigenschaften definiert wurde, die ein Gemisch von "internationalen" und lokalen Eigenheiten sind, wodurch die dominierenden Methodologien in Frage gestellt werden.

Auf einer etwas praktischeren Ebene wird durch diese Art der Selbstorganisation der künstlerischen Umwelt versucht, den Defekt in einen Effekt umzuwandeln - das künstlerische Schaffen ist eine Strategie für den Weg in die internationale Kunstwelt. Diese kleinen NGOs initiieren internationale Ereignisse und formulieren gleichzeitig ihre eigenen kulturellen Bedürfnisse und Interessen ohne offizielles Plazet. Sie nützen ihre selbst errichteten Netze unabhängiger Institutionen und Initiativen und wandeln sie in alternative Integrationsmechanismen um (zum Beispiel das ICA-Sofia mit seiner Ausstellung "Locally interested", Herbst 1999 in Sofia, das ATA Zentrum für Moderne Kunst - Sofia mit der Ausstellung "Un certain art de vivre" aus der Sammlung des FRAC Languedoc-Roussillon in Montpellier, Frankreich). Und wenn dann solche privaten Institutionen sogar anstelle des Staates an internationalen kulturellen Initiativen teilnehmen (zum Beispiel das ICA-Sofia, das 1999 Bulgarien erstmals seit 34 Jahren bei der Biennale in Venedig vertrat), wird aus dem Soll in der Kultur ein deutliches Haben.

Netzwerke von persönlichen Bekanntschaften und die auf Personen bezogene Produktion künstlerischer Ereignisse und Inhalte sind die Basis dieser neuen, alternativen Institutionalisierung in der Kunst: "die ‘confidential community’ - ist eine unmittelbare Reaktion auf die verrückte Dynamik der sozialen Umwälzungen. In einer solchen Situation beruht ihre Effizienz darauf, dass sie die einzige Form einer gemeinnützigen Einrichtung ist, in der die Zeit nicht von äußeren Umständen bestimmt wird: sie wird von den TeilnehmerInnen selbst bestimmt".[2] Diese versuchen, außerhalb der realen Hierarchien und Kanons zu leben und zu funktionieren, und fühlen sich weder verpflichtet, kulturelle Modelle zu beobachten, noch sie zu kopieren.
 


[1] Abdul R. JanMohamed, "The Economy of Manichean Allegory: The Function of Racial Difference in Colonialist Literature", Critical Inquiry, vol. 12, #1 1985

[2] Victor Misiano, "Institutionalisation of Friendship", Transnationala, Ljubljana 1999.