09 2003
La Plaza: Öffentlicher Raum als Verhandlungsraum
Über den Begriff der Öffentlichkeit und der öffentlichen Sphäre wurde bereits ausgiebig und detailliert diskutiert (Calhoun 1999, Fraser 1999, Marchart 1998 und die einschlägigen Beiträge in diesem Band). In diesem Beitrag soll der öffentliche Raum in seiner Eigenschaft als konkreter, realer, auch städtischer Ort ins Blickfeld gerückt werden. Vor dem Hintergrund einiger Thesen zu Öffentlichkeit und Raum dient der Hauptplatz von Mexiko-Stadt als Beispiel für die Bedeutung eines solchen realen öffentlichen Raumes als umkämpften Verhandlungsraums.[1]
Öffentlichkeit als kollektive Erfindung
Klassischerweise
ist die Öffentlichkeit, so Richard Sennett, der Raum,
in dem man dem prüfenden Blick von jedermann ausgesetzt
sei, der Raum, in dem es Akteure und Zuschauer gibt,
in dem man gleichzeitig Beobachter und Beobachteter
ist (Sennett 1986). Im städtischen Raum spiegelt sich
das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft.
Hier zeigt sich laut Georg Simmel die urbane Mentalität,
die durch Distanz und Reserviertheit, aber auch durch
eine Vielschichtigkeit der Beziehungen und Situationen
charakterisiert ist (Simmel 1984). Der öffentliche
Raum bietet die Möglichkeit, anonym in der Masse zu
verschwinden, aber auch die der Identifikation mit
einer Gruppe. In dem Zusammentreffen von Fremden oder
Gleichgesinnten zeigt sich ein zentrales Prinzip des
öffentlichen Raumes: er hat etwas Gemeinschaftliches
und wird von einem Kollektiv getragen oder benutzt (Fraser
1999).[2]
Der kolumbianische Kommunikationswissenschaftler Armando
Silva sagt, der öffentliche Raum sei eine Markierung,
von der aus, auch trotz des Rückzugs des Staates von
seinen sozialen Pflichten, es noch immer möglich sei,
über die persönlichen oder ökonomischen Interessen hinaus
von einem kollektiven Raum zu sprechen. Nur von diesem
Raum aus sei es möglich, kollektive Prozesse zu entwickeln.
Die Öffentlichkeit sei schließlich eine kollektive Erfindung
(Silva 2003: 25).
Wie sich dieses Kollektiv zusammensetzt,
kann jedoch sehr unterschiedlich sein. Zygmunt Bauman
unterscheidet folgende Formen des Zusammenseins: Das
"mobile Zusammensein" – ein Nebeneinander
in geschäftigen Straßen oder auf Plätzen –, das "stationäre
Zusammensein" – im Wartesaal teilt sich eine Ansammlung
von Fremden einen begrenzten Raum –, das "zeitliche
Zusammensein" an einem Arbeitsplatz, das "manifeste
Zusammensein" einer möglichst großen Masse im Raum
(Fußballstadion) und das "postulierte Zusammensein",
welches sich auf die Konstruktion bestimmter Identitäten
bezieht (Nationen, Rassen, Klassen) (Bauman 1997: 76 ff.).
In dieser Auflistung manifestieren sich Hinweise auf
die unterschiedlichen Bedeutungen von Öffentlichkeit
in Beziehung zum Raum (Straße, Wartezimmer, Fußballstadion);
gleichzeitig verweisen diese Orte und Kriterien von
Öffentlichkeit auch auf mögliche Ansätze, den öffentlichen
Raum und seine Aneignung zu analysieren.
Städtischer Raum und Öffentlichkeit
Öffentlicher
Raum erfährt temporär unterschiedliche Nutzungen, er
ist nicht durch Stabilität und Kontinuität gekennzeichnet,
sondern er ist prozesshaft und situational. Er ist damit
ein Verhandlungsraum, materiell und diskursiv umkämpft.
Er wird von heterogenen Gruppen oder auch Teilöffentlichkeiten
hergestellt, benutzt und verhandelt. Das kontinuierliche
Aufeinandertreffen und Aushandeln von unterschiedlichen
Interessen und Wertvorstellungen, von – auch widersprüchlichen
– Bedeutungszuschreibungen, ist das, was öffentliche
Räume ausmacht. In diesem Sinn ist die Existenz des
öffentlichen Raumes auch ein zentrales Merkmal und eine
Voraussetzung für das Städtische.
Stadt als ein komplexes Gefüge
besteht aus einzelnen Orten, Institutionen und Akteuren,
Aktivitäten und Diskursen. Urbaner Raum ist demnach
physischer, sozialer und diskursiver Raum. Der physische
Raum bezieht sich auf die gebaute Umwelt, die infrastrukturelle
Gliederung und Architektur. In einem stofflichen Sinn
ist das Material (Beton, Glas, Stahl, Ziegel, Sand,
Plastik, Asphalt) von Bedeutung. Das Material charakterisiert
auch im Sinne einer sozialen Oberfläche einen konkreten
Ort und bestimmt, ebenso wie Geräusche und Gerüche,
Interaktionen. Der soziale Raum bezieht sich in einem
szenischen Sinn auf den Raum als Bühne für Handlungen
und Aktionen. Akteure bespielen den Raum, sie verhandeln
über Aneignung und Interpretation, über Vorstellungen
und Visionen der Stadt. Der soziale Raum reflektiert
die gesellschaftliche Ordnung und ihre Institutionen
in Form von spezifischen Interaktions- und Kommunikationsformen.
Der diskursive Raum verweist auf die Ideen von Stadt
und Urbanität, die den Handlungen zugrunde liegen.
Er bezieht sich aber auch auf die Darstellung des Raumes
und sein Image. Durch die dialektische Verbindung zwischen
materieller Konstruktion, sozialer Praxis und Repräsentation
werden die konkreten urbanen Orte erst geschaffen (Harvey
1993: 17). Der urbane Raum ist also nicht einfach die
Summe von Beziehungen zwischen Formen und Praxis, sondern
er ist gleichzeitig eine Bedingung für die Reproduktion
des urbanen Alltags. Dieser Raum ist immer auch mit
Macht und Ideologie gefüllt.
Was aber bedeutet realer öffentlicher Raum als ein verhandelbarer Ort der Alltagspraxis? Und wie sieht er aus? Wie wird er wahrgenommen, genutzt und bespielt? Dieser Frage nach der Beschaffenheit des öffentlichen Raumes als Verhandlungsraums werde ich anhand eines konkreten Platzes in Mexiko-Stadt nachgehen.
Zócalo – leere Mitte von Mexiko-Stadt
Mexiko-Stadt ist mit ca. 20 Millionen Einwohnern eine der größten Städte der Welt. Noch in den 90er Jahren rief der Name der Metropole Horrorszenarien von Bevölkerungsexplosionen, Umweltkatastrophen und Unregierbarkeit hervor. Mexiko-Stadt stand als Bild für die Grenzen des städtischen Wachstums und das urbane Chaos. Heute wird die Metropole unter einem anderen Blick betrachtet, mit Interesse für die Aneignung der Räume, für die Organisation des alltäglichen Überlebens und die Bedeutung von spontanen Strukturen der Alltagspraxis. In Mexiko-Stadt lässt sich ein von den Bewohnern ausgetüfteltes System improvisierter Raum- und Zeitnutzungen finden, das den täglichen Fluss von Waren, Interaktionen und Informationen organisiert. Es ist unvorstellbar, dass die Stadt ohne diese informellen Strukturen funktionieren könnte. Das Chaos, das Spontane, das Temporäre, so scheint es, hindert die Stadt daran, von sich selbst verschlungen zu werden.
Der Zócalo ist der Hauptplatz im historischen Zentrum der Metropole Mexiko. An diesem Platz errichteten die Spanier im 16. Jahrhundert nach der Eroberung der Stadt über dem zerstörten Zeremonialzentrum der Azteken ihre Repräsentationsgebäude: die Kathedrale auf den Tempelruinen, den Vizekönigpalast auf dem Palast des letzten Herrschers der Azteken. Die Freifläche zwischen den Gebäuden, der Platz außerhalb der ehemaligen Tempelmauern, wurde zum neuen Machtzentrum der Kolonialstadt. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war der Platz das funktionale Zentrum der Stadt. Mit dem immensen Stadtwachstum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstehen neue funktionale Zentren in der metropolitanen Zone. Der Zócalo bleibt weiterhin das Zentrum, bekommt aber zunehmend symbolische Bedeutung. Nachdem Ende der 50er Jahre die Parkanlage des Platzes betoniert wurde, ist die Mitte der Stadt eine karge 240 mal 240 Meter große Fläche. Die physisch leere Mitte ist beeindruckend, aber auch beunruhigend, als müsste sie ständig mit etwas gefüllt werden. Die "leere Mitte" eröffnet einen Raum für die Besetzung mit Symbolen, Demonstrationen der Macht und unendlich viele Erzählungen. Der öffentliche Platz wird immer wieder neu besetzt, hergestellt, ausgehandelt und umkämpft.
Jahrelang blieb der
Zócalo der Manifestation des Staates vorbehalten. Bis
heute gibt es einen Jahreskalender von offiziellen
Zeremonien und Veranstaltungen, die von der Regierung
oder dem Militär auf dem Platz abgehalten werden. Eines
der Ereignisse ist das tägliche Fahnenritual. In der
Mitte der Betonfläche des Zócalo steht ein 50 m
hoher Fahnenmast mit einer riesigen Nationalfahne Mexikos.
Früh morgens wird die Fahne gehisst und jeden Abend
um sechs Uhr, begleitet von einem militärischen Ritual,
wieder eingeholt. Während dieser Zeremonie verfolgen
Passanten und Zuschauer, wie militärische Würdenträger,
Soldaten und Militärpolizei zum Takt der Nationalhymne
in einem abgesperrten Quadrat über den Platz marschieren.
Sobald die letzten Soldaten mit der Fahne im Nationalpalast
verschwunden sind, löst sich die strenge Abgrenzung
des Platzes auf und die Menschen strömen wieder kreuz
und quer über den Platz. Sie begeben sich aber dann,
wie magnetisch, zu neu entstehenden Kreisen um Straßenkünstler,
die zeitgleich ihre Performance wieder aufnehmen, oder
drängeln sich in die Metroeingänge.
Ein weiteres Beispiel für eine
derart symbolische und nationale Bespielung dieses öffentlichen
Raumes ist die Parade zur Erinnerung an die mexikanische
Revolution am 20. November. Zu diesem Anlass wird der
Platz bereits Tage zuvor geschmückt und mit Podesten
und Tribünen ausgestattet. Am Tag des Ereignisses wird
das Zentrum großräumig abgesperrt, der Zugang zum Zócalo
ist nur einigen ausgewählten Zuschauern gewährt. Vom
Balkon des Nationalpalastes und den reservierten Tribünen
grüßen die Repräsentanten des Landes die vorbei marschierenden
Sportlergruppen. Die Fläche selbst bleibt während der
Veranstaltung vollkommen leer, was die Monumentalität
des Platzes noch unterstreicht. Der Zócalo ist zwar
das Zentrum des Ereignisses, durch die strenge Organisation
unterscheidet er sich aber deutlich von der alltäglichen
Routine. Verschwunden sind die sonst üblichen Akteure
wie Passanten und Straßenhändler. Ihre Abwesenheit
und die Leere spiegeln Formalisierung, Reglementierung
und Kontrolle des öffentlichen Raumes. Der Zócalo dient
zu diesem Zeitpunkt der materiellen und symbolischen
Verortung von politischer Macht.
Der Zócalo wird je
nach Veranstaltung und Ereignis immer wieder mit neuen
Dingen strukturiert, gestaltet und regelrecht inszeniert:
Mal ist der Platz mit Zelten für Versammlungen, mal
mit langen Stuhlreihen, Podesten, Tribünen oder riesigen
Transparenten bestückt. Der Platz wird zu einer von
den jeweiligen Gruppen ganz eigen bespielten Bühne.
Eine Art dieser auch materiellen
Aneignung des Raumes wird von den Straßenhändlern betrieben,
die am Rande des Platzes, wie überall in der Stadt,
tagtäglich ihre Stände aufbauen. Fein ausgeklügelte
Verpackungssysteme lassen aus einem Paket auf einer
Handkarre eine ganze Straßenküche, ein Kleidergeschäft
oder einen Werkzeugladen entstehen. Jeder Stand hat
ein Dach aus Plastikplanen, ist mit anderen Ständen
über Schnüre verbunden und über provisorische Elektrokabel
zu Laternenpfosten an das städtische Stromnetz angeschlossen.
Vor allem im historischen Zentrum führt dieser informelle
Markt regelmäßig zu auch gewalttätigen Auseinandersetzungen
zwischen Geschäftsleuten, Syndikaten der Straßenhändler,
Stadtpolitikern und Polizisten.[3]
Der Zócalo ist aber auch kultureller Veranstaltungsort. Es gibt regelmäßig ein Open-Air-Kino, es finden klassische Konzerte und Theateraufführungen statt, es gibt Kunstausstellungen, Informationsveranstaltungen und Raves. Unter dem Motto "la calle para todos" (die Straße für alle) organisierte beispielsweise die erste gewählte Stadtregierung in den letzten Jahren Veranstaltungen, bei denen in der Stadt gastierende Stars wie Compay Segundo, Tigres del Norte, Manu Chao oder angesagte Berliner DJs gratis spielten.
Und schließlich ist
der Zócalo auch das Ziel von Demonstrationen.
"Tomar el Zócalo",
seit den sechziger Jahren der Schlachtruf der oppositionellen
politischen Bewegungen, lässt sich am Besten mit "den
Zócalo einnehmen" übersetzen. Der Aufruf, den Platz
zu besetzen und ihn mit eigenen Inhalten zu füllen,
war zu diesem Zeitpunkt noch eine echte Provokation,
denn der Zócalo war bis dahin der alleinige Repräsentationsort
der hegemonialen Staatsmacht. Er war tabu für regierungskritische
Gruppen, ein gewissermaßen verbotener Raum. Erst mit
den Studentenbewegungen von 1968 und 1984 wurde der
Platz zu einem Ort der Demonstration von Nonkonformität
gegenüber der offiziellen Politik. Bis heute ist eine
der radikalsten Demonstrationen – die im Gegensatz zu
den meisten anderen Demonstrationen vor allem von Studenten
und Jugendlichen organisiert und durchgeführt wird –
jene zum Tag der Erinnerung an das Massaker vom 2. Oktober
1968. An diesem Tag wurden anschließend an eine Studentendemonstration
auf dem "Platz der Drei Kulturen" über 300
Menschen von mexikanischen Militärs umgebracht.
Heute finden in Mexiko Stadt
innerhalb eines Jahres hunderte Demonstrationen statt,
deren Ziel fast immer der Zócalo ist. Neben den Massendemonstrationen
der unabhängigen Gewerkschaften am 1. Mai, Solidaritätskundgebungen
zur Unterstützung der Forderungen der neo-zapatistischen
Bewegung der EZLN oder der Stadtteilbewegungen
des Movimiento
Urbano Popular gibt es unzählige kleinere Manifestationen
von Schulkindern für mehr Stipendien, Krankenschwestern
für bessere Arbeitsbedingungen, Stadtrandbewohnern für
die Versorgung ihrer Stadtteile
mit Wasser und Strom.
Eine übliche Demonstrationsform
ist das Errichten von Camps. In der Regel sind es Gruppen
aus der Provinz, die in die Hauptstadt kommen, um ihre
Anliegen den Zuständigen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Sie besetzen über einige Wochen den öffentlichen Raum,
bis nach mehr oder weniger erfolgreichen Verhandlungen
die Gruppen freiwillig abziehen oder das Camp gewaltsam
aufgelöst wird. Einige Gruppen lassen sich in Seitenstraßen
des Zentrums nieder, andere direkt auf dem Zócalo. Aus
Plastikplanen werden Zelte und provisorische Küchen
gebaut, an den Zeltschnüren hängt Wäsche zum Trocknen,
um geöffnete Gullydeckel wird eine Toilette errichtet.
Durch die Konstruktion einer eigenen temporären und
mobilen Stadt mitten im Zentrum, befindet man sich beim
gewohnten Überqueren des Zócalo plötzlich in Sackgassen,
zwischen Wäscheleinen, schlafenden Menschen und riesigen
Kochtöpfen. Mit dieser Form der Aneignung werden andere
Nutzungsformen ausgeschlossen, beispielsweise ist es
nicht möglich, die tägliche Fahnenzeremonie durchzuführen.
Der Fahnenmast wird stattdessen zu einem Pfosten umfunktioniert,
an dem die Schnüre der Zeltplanen befestigt werden.
Die temporären Bewohner des Platzes unterbrechen den
urbanen Alltagsfluss, indem sie mit dem Zeltlager den
öffentlichen Raum bewohnen und die gewohnten Kategorien
von "privat" und "öffentlich" in
Frage stellen.
Literatur
Bauman, Zygmunt: Flaneure, Spieler und Touristen – Essays zu postmodernen Lebensformen. Hamburg 1997
Calhoun, Craig (Hg.): Habermas and the Public Sphere. Cambridge 1999
Fraser, Nancy: Rethinking the Public Sphere: A Contribution to the Critique of Actually Existing Democracy. In: Craig Calhoun (Hg.), Habermas and the Public Sphere. Cambridge 1999, S. 109–142
Harvey, David: From Space to Place and Back Again: Reflections on the Conditions of Postmodernity. In: Bird, Jon et al. (Hg.), Mapping the Futures. London 1993
Marchart, Oliver: Kunst, Raum und Öffentlichkeit(en). Einige grundsätzliche Anmerkungen zum schwierigen Verhältnis von Public Art, Urbanismus und politischer Theorie. http://www.eipcp.net/diskurs/d07/text/marchart_prepublic_de.html Oktober 1998
Sennett, Richard: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt/M 1986
Silva, Armando (Hg.): Urban Imaginaries from Latin America. Documenta11. Osfildern-Ruit 2003
Simmel, Georg: Die Großstädte und das Geistesleben. In: Das Individuum und die Freiheit. Essais. Berlin 1984
Wildner, Kathrin: Zócalo – Die Mitte der Stadt Mexiko. Ethnographie eines Platzes. Berlin 2003
[1] Hierbei beziehe ich mich auf meine ethnographischen Arbeit über den Zócalo der Stadt Mexiko, vgl. Wildner 2003.
[2] Laut Nancy Fraser lassen sich unter politischen Aspekten und Konnotationen des Öffentlichen folgende Merkmale ausmachen: Öffentlicher Raum ist staatsbezogen, kommunal; für jeden zugänglich; etwas, das alle angeht; ein gemeinsames Gut bzw. ein gemeinsames Interesse (vgl. Fraser 1999). Hinzuzufügen ist, dass es sich bei Öffentlichkeit auch immer um bestimmte Regeln, Reglementierungen und Kontrollmechanismen handelt, die im öffentlichen Raum zum Tragen kommen.
[3] Der Straßenhandel ist ein alltäglicher Kampf um die Nutzung des öffentlichen Raumes, den der 1998 amtierende Bürgermeister, Legoretta, als einen nicht zu lösenden Konflikt beschrieben hat. Die Methoden seiner Vorgänger, wie z.B. das Bauen von Markthallen oder ständige polizeiliche Kontrollen und regelrechte Razzien, führten entweder dazu, dass die freigewordenen Straßenzüge in Kürze von neuen Straßenhändlern besetzt wurden, oder dass sich internationale Fastfoodketten die breiten Gehwege mit Plastiktischen als Restauranterweiterung aneigneten. Legoretta sah sie die einzige Möglichkeit darin, den von den Straßenhändlern zurückeroberten öffentlichen Raum mit neuen Inhalten zu füllen. Er stellte fest, dass die Eindämmung des Straßenhandels nur funktioniert, wenn sich die Anwohner für eine konkrete und lokale Nutzung des freigewordenen Raumes, z.B. als Spielplatz oder Park, einsetzen und sich dementsprechend für diesen verantwortlich fühlen.