01 2006
Die Institution der Kritik
Wenn wir über die Kritik der Institution sprechen, sollten wir auch das umgekehrte Problem in Betracht ziehen: die Institution der Kritik. Gibt es etwas wie eine Institution der Kritik, und was bedeutet das? Ist es nicht ziemlich absurd, zu argumentieren, dass eine Institution der Kritik in einem Augenblick existiert, in dem kritische Kulturinstitutionen unzweifelhaft abgeschafft werden, unterfinanziert sind, den Anforderungen einer neoliberalen Eventökonomie ausgesetzt werden, und so weiter? Aber ich möchte die Frage auf einer viel grundsätzlicheren Ebene stellen. Die Frage ist: Was ist die interne Beziehung zwischen Kritik und Institution? Welches Verhältnis existiert zwischen der Institution und ihrer Kritik oder, auf der anderen Seite, der Institutionalisierung von Kritik? Und was ist der politische und historische Hintergrund dieses Verhältnisses?
Um ein klareres Bild dieses Verhältnisses zu bekommen, müssen wir erst die Funktion von Kritik generell untersuchen. Sehr allgemein gesprochen, werden bestimmte politische, soziale oder individuelle Subjekte durch Institutionskritik produziert. Die bürgerliche Subjektivität als solche wurde durch einen solchen Prozess der Kritik ausgebildet und dazu ermuntert, die selbstverschuldete Unmündigkeit hinter sich zu lassen, um Kants berühmten Aphorismus zu zitieren. Diese kritische Subjektivität war natürlich ambivalent, da sie den Gebrauch der Vernunft nur in Situationen vorsah, die wir heute als apolitisch bezeichnen würden, etwa in der Erwägung abstrakter Probleme, nicht aber zur Kritik der Obrigkeit. Kritik produzierte also ein Subjekt, das in öffentlichen Situationen Gebrauch von seiner Vernunft machen sollte, nicht jedoch in privaten. Obwohl das emanzipatorisch klingt, ist das Gegenteil der Fall. Die Kritik der Obrigkeit ist Kant zufolge nicht nur vergeblich, sondern auch privater Natur. Durch diese Art von Kritik wird ein Subjekt erzeugt, das ambivalent und regierbar ist. Kritik wird faktisch zu einem Werkzeug der Regierung ebenso, wie sie zu jenem Werkzeug des Widerstands wird, als das sie oft verstanden wird. Die so geschaffene bürgerliche Subjektivität war nichtsdestotrotz außerordentlich effizient. Und in gewissem Sinne ist Institutionskritik in diese Subjektivität eingelassen, ein Umstand, den Marx und Engels explizit in ihrem Kommunistischen Manifest anführen: als die Fähigkeit der Bourgeoisie, unzeitgemäße Institutionen abzuschaffen, ja geradezu einzuschmelzen, ebenso wie alles andere Unnütze und Versteinerte. Aber nur solange die allgemeine Form der Herrschaft dabei nicht gefährdet wird. Die bürgerliche Klasse wurde also durch eine sozusagen begrenzte Institutionskritik produziert, und sie erhält und reproduziert sich auch durch diese Art der Institutionskritik. Und so wurde Kritik eine eigenständige Institution; ein Mittel der Regierung, das angepasste Subjekte herstellt.
Es gibt aber auch eine andere Form der Subjektivität, die durch Kritik produziert wird, und sogar durch Institutionskritik. Das offensichtlichste Beispiel ist das politische Subjekt französischer Bürger, das durch die Kritik an der Institution der Monarchie geformt wurde. Diese Institution wurde nicht nur abgeschafft, sondern sogar geköpft. Dabei wurde eine Forderung beherzigt, die Karl Marx erst viel später auf den Punkt bringen sollte: dass die Waffen der Kritik durch die Kritik der Waffen ersetzt werden sollte. Dementsprechend könnte man auch sagen, dass das Proletariat als politisches Subjekt durch die Kritik der Institution des Bürgertums geformt wurde. Diese zweite Form der Institutionskritik produziert wahrscheinlich ebenso ambivalente Subjektivitäten, aber mit einem Unterschied: Sie schafft die Institution, die sie kritisiert, ab, anstatt sie zu reformieren oder zu verbessern.
In diesem Sinn dient Institutionskritik als Werkzeug der Subjektivierung bestimmter sozialer Gruppen oder Subjekte. Und welche verschiedenen Subjekte werden dadurch produziert? Werfen wir einen Blick auf verschiedene Arten der Institutionskritik im Kunstfeld der letzten Jahrzehnte.
Um eine komplexe Entwicklung zu simplifizieren: Die erste Welle der Institutionskritik richtete sich gegen die autoritäre Rolle der kulturellen Institution. Sie forderte die Autorität, die sich in kulturellen Institutionen innerhalb des Rahmens des Nationalstaats angesammelt hatte, heraus. Kulturelle Institutionen wie das Museum hatten komplexe gouvernementale Funktionen angenommen. Diese Rolle wurde auf brillante Weise in Benedict Andersons bahnbrechendem Buch Imagined Communities beschrieben, dort, wo er die Rolle des Museums in der Herausbildung kolonialer Nationalstaaten untersucht. Seiner Meinung nach erschafft das Museum, indem es eine nationale Geschichte produziert, auch retroaktiv den Ursprung und das Fundament der Nation, und dies ist seine Hauptaufgabe. Aber diese koloniale Situation weist, wie auch in vielen anderen Fällen, auf die Struktur der kulturellen Institution innerhalb des Nationalstaats im Allgemeinen hin. Und diese Situation, die autoritäre Legitimation des Nationalstaats durch die kulturelle Institution vermittels der Konstruktion einer Geschichte, eines Erbes, eines Patrimoniums, eines Kanons usw. war das Ziel der Kritik der ersten Welle der Institutionskritik ab den 1970ern.
Ihre Legitimation war letztendlich eine politische. Die meisten Nationalstaaten verstanden sich als Demokratien, die auf dem politischen Mandat ihres Volkes oder ihrer Bürger beruhten. In diesem Sinne war es leicht, zu argumentieren, dass jede nationale kulturelle Institution diese Selbstdefinition reflektieren sollte und dass daher jede nationale Kulturinstitution auf ähnlichen Mechanismen beruhen sollte. Wenn die nationale Sphäre der Politik auf – zumindest theoretisch – demokratischer Partizipation beruhte, wieso sollte es in der nationalen Sphäre der Kultur dann anders sein? Warum sollte die kulturelle Institution nicht zumindest so demokratisch sein wie die parlamentarische Demokratie? Wieso sollte sie nicht zum Beispiel Frauen in ihren Kanon einschließen, wenn Frauen doch zumindest theoretisch im Parlament vertreten sein konnten? In diesem Sinn waren die Forderungen, die die erste Welle der Institutionskritik artikulierte, natürlich in zeitgenössischen Theorien der Öffentlichkeit begründet und interpretierten die kulturelle Institution als eine mögliche Öffentlichkeit. Aber implizit beruhten sie auf zwei Voraussetzungen: Zunächst war diese Öffentlichkeit implizit eine nationale, da sie nach dem Modell des repräsentativen Parlamentarismus gebildet wurde. Die Legitimation dieser Art von Institutionskritik beruhte auf exakt dieser Grundlage. Da das politische System des Nationalstaats zumindest in der Theorie seine Bürger vertreten sollte, wieso sollte das dann in einer nationalen Kulturinstitution anders sein? Ihre Legitimation beruhte auf dieser Analogie, die auch sehr oft eine reale materielle Basis besaß, da die meisten Kulturinstitutionen vom Staat finanziert wurden. Diese Form der Institutionskritik beruhte daher auf einem Modell, das der Struktur der politischen Partizipation innerhalb des Nationalstaats und einer fordistischen Ökonomie nachgebildet war, in der zu kulturellen Zwecken Steuern erhoben werden konnten.
Die Institutionskritik dieser Periode verhielt sich zu diesen Umständen auf verschiedene Weisen. Entweder negierte sie radikal Institutionen als solche oder sie versuchte alternative Institutionen aufzubauen bzw. in existierende Institutionen integriert zu werden. Wie in der Politik selbst war die erfolgreichste Strategie eine Mischung aus der zweiten und dritten Variante, die etwa die Integration von Minderheiten oder benachteiligten Mehrheiten wie Frauen forderte. In diesem Sinne funktionierte Institutionskritik wie die verwandten Paradigmen des Multikulturalismus, des reformistischen Feminismus, der ökologischen Bewegungen usw. Sie war eine neue soziale Bewegung innerhalb des Kunstfelds.
Aber während der nächsten Welle der Institutionskritik, die vor allem in den 1990ern ihren Höhepunkt hatte, war die Situation ein bisschen anders. Nicht so sehr aus der Perspektive der KünstlerInnen oder jener, die versuchten, die in ihrer Sicht immer noch autoritären Institutionen herauszufordern und zu kritisieren. Das Hauptproblem war vielmehr, dass sie von einer rechtsbürgerlichen Form der Institutionskritik überholt worden waren, nämlich genau jener, die Marx und Engels beschrieben hatten, und die eben alles, was fest ist, verflüssigt. Daher war die Forderung, dass die Kulturinstitution ein öffentlicher Raum sein sollte, nicht länger unumstritten. Die Bourgeoisie hatte gewissermaßen beschlossen, dass in ihrer Sicht eine kulturelle Institution eine ökonomische Institution war und daher den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen sei. Der Glaube, dass Kulturinstitutionen einen repräsentativen öffentlichen Raum bereitstellen sollten, brach mit dem Fordismus zusammen, und es ist kein Zufall, dass Institutionen, die immer noch dem Ideal anhängen, einen öffentlichen Raum zu schaffen, sehr viel länger an Orten Bestand haben, wo der Fordismus noch zumindest teilweise durchhält. Daher war die zweite Welle der Institutionskritik in gewissem Sinne unilateral, da sie Forderungen stellte, die zu dieser Zeit zumindest partiell ihre Legitimation verloren hatten.
Der nächste Faktor war die Transformation des nationalen Kulturbereichs, der die Transformation des politischen Bereichs spiegelte. Zunächst ist der Nationalstaat nicht mehr länger der einzige Rahmen kultureller Repräsentation – es gibt auch supranationale Gebilde wie die EU. Und zweitens ist deren Modus der politischen Repräsentation sehr komplex und nur teilweise repräsentativ. Er repräsentiert seine AdressatInnen eher symbolisch als materiell. Er stellt sie eher dar, als dass er sie vertritt. Warum soll daher eine Kulturinstitution seine AdressatInnen vertreten? Reicht es nicht aus, sie irgendwie darzustellen? Und obgleich die Produktion einer nationalen kulturellen Identität immer noch wichtig ist, ist sie nicht nur für den internen oder sozialen Zusammenhalt der Nation wichtig, sondern auch um sie mit attraktiven Marktwerten in einer zunehmend globalisierten kulturellen Ökonomie zu versehen. In diesem Sinne wurde ein Prozess initiiert, der immer noch andauert. Und das ist der Prozess einer symbolischen Integration der Kritik in die Institution oder eher auf der Oberfläche der Institution, ohne irgendwelche materiellen Konsequenzen innerhalb der Institution selbst oder ihrer Organisationsstruktur. Dies spiegelt einen ähnlichen Prozess auf der politischen Ebene: die symbolische Integration, etwa von Minderheiten, während die politische und soziale Ungleichheit aufrechterhalten wird, die symbolische Repräsentation von Bevölkerungsgruppen in supranationalen politischen Organisationen usw. In diesem Sinne wurde die materielle Vertretung durch symbolische Darstellung ersetzt.
Dieser Umschwung in den Repräsentationsstrategien der Kulturinstitution lief auch parallel mit einem Umschwung in den Strategien der Kritik, nämlich der Transformation von Institutionskritik in Repräsentationskritik. Dieser Trend, der durch Cultural Studies, feministische und postkoloniale Kritik beeinflusst war, setzte sich im Bereich der Institutionskritik so fort, dass er den gesamten Bereich der Repräsentation als öffentlichen Raum verstand, in dem demokratische Formen der Darstellung durchgesetzt werden sollten, zum Beispiel in Form einer unvoreingenommenen und proportionalen Darstellung von Schwarzen oder Frauen. Diese Forderung spiegelte gewissermaßen die Verwirrung auf der politischen Ebene, da der Bereich der visuellen Repräsentation noch weniger im materiellen Sinne repräsentativ ist als eine supranationale politische Organisation. Sie vertritt keine Bevölkerung oder einzelne Subjekte, sondern erschafft sie, sie artikuliert Körper, Affekte und Begehren. Aber so wurde sie nicht verstanden, sondern eher als ein Bereich, in dem Hegemonie erkämpft werden sollte, gewissermaßen eine Mehrheit auf dem Gebiet der Darstellung, um eine Verbesserung in einem diffusen Gebiet zu erreichen, das zwischen Politik und Ökonomie schwankt, zwischen dem Staat und dem Markt, zwischen dem Subjekt als BürgerIn und dem Subjekt als KonsumentIn sowie zwischen Vertretung und Darstellung. Da Kritik keine klaren Antagonismen auf diesem Gebiet mehr erzeugen konnte, begann sie, es zu fragmentieren und zu spalten sowie Formen der Identitätspolitik zu begünstigen, die wiederum zur Fragmentierung von Öffentlichkeiten, Märkten, zur Kulturalisierung von Identität usw. führten.
Diese Repräsentationskritik verwies auch auf einen andern Aspekt, nämlich die Lockerung der scheinbar stabilen Beziehung zwischen der Kulturinstitution und dem Staat. Zum Nachteil der InstitutionskritikerInnen dieser Periode erlangte auch in diesem Feld ein rein symbolisches Modell der Repräsentation die Vorherrschaft. Institutionen behaupteten nicht mehr länger, den Nationalstaat und seine Bevölkerung materiell zu vertreten, sondern beanspruchten nur noch ein Mandat symbolischer Darstellung. Während man daher also sagen könnte, dass die früheren InstitutionskritikerInnen entweder in die Institution integriert wurden oder nicht, muss man das Fazit ziehen, dass die InstitutionskritikerInnen der zweiten Generation nicht in die Institution integriert wurden, sondern in die Repräsentation als solche. Durch diese Kritik wurde wiederum ein janusköpfiges Subjektmodell erzeugt. Dieses Subjektmodell war an mehr Diversität in der Repräsentation interessiert, es war weniger homogen als sein Vorgänger. Aber indem es versuchte, diese Diversität zu erzeugen, erschuf es auch Nischenmärkte, spezialisierte Konsumentenprofile und ein allgemeines Spektakel der „Differenz“ – ohne allzu viel an struktureller Veränderung zu bewirken.
Aber welche Bedingungen herrschen heute vor, in einer Periode, die wir vorläufig möglicherweise als Erweiterung der zweiten Periode der Institutionskritik betrachten können? Künstlerische Strategien der Institutionskritik sind immer komplexer geworden. Sie haben sich glücklicherweise weit über das ethnographische Bedürfnis hinausentwickelt, planlos unterprivilegierte oder auch nur in irgendeiner Weise ungewöhnliche Personengruppen in Museen hineinzuzerren, ob sie nun wollen oder nicht – bloß um ihrer „Repräsentation“ willen. Sie umfassen detaillierte Untersuchungen, wie zum Beispiel Alan Sekulas Serie Fish Story, die eine Phänomenologie neuer kultureller Industrien wie etwa des Bilbao Guggenheim mit Dokumenten anderer institutioneller Beschränkungen verbindet – zum Beispiel jener, die von Organisationen wie der WTO oder anderen verhängt werden. Sie haben gelernt, auf dem schmalen Grat zwischen dem Lokalen und dem Globalen zu balancieren, ohne entweder ins indigenistische und ethnographisch Bornierte abzurutschen oder aber auf der anderen Seite unspezifisch und snobistisch zu werden. Unglücklicherweise kann dies von den meisten Kulturinstitutionen, die auf dieselbe Herausforderung reagieren müssen, nicht gesagt werden. Diese müssen sich sowohl innerhalb eines nationalen Kulturbereichs als auch in einem zunehmend globalisierten Kulturmarkt behaupten.
Wenn sie aus der ersten Perspektive betrachtet werden, sieht man, dass sie unter den Druck nationalistischer, nativistischer und indigenistischer Forderungen geraten. Wenn sie aber aus der zweiten Perspektive betrachtet werden, stellt sich heraus, dass sie auch von Seiten einer neoliberalen Institutionskritik unter Druck gesetzt werden, das heißt unter den Druck des Marktes. Das Problem ist jetzt – und dies ist eine weit verbreitete Haltung –, dass sie, wenn sie unter den Druck des Marktes geraten, versuchen, sich auf eine Position zurückzuziehen, die behauptet, dass es die Aufgabe des Nationalstaates sei, sie am Leben zu erhalten und weiterzufinanzieren. Das Problem dieser Position ist, dass sie letztendlich protektionistisch ist, dass sie den Fortbestand eines national definierten Kulturbereichs fördert und dass in dieser Perspektive Kulturinstitutionen nur im Rahmen einer neuen linken Haltung verteidigt werden können, die versucht, sich in die Ruinen eines demolierten nationalen Wohlfahrtsstaates und seiner kulturellen Hülsen zurückzuziehen und diese gegen alle Eindringlinge zu verteidigen. Das bedeutet, dass sie letztendlich versucht, sich aus der Perspektive ihrer anderen Feinde, nämlich der nationalistischen und protektionistischen InstitutionskritikerInnen zu verteidigen, die sie in eine Art sakralen Ethnopark verwandeln wollen. Aber es gibt kein Zurück zum alten fordistischen nationalstaatlichen Protektionismus mit seinem kulturellen Nationalismus, zumindest nicht in emanzipatorischer Perspektive.
Auf der anderen Seite, wenn die Kulturinstitution von dieser nativistischen und indigenistischen Position aus angegriffen wird, versucht sie auch, sich durch die Berufung auf allgemeine Werte wie die Redefreiheit oder den Kosmopolitismus der Kunst zu rechtfertigen, Werte, die nicht nur völlig abgegriffen sind, sondern auch so gründlich in Form von Schockeffekten oder der Zurschaustellung genießbarer kultureller Differenz verdinglicht wurden, dass sie außerhalb dieser Form der Verdinglichung kaum noch aufzufinden sind. Oder sie kann auch ganz ernsthaft versuchen, einen öffentlichen Raum unter Marktbedingungen herzustellen, etwa durch massive temporäre Kritikspektakel, die, sagen wir, zum Beispiel von der Bundeskulturstiftung finanziert werden. Aber unter den herrschenden ökonomischen Bedingungen ist der Haupteffekt die Integration der KritikerInnen in die Prekarität, in flexible Arbeitsstrukturen, in temporäre Projekte und Neue Selbstständigkeit innerhalb kultureller Industrien. Im schlimmsten Fall sind diese Kritikspektakel auch nur die Dekoration eines ökonomischen Kolonialismus, wie etwa jenem in Osteuropa, durch dieselben Institutionen, die in diesen Gebieten auch die Konzeptkunst fördern.
Wo also die erste Welle der Institutionskritik Integration in die Institution (oder auch nicht) produzierte, gelang der zweiten Welle höchstens die Integration in die Repräsentation. Aber in der dritten Phase scheint die einzige Integration, die leicht errungen werden kann, jene in die Prekarität zu sein. Und in diesem Sinne können wir jetzt eine Antwort auf die Frage geben, was die Funktion von Institutionskritik heute ist: Während kritische Institutionen durch neoliberale Institutionskritik abgebaut werden, produziert die Institution der Kritik heute ein ambivalentes Subjekt, das multiple Strategien entwickelt, um mit seiner Entortung umzugehen. Auf der einen Seite wird es an die Anforderungen immer prekärerer Lebensbedingungen angepasst. Auf der anderen Seite scheint es selten mehr Bedarf nach Institutionen gegeben zu haben, die mit den neuen Bedürfnissen und Begehren umgehen könnten, die dieses neue kollektive Subjekt erfinden wird.