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01 2013

Wiederaufnahme-Modifizierung bzw. heterolinguale und heterophone Intertextualität in einigen von „Rapper_innen“ geschriebenen und performten Texten

Amina Bensalah / Myriam Suchet

Übersetzt von Birgit Mennel

„Es war einmal …
In jenen unvordenklichen Zeiten unserer Zivilisation, als es an schönen Klängen noch gänzlich mangelte, wird Frankreich entzweit und gespalten … Eine Bande von Tchos, Jungs, die von woanders herkommen, aus fernen Gegenden, aus den Ländern der Kohleminen und der schmutzigen Straßenpflaster, kommt mit einem mysteriösen Sound daher: Eine Musik, die sie für ein warmes Essen öffentlich zu spielen bereit sind. So finden wir uns also um den Tisch versammelt. In der Gruppe sind Verrückte mit Verbrechergesichtern, die viel sprechen, die zu viel sprechen! Sie sprechen von populärer Musik und vom tiefen Frankreich, während mir diese beiden da, unter uns gesagt, nicht allzu französisch scheinen! Das Volk verliert rasch den Verstand. Wie könnte es anders, wo es doch so oft getäuscht und betrogen wurde? Sei’s drum, nach einem gargantuesken Rülpser sagt einer von den Reisenden die barbarische Zauberformel „el-hamdoulillah“; was das wohl bedeutet? Danach fangen sie jedenfalls zu spielen an …“

(Ministère des Affaires Populaires, Intro zum Album Debout là d’dans
[Ministerium für populäre Angelegenheiten, Intro zum Album Da drin stehend])

Ziel des Workshops, den das eipcp im Rahmen der Laboratoires d’Aubervilliers organisierte, war es, die beiden herrschenden Modelle einer europäischen Sprachpolitik – den Monolingualismus wie auch dessen vorgeblichen Gegner, den Multilingualismus – zu überwinden und sich stattdessen auf das Konzept der heterolingualen Übersetzung zu stützen. Der dreitägige Workshop sollte dazu dienen, die Begriffe „Heterolingualismus“ und „Übersetzung“ zu diskutieren und zu präzisieren. Das während des Workshops diskutierte Thema der Übersetzung richtete sich nach und nach auf die Frage der Wiederaufnahme-Modifizierung[2] als dialogischem Prozess; ein Prozess, der konstitutiv ist für jedes In-Worte-Fassen und jeden Diskurs, egal um welche Gattung es dabei geht. Das Nachdenken über die verschiedenen, von den Workshop-Teilnehmer_innen vorgeschlagenen Materialien (Filme, Lieder, Performances, geschriebene Texte), betonte die grundlegende Heterogenität des Wortes, die in unserem Weltbezug und in unserer Beziehung zu anderen verwirklicht wird. Sie unterstrich die Funktion des Wortes hinsichtlich der Semiotisierung des Denkens. Von „Wiederaufnahme-Modifizierung“ zu sprechen, bedeutet also, daran zu erinnern, dass die Grenzen einer Sprache nicht unbedingt natürliche Gegebenheiten sind, sondern vielmehr Konstruktionen, die im und durch den Diskurs realisiert werden. Bezieht man diesen Standpunkt, so kann man mit Rainier Grutman annehmen, dass „es so etwas wie die eine, unteilbare Saussure’sche Sprache nicht gibt, sondern lediglich diatopische Varietäten (die Dialekte), diastratische Varietäten (die Soziolekte), diaphasische Varietäten (die Register) und diachronische Varietäten (die Zustände der Sprache)“[3]. Es ist sogar möglich, sich der Zwangsvorstellung eines authentischen und in sich stimmigen Ausdrucks zu entledigen, um mit François davon auszugehen, dass „die Sprache ein Maske ist“.[4] Die bewusst als Wiederaufnahme-Modifizierung verstandene Übersetzung fordert einen theoretisch-praktischen Zugang. So hält denn auch Meschonnic fest: „Wir brauchen eine Theorie der Textübersetzung, die keine spekulative Aktivität ist, sondern eine theoretische Praxis.“[5]

Wir haben uns dazu entschieden, den Begriff des Heterolinguismus[6] ausgehend von Texten zu untersuchen, die von „jungen“ Rapper_innen geschrieben und performt wurden, und zwar insbesondere von Rapper_innen mit maghrebinischem Migrationshintergrund.[7] Wir haben unsere Analyse absichtlich auf einige Beispiele beschränkt und wollen nicht vorgeben, der Gesamtheit des Phänomens, das man „Rap“ nennt, Rechnung zu tragen. Wir berücksichtigen soweit als möglich nicht nur die textuelle, sondern auch die performative Dimension der ausgewählten Lieder. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die Präsenz von zwei und sogar mehr Sprachen inszenieren. Die Haltung, die diese Rapper_innen zum Ausdruck bringen, fordert uns dazu auf, aus einem soziologischen und nicht aus nur einem linguistischen Gesichtspunkt gegen eine ganze Reihe von stereotypisierten Diskursen über „die Jugendsprache“ und die soziolinguistischen Realitäten „der Banlieue“[8] anzuschreiben.

Die Sichtbarkeit von Sprachen als „andere“[9]

Die Wahl unseres Korpus richtete sich anfänglich auf Texte und Performances, in denen eine Sprache auf spektakuläre Weise als „andere“ inszeniert wird. Rainier Grutman definiert den Heterolinguismus als „Präsenz von wie auch immer gearteten fremden Idiomen sowie von (sozialen, regionalen oder chronologischen) Varietäten der Hauptsprache in einem Text.“[10] Das heißt, die hier analysierten Lieder übersetzen nicht: Sie erzeugen vielmehr eine Reibung zwischen den Sprachen, anstatt die eine durch die andere zu ersetzen.

Wenn sprachliche Einheiten oder Brocken als „andere“ erfassbar werden, weil ihre Konstruktion in Opposition zu anderen Sprachen verläuft, dann kann man unmöglich vorgeben, die jeweiligen Bereiche von Sprachen ließen sich rigoros abstecken. Tatsächlich lassen sich diese Sprachen weder auf die Repräsentation eines anderen Diskurses (etwa in wiedergegebenen Äußerungen) noch auf die Grenzen von instituierten (nationalen oder dialektalen) Kodes reduzieren. Anders gesagt, „fremde“ Sprachen können weder systematisch „anderen“ Sprecher_innen zugeschrieben werden, noch sind sie einfach zu identifizieren. Die Bedeutung, die der Sichtbarkeit einer Sprache als anderer und damit dem zukommt, was sie bei der Rezipient_in auslöst, lädt eher dazu ein, von heterolingualer Adressierung statt von Heterolinguismus zu sprechen. Die Dimension der Adressierung hat den Vorteil, dass sie nicht identische Kodes und auch nicht die Transparenz einer Sprache zur Voraussetzung hat.[11]

In kollektiven Performances können Sprachen auf verschiedene Künstler_innen verteilt sein. So singt etwa Sniper in „Entre deux“ [Zwischen zwei] hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, auf Französisch, Leila Rami auf Arabisch.[12] Der Titel verweist auf eine Situation radikaler Äußerlichkeit, in der Exklusionsdiskurse beider Seiten wiederhallen. Durch das wiederholte Aufgreifen von „qalouli 3erbi“ / „qalouli roumi“ [man hat mich Araber / Franzose „genannt“] in dem von Leila Rami gesungenen Refrain wird betont, dass es die Rede der anderen ist, welche die Identität aufzwingt. Die Kopräsenz beider Sprachen – Arabisch und Französisch – produziert einen Riss zwischen zwei von außen auferlegten Identitäten.

Die Performance macht es möglich, eine Sprache, die nicht fremd ist, als fremde auszugeben. Das Lied „La Maman“ der Gruppe HK & les Saltimbanks überlässt das Wort fiktiv der Mutter, die französisch spricht, aber mit einer „falschen“ phonetischen Artikulation (la boulice, li biTises = la police, les bêtises [die Polizei, die Dummheiten]) sowie „fehlerhaften“ syntaktischen Wendungen (faut pas chercher complication / j’occupe de toi tous les jours [Schwierigkeiten darf nicht suchen / ich kümmere um dich jeden Tag]). Das lässt vermuten, dass es vielleicht darum geht, die Sprache der anderen für ein französisches, nicht arabisch-sprachiges Publikum hörbar zu machen, und zwar unter dem Französischen oder durch es hindurch.

Die andere Sprache kann indizienhaft präsentiert werden und die Rede ein und derselben Sprecher_in ausschmücken; diese kann die anderen so auf Distanz halten – wie etwa in „Des youyous dans ma mairie“ [Ululationen[13] in meinem Rathaus] von Axiom und MAP. Dieses Lied stellt im Refrain einem „Wir“ eine Reihe von Begriffen gegenüber, die alle auf derselben Fremdheitsskala rangieren: „Dans ma mairie ya des fat’mas et des youyous / Des foulards, des babouches et des bousbous / Des Voyous, des Zoubida, des Mamadous / Au s’cours, on n’est plus chez nous!“ [In meinem Rathaus gibt’s Fatmas und Ululationen / Kopftücher, Lederpantoffeln und Bubus / Schurken, Zoubidas und Mamadous / Hilfe, wir sind nicht mehr bei uns!]. Die andere Sprache kann sich aber auch eines Code-Switchings bemächtigen, um auf diese Weise einen Dialog vernehmbar werden zu lassen. „Lille ma Médina“ [Lille, mein Medina], auch von Axiom, inszeniert nacheinander drei Generationen von Emigrant_innen und präsentiert Varianten eines Zugehörigkeitsgefühls, das vom Großvater Mohamed („J’vais choisir la fille la plus Mgedda, p’t-être pas la plus zwina / Loin de Lille, Lille la médina“ [Ich werd’ mir das beste Mädchen nehmen, vielleicht nicht die Hübscheste / Weit weg von Lille, Lille die Medina]), über den Vater Hicham („Je choisirai p't-être pas la fille la plus zwina / Mais elle sera de Lille, Lille ma médina!“ [Ich werde vielleicht nicht das hübscheste Mädchen nehmen / Aber sie wird aus Lille sein, aus Lille, meine Medina]) zum noch nicht geborenen Enkel Tarek reicht („Et j'choisirai la femme la plus zwina / Loin d'cette maudite ville, Lille la médina!“ [Und ich werde die hübscheste Frau nehmen / Weit weg von dieser verdammten Stadt, Lille die Medina]). Das Adjektiv „zwina“ (hübsch, nett) und das Wort „Médina“ – je nachdem ob ihm die Determinante „die“ oder „meine“ vorangestellt ist – zirkulieren, sodass sie nicht nur den Lebensverlauf eines jeden Einzelnen betonen, sondern zugleich auch die sie trennende Distanz. Diese „anziehenden“ Wörter, die aus dem Arabischen aufgegriffen werden, haben an sich die Kraft zur Verdichtung der Art und Weise, wie die Welt bewohnt wird; sie zeichnen ein subtiles Bild nicht nur von den geographischen Verlagerungen, sondern auch von den Denkbewegungen.

Die Unterschiede in den Kodes und Identitäten werden nicht gelöscht. Die Lieder greifen auf dritte Kodes zurück, wie beispielsweise den Verlan[14]* oder das Englisch in „Entre deux“: „v’la l’étranger dans le saloon“ [Da is ‘nen Fremder im saloon] sowie etwas später „te-trai* sont des zin-cous* pas de peace“ [Verräter sind Cousins, kein peace]. „Des youyous dans ma mairie“ bildet heterolinguale Wortspiele aus: „Ils mettent la mairie sens dessus-d’souks“.[15] 

Diese (zu) kurze Typologie lässt zumindest zwei Schlussfolgerungen zu: Diese Lieder widersetzen sich erstens jeder monolingualen Voraussetzung, indem sie Subjekte vernehmbar werden lassen, für die Koexistenz verschiedener Sprachen/Kulturen die Norm ist. Wird die Frage der Identität in binären Begriffen (entweder-oder) aufgeworfen, so ist im Gegenzug die Frage nach „der Sprache“ keine ausschließende. Zweitens kann gefolgert werden, dass die Frage nach der Wahl „der Sprache“ in Wirklichkeit an die Problematik der Wiederaufnahme-Umformulierung des bereits Gesagten rührt. Weder geht es darum, den Heterolinguismus (die Verschiedenheit von Sprachen) auf eine Heterophonie (Verschiedenheit von Stimmen)[16] zu reduzieren, noch auch darum, die fremde Sprache und das Sprechen der anderen systematisch zu identifizieren; und noch weniger darum, das Wechseln von Codes durch einen Wechsel der Stimme zu begründen. Vielmehr soll gezeigt werden, dass die heterolinguale Adressierung das Rauschen des Interdiskurses vernehmbar werden lässt.

Unter dem Gesichtspunkt der Kreativität zeigen diese Texte auf „praktische“ Weise eine Intertextualität, die durch die Wiederaufnahme-Modifizierung von Sprachen und Diskursen möglich wird. Dies reicht darüber hinaus, was uns eine Theorie der Übersetzung denken lässt.

Der Interdiskurs: Hintergrund der Heterophonie

Ganz gleich ob die „andere“ Sprache anderen zugeschrieben wird, ob sie durch die Mimik oder den Akzent aktualisiert oder in Erinnerung gerufen wird – in allen diesen Fällen kann man ein Ergreifen des Wortes beobachten, das von einem bereits bestehenden Diskurs seinen Ausgang nimmt. Diese Rede, dieses Ergreifen des Wortes manifestiert sich hier als Ort, als eine Aussageninstanz, im Hinblick auf die der Ursprung, die Intention und das Thema des Diskurses kaum unterschieden werden können. Das Geschlecht des sprechenden Subjekts ebenso wie die Gerichtetheit seiner Adressierung gehen über die Sprachfrage hinaus. Der im starken Wortsinn polyphone Diskurs setzt sich größtenteils aus wiederaufgegriffenen mündlichen oder schriftlichen Diskursen zusammen, die vor allem über die Medien zirkulieren. Diese Diskurse, die zunächst von „autorisierten“ Stimmen produziert werden, welche Teil einer diskursiven Formation politischer Ordnung sind, werden durch die Stimme der jungen Rapper_innen wieder aufgegriffen und in Form von Kritik und Ironie an jene zurückgegeben, die sie in Umlauf gebracht haben. Dieser performative Akt widersetzt sich dem, der diskriminierende Grenzen zwischen den Sprachen und den Kulturen aufrichtet und dadurch nicht nur die Bedingungen seiner Rezeption schafft, sondern auch einen Hörer_innenkreis, der es versteht, zuzuhören. Das wird etwa im Text von „La Maman“ deutlich, in dem der Rapper/Erzähler wie in einem Roman Dialoge und Kommentare mehrerer Protagonist_innen (Mutter, Präsident, Polizei, …) im selben diskursiven Raum anordnet:

La maman elle a parlé, elle a bien parlé,
et tout l’monde il applaudit.
La maman elle a parlé, elle a bien parlé.

„Ya mon fils a la télé, le président il a parlé,
la dit c’est pas bien le chômage, tous les jeunes i doivent travailler,
la dit faut faire du nettoyage, en France ya trop d'étrangers.
Ya mon fils t’as vu j'avais raison, quand j’te dit faut faire attention.
Moi j’dis ici on n’est pas chez nous, faut pas chercher complication,
et si tu fais li 400 coups, ça oui i vont t’renvoyer dans l'avion.
Ya mon fils ya la boulis elle est venue à la misou, elle a dit Tafidibitiz
Qu’t’es un mouvi garçon Ti vas y aller à la prison
Ya mon fils j’comprends pas, Moi j’tai donné toujours d’l’amour
J’occupe de toi tous les jours, Pourquoi la boulis vient chez moi
J’occupe de toi tous les jours, Pourquoi la boulis elle parle comme ça?“
La police elle a parlé,  elle à pas bien parlé, ils ont pas dit pas „sivous pli“.

 

Mama hat gesprochen, sie hat schön gesprochen und alle haben applaudiert.
Mama hat gesprochen, sie hat schön gesprochen.
„Da is mein Sohn, im Fernsehen hat der Präsident gesprochen,
er hat gesagt, Arbeitslosigkeit ist nicht gut, alle Jungen hier müssen arbeiten,
er hat gesagt, man muss hier ausmisten, in Frankreich gibt es zu viele Ausländer.
Da is mein Sohn, siehst du, ich hatte Recht, als ich dir sagte, muss aufpassen,
Ich sagte, hier sind wir nicht bei uns, Schwierigkeiten darf nicht suchen,
und wenn du Dummheiten machst, dann ja, werden sie dich im Flugzeug zurückschicken.
Da is mein Sohn, da is die Bolisei, sie ist zum Haus gekommen, sie hat gesagt, ‚Duhastscheißgebaut;
Du bist ein schlechter Junge, Du wirst ins Gefängnis gehen.‘
Da is mein Sohn, ich versteh nicht, ich hab dir immer Liebe gegeben;
Ich kümmere dich jeden Tag, Warum kommt die Bolisei zu mir
Ich kümmere dich jeden Tag, Warum redet die Bolisei so?“
Die Polizei hat gesprochen, sie hat nicht schön gesprochen, sie haben nicht „Bitte“ gesagt.

Heterolingualität bezeichnet hier das Vorhandensein einer (im Sinne Foucaults verstandenen) Aussage unterhalb der Sprache. Sie birgt eine Art Selbstübersetzung bzw. ein Futter, das zugleich präsent und versteckt ist (wie das Futter eines Mantels); sie unterfüttert und formt also den offensichtlichen, äußeren Text. Wir haben es hier mit einem doppelseitigen diskursiven Gewebe zu tun; mit einer doppelten, nicht identischen Realität, die ein und demselben Modell folgt, aber nicht mit ihm verschmilzt.

Der Intertext kann identifizierbar sein, wie bei Axioms Lied „Ma Lettre Au President“ [Mein Brief an den Präsidenten], das den Refrain eines Liedes von Boris Vian[17] wieder aufgreift: „Monsieur le Président, je vous écris une lettre, une lettre que vous lirez peut-être / Monsieur le Président, je vous écris une lettre, Dans les rues, la sixième république vient de naître“ [Herr Präsident, ich schreibe ihnen einen Brief, einen Brief, den sie vielleicht lesen werden / Herr Präsident, ich schreibe Ihnen einen Brief, Auf den Straßen entsteht die 6. Republik“]. Die Quelle kann anonym bleiben, ohne dass das intertextuelle Funktionieren davon berührt würde, da die Zuhörer_in dazu aufgefordert wird, die Präsenz eines Hypertextes anzunehmen – wenn jener auch unbekannt bleiben muss.[18]

Jedes dieser Lieder ist in der Lage, eine wiederkehrende Wiederaufnahme-Modifizierung zu produzieren, durch die es sagt: „Du, andere – ich gebe dir deinen Diskurs, deine Wahrnehmung und deine Vorurteile zurück; ich spiele mich damit und ich genieße es“. So beginnt „Des youyous dans ma mairie“ mit dem weiter oben bereits zitierten Refrain, ehe eine sofort diskreditierte elterliche Stimme vernehmbar wird:

Fichtre ma fille va épouser un moricaud le coq crie „youyou“ au lieu de „cocorico“
elle s'est mise en tête de se convertir aux joies de l'autre camp
j'aurais encore préféré que ce soit un mariage blanc et je les vois on dirait des gitans“

„Verdammt, meine Tochter heiratet einen Dunkelhäutigen / der Hahn kräht ‚Ululationen‘ anstatt ‚Kikerikis‘ / sie hat es sich in den Kopf gesetzt, zu den Freuden des anderen Lagers zu konvertieren / ich hätte eine Scheinhochzeit noch vorgezogen / und ich sehe sie, so könnte man sagen, als Zigeuner.“

Die Ironie der Modifizierung des Hahnenschreis, Symbol eines gewissen Franzosentums, die Ironie des Wortspiels über die „weiße“ Hochzeit[19] (ein wenig weiter unten: „Dans ma mairie y a des mariages entre blancs et même entre gris“ [In meinem Rathaus gibt’s Hochzeiten zwischen Weißen und sogar Grauen“][20]) sowie das Amalgam aller „Fremden“ (Ululation/Zigeuner) dient dazu, den Diskurs aufzuladen, um die Gewalt zurückzugeben. Neben dem gewöhnlichen Rassismus hört man von den Medien übertragene, beleidigende Aussagen politischer Persönlichkeiten anklingen – im gegebenen Fall die „Rede von Orléans“[21] von Jacques Chirac: „Wir werden von Eingeborenen aus dem Busch überflutet.“ Die in die Protestrede aufgenommene Ironie greift durch die Aussagen und die Stimme die Rede des anderen ebenso auf wie ihre Verhöhnung, um beides in einem anders und neu kontextualisierten Diskurs zurückzugeben.

Die Gewalt wird also erwidert; gleichzeitig soll gezeigt werden, dass man mit einem anderen Blick, mit dem Blick der anderen sehen kann. Mehr noch, es geht darum, eine Stimme vernehmbar zu machen. Bachtin hat das sehr schön verdeutlicht: „Bis zu diesem Moment der Aneignung befindet sich das Wort nicht etwa in einer neutralen und unpersönlichen Sprache (der Sprecher entnimmt das Wort ja nicht dem Lexikon), sondern in einem fremden Mund, in fremden Kontexten, im Dienst fremder Intentionen: Von dort muss man es nehmen und sich zu eigen machen“[22] Wenn es auch wahr ist, dass sich jede Rede einen Weg bahnen muss, um sich vom Grund des Interdiskurses abzuheben, dann ist diese Aufgabe für all jene besonders schwierig, die nicht von einer Aussagesituation profitieren, die als legitim gilt. Sniper findet in „Entre deux“ offenbar keinen Raum der Legitimität, um zu sprechen und sich zu äußern – weder in Frankreich, seinem „Herkunftsland“, noch auch im „Bled[23], wo man ihn fragt, wer er ist, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, zu sprechen („chaque été dès que tu m’vois, tu dis ‚chkoune‘“ [Jeden Sommer, sobald du mich siehst, sagst du: Wer ist das?[24]]). 

Das Imaginäre der Sprachen

Wenn man das Heterolinguale im Interdiskurs, in der Polyphonie und in der Intertextualität einander zurecht annähert, dann kann es hilfreich sein, das Imaginäre „der Sprache“ nicht zu verschweigen. In einem Land, das im Jahr 1992 den Artikel 2 seiner Verfassung durch einen Verfassungszusatz dahingehend ergänzt hat, dass „die Sprache der Republik Französisch ist“, kann es nützlich sein, mit Henri Meschonnic Folgendes in Erinnerung zu rufen:

„Von einer Sprache, von jeder Sprache hat man nichts anderes als Diskurse zur Verfügung. Diese Binsenweisheit muss ausgesprochen werden, auch auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen – aber das Genie und die Klarheit des Französischen rufen uns in Erinnerung, dass ein solches Unterfangen nicht nutzlos ist: dass sich eine Sprache und der Diskurs in ihrer Existenzweise radikal unterscheiden.“[25]

Der Titel des Buchs Les céfrans* parlent aux français[26] [Die Sofranzen sprechen mit den Franzosen] sagt deutlich, dass es niemals sicher ist, welches Französisch man spricht, wenn man Französisch spricht. In einem 2005 auf der Website Aujourd’hui le Maroc [Heute Marokko] veröffentlichten Artikel analysiert Aziz Daki die Verfertigung von Vorurteilen mittels „der Sprache“:

Jedes Mal, wenn die westlichen Fernsehsender über Attentate, Geiselnahmen oder Tötungen durch Durchschneiden der Kehle berichten, blenden sie arabische Schriftzeichen ein. […] Die Wiederholung macht den Ruf. Dadurch dass das Arabische mit Tod, Attentaten und zerstückelten Körpern in Verbindung gebracht wird, verleihen ihm die Fernsehsender nicht nur den Ruf einer gewalttätigen Sprache, sondern machen es beinahe zu einer Anapher für alles Unheilvolle, Archaische und Barbarische dieses Jahrhunderts.“[27]

Ganz gleich ob man dem Autor recht gibt oder nicht, man kann nicht leugnen, dass ein bestimmter medialer Diskurs ebenso wie ein bestimmter sozialer Diskurs diese oder jene Sprache willentlich als Sprache mit diesen oder jenen, intrinsischen Merkmalen abstempeln. Wie verhält es sich damit in unserem Korpus?

Die hier untersuchten Texte von Rapper_innen betonen mehr als einmal den traumatischen Moment eines Bruchs zwischen der ersten Form der Anerkennung, der Gabe der Liebe (insbesondere der Mutterliebe), und der Begegnung mit dem äußeren Milieu, in erster Linie der Schulinstitution.[28] Die Schule wurde von Said (MAP) und Magyd Cherfi[29] als Ort der Internalisierung von Erniedrigung sowie des Zusammenbruchs von positiven Repräsentationen erlebt, die sich die Eltern erarbeitet und die sie an ihre Kinder weitergegeben haben. Dieser traumatische Bruch, der im Allgemeinen zu schulischem Scheitern und Exklusion führt zu einem weiteren, noch traumatischeren Bruch, nämlich eines Liebesverlusts. Das Kind findet sich enteignet in einem „Nirgendwo“. Beide Seiten bezeichnen es als unfähig. Sowohl die Gabe der Anerkennung durch Liebe wie auch die Gabe der Anerkennung eines Subjekts als fähiges Subjekt werden aufgehoben.[30] Das ist es, was unter anderen HK & les Saltimbanks in „La Maman“ in Worte fassen:

„Mein Sohn, ich versteh nicht / ich hab dir immer Liebe gegeben / Ich kümmere um dich jeden Tag / Warum kommt die Bolisei zu mir / Ich kümmere um dich jeden Tag / Warum redet die Bolisei so?“ 

Und auch im Lied „Lille ma Médina“ von Axiom findet sich dieses Motiv:

„à la maison on parle l'arabe et en dehors le français / Je suis l'fils de Mohamed, à l'école, faut toujours qu'j'sois le premier / Ma mère aurait voulu qu'j'sois docteur / Je suis l'aîné donc tu vois, j'ai pas l'droit à l'erreur / Mais savait-elle comment on nous parlait dehors ?!“

„zuhause spricht man arabisch und draußen französisch / Ich bin Mohameds Sohn, in der Schule muss ich immer der Beste sein / Meine Mutter hätte gewollt, dass ich Arzt werde / Ich bin der Älteste, darum hab ich kein Recht auf Fehler, verstehst du / Aber hat sie gewusst, wie man draußen mit uns spricht?!“

Die Lieder lassen das Verhältnis zur Schule bewusst als Trauma verstehen und legen eine schwierige Beziehung zu den anderen und zu „der Sprache“ nahe. „Lille, ma Médina“ erinnert die zweite Generation („Je suis l'fils de Mohamed, à l'école, faut toujours qu'j'sois le premier“ [Ich bin Mohameds Sohn, in der Schule musste ich immer der Beste sein]) und die dritte Generation („J'suis en privé, j'travaille bien à l'école“ [Ich bin in einer Privaten, ich arbeite fleißig in der Schule]) an die Schule. Das Lied „Déraciné“ [Entwurzelt] von Tounsy ist noch expliziter, wenn es um die Einstellung gegenüber einer grammatikalisierten und institutionalisierten Sprache geht: „c’est triste j’ai dû apprendre sa grammaire“ [Es ist traurig, dass ich ihre Grammatik lernen musste]. Man könnte hier noch viele weitere Beispiele anführen.

Trotzdem taucht weder in den Texten noch auch in den Performances die Idee eines „Genies“ der Sprache auf; ebenso wenig wie sich eine Vorliebe für „die Muttersprache“ zeigt – eine Trope, die in vielen Diskursen leicht ideologisch wird, einschließlich jenes Diskurses, den Louis-Jean Calvet und Lia Varela als „sprachpolitisch korrekten“[31] bezeichnen.

Für eine heterophone Rezeption. Noch eine Anstrengung!

Der Zuhörer_in und mehr noch der Kritik_in wird zweifellos die Anstrengung abverlangt, nicht feindselig auf den Verschlüsselungseffekt zu reagieren, den diese heterolingualen Adressierungen zu produzieren imstande sind. „Entre Deux“ ist für nicht arabisch sprechende Französischsprachige nur ansatzweise verstehbar. Man kann sich das Lied trotzdem anhören, unter der Bedingung, dass man nicht alles zu verstehen versucht, und dass man vor allem auf eine Weise zuhört, die mit dem vergleichbar ist, was Glissant „Das Imaginäre der Sprachen“ nennt. Voraussetzung dafür ist nicht das Beherrschen einer mehr oder weniger großen Zahl von Sprachen, sondern die Bereitschaft, im Netz zu denken:

„Wenn ich von Multilingualität spreche, erwidert man sehr rasch: ‚Ah! Wie viele Sprachen sprichst Du denn?‘ Es geht gar nicht darum, Sprachen zu sprechen; das ist nicht das Problem. Man kann keine anderen Sprachen sprechen als die eigene Sprache. Es geht vielmehr um die Weise selbst, in der die eigene Sprache gesprochen wird; ob man sie geschlossen oder offen spricht; ob man sie so spricht, dass man die Präsenz anderer Sprachen ignoriert, oder in dem Vorwissen, dass die andere Sprachen existieren und uns beeinflussen, auch wenn man es nicht weiß. Es ist keine Frage der Wissenschaft, der Kenntnis anderer Sprachen; es ist eine Frage des Imaginären der Sprachen. Es geht also folglich nicht um eine Gegenüberstellung von Sprachen, sondern darum sie miteinander zu vernetzen.“[32]

Das Glossar der beiden Alben von Ministère des Affaires Populaires, die uns als Raum der „Übersetzung“ mit Definitionen versorgen, die eine kritische Stoßrichtung haben, ist ein solcher Ort der „Verbindung“, an dem sich das Ch’ti, das maghrebinische Arabisch und das Französische ineinanderfügen. Diese ironischen Definitionen sind auch die Übersetzung eines Gesichtspunkts, einer soziologischen und politischen Lektüre. Mit diesem Glossar verweisen die Autoren indirekt nicht nur die Hegemonie der normierten französischen Sprache, sondern auch auf die von ihr produzierte Marginalisierung der anderen minorisierten und ignorierten Sprachen. Hier einige Auszüge: „Hamdoullah: barbarische Beschwörungsformel, die etwas Ähnliches wie „Gott sei Dank“ oder „Gelobt sei Gott“ bedeuten muss“; „Ch’ti: Ein Indigener aus dem Land der Müllleute und Kohleminen“; „Jenlain: ein Getränk, das nicht halal ist“; „Socialo: eine im Verschwinden begriffene Spezies“; „Manich menna: Ich bin nicht von hier“; „P’tit pouchins: Hühnerbaby auf Ch’ti“; „Salam alayk: arabischer [bougnoulistique[33]] Ausdruck, der soviel bedeutet wie ‚Friede sei mit dir‘“. 

Das ist vielleicht die Gelegenheit, den Glauben an das „Genie“ der Sprachen loszuwerden und sich mit Lüdi zu fragen: „Wann wird es eine Linguistik geben, deren Referenzpunkt und Prototyp, nicht die einsprachige Ideal-Sprecher_in ist, sondern die reale mehrsprachige Sprecher_in-Hörer_in?“[34]

Zwischen dem Gesprochenen und dem Geschriebenen

Wenn die Raptexte auf den ersten Blick zu einer Art gewöhnlicher und alltäglicher Sprache – zu einer ersten Gattung – zu gehören scheinen, dann werden sie durch ihre poetische Ausgestaltung als Text in eine zweite Gattung verwandelt.[35] Dies ist zunächst ihrer performativen und chronotopischen Dimension geschuldet, die zu einem Raum der Äußerung im eigentlichen Sinn gehört. Es rührt aber gleichermaßen aus ihrer medialen Kommunizierbarkeit und ihrer Wiederholbarkeit. Die Gesamtheit dieser „Rap“-Produktion bildet eine Aussage mit, die eine „eigene Existenzmodalität“ hat: „Diese Modalität gestattet ihr, etwas anderes als eine Folge von Spuren zu sein, etwas anderes als ein beliebiges Objekt, das von einem Menschen geschaffen worden ist. Diese Modalität gestattet ihr, im Verhältnis zu einem Objektbereich zu stehen, […] unter anderen sprachlichen Performanzen angesiedelt zu sein, schließlich mit einer wiederholbaren Materialität ausgestattet zu sein.“[36]

Wenn auch in gewöhnlichen und alltäglichen, mündlichen Gesprächen von plurilingualen Subjekten die Vermischung und die Präsenz von verschiedenen Sprachen von einem diskursiven Strom erfasst werden – genauso wie die Diskursbewegungen in einer einzigen Sprache –, dann ist dies nicht der Fall, wenn die Sprache einem Schreibakt unterworfen wird, der Reflexivität und Distanzierung voraussetzt. Im Geschriebenen sind die Veränderung und der Übergang zur anderen Sprache ein Zeichen-Ort. Ihre Autor_in will neben der illokutiven Kraft ihrer Worte auch über deren perlokutive Wirkung und Schicksal bestimmen. Im Verlauf ihrer Bühnenperformance legt sie durch Mimik, Gestik und Interpretation teilweise die Stoßrichtung und den Sinn offen, die mit dem Übergang zur anderen Sprache „angepeilt“ werden.

Das Spiel der Interpretation und die Interpretation des Spiels werden nicht nur durch die Form und den Sinn des Wortes „erwähnt“, sondern rufen auch die anderen Bedeutungssphären des sozialen Lebens in Erinnerung. Diese Sphären – eine Art Ereignisblasen der Geschichte, die sie durchzieht und die sie durchziehen –, rufen dadurch, dass sie in einer anderen Sprache geäußert werden, zwangläufig diejenigen an, die sie hören.

Der Rapper (oder die Rapperin), der (die) den Akt des Schreibens und Singens vollbringt, wird – getrieben durch sein (ihr) Begehren als Bürger_in anerkannt zu werden; dadurch, dass er (sie) sagt, „ich stehe auf und ich spreche (zu euch)“ wird er (sie) zur Interpret_in derjenigen, die selbst keine „Stimme“ haben. In „Des youyous dans ma mairie“ wird der Rap über das Bindeglied eines empfangenen Diskurses über das französische Fußballteam implizit mit Fragen der Repräsentativität in Verbindung gebracht:

„C'est comme cette équipe de France que des noirs et un bougnoule
Ca écoute du rap et ça mange de la semoule

De quel droit du rap massacre la marseillaise oui de quel droit ces voyous représentent la nation française ?“

„Das ist wie mit diesem Team von Frankreich, nur Schwarze und ein Araber [bougnoule]
Es hört Rap und isst Grieß
Mit welchem Recht verhunzt der Rap die Marseillaise, ja mit welchem Recht repräsentieren diese Schurken die französische Nation?“

Die Performance aktualisiert die Texte, indem sie diese an jüngst vernommene Diskurse anpasst. Von einem Konzert zum nächsten werden Variationen eingebaut, die den Umständen des jeweiligen Ortes und Publikums Rechnung tragen.[37] Für diese Rapper_innen ist die Musikbühne nicht nur ein Ort der Performance; sie instituieren sie als eine Tribüne. Ausgehend von diesem Raum erinnern sie auf die eine oder andere Weise an ihre mannigfaltigen Zugehörigkeiten und bekennen sich zu diesen, und zwar vermittels eines Spiels von Sprachen und Sprechweisen, das durch eine Rede als Handlung instituiert wird; eine Handlung, die eine Lebensform sein will.

Indem sie das Wort ergreifen, fordern manche Rapper_innen keinen Künstler_innenstatus; sie wollen einen Platz besetzen und tragen eine Haltung zur Schau, die der einer politische Aktivist_in gleicht: „Ich bin auf der Suche nach einer politischen Identität, und nicht nach einer Identität als Franzose oder etwas anderem“, erzählt uns einer der Rapper der Gruppe MAP, „ich will, dass meine Existenz als Bürger wie jeder andere anerkannt wird.“ Aber nicht nur, denn ihre Rede richtet sich auch an ihre Herkunftsgemeinschaften.

Konstitutive Heterophonie und Heterolingualität

In ihrer Arbeit zu den konkreten Repräsentationsformen des Diskurses der anderen bekräftigt Jacqueline Authier-Revuz, dass kein Diskurs die konstitutive Heterogenität des sprechenden Subjekts sichtbar machen kann: „Das Phantasma der reflexiven Aktualisierung seiner eigenen konstitutiven Heterogenität würde für einen gegebenen Diskurs im Übrigen die Aufhebung der Heterogenität in einem völlig geschlossenen Diskurs bedeuten.“[38] Doch es scheint möglich, in Betracht zu ziehen, dass die analysierten Lieder diese konstitutive Heterogenität des sprechenden Subjekts repräsentieren, wenn sie diese auch nicht vernehmbar machen.

Die in den Rap-Texten eingesetzten sprachlichen Verfahren zeichnen sich in erster Linie durch ihre Intertextualität aus: sprichwörtliche Wiederholungen, feststehende und idiomatische Wendungen, Schreiben nach Art von „historischen Dokumenten“ (wie etwa im Falle des Intros zum Album Debout la-d’dans von MAP, das unserem Text vorangestellt ist), Aufgreifen anderer Liedtexte, Aufgreifen von Worten aus dem gewöhnlichen Arabisch, von Textpassagen auf Spanisch oder von festen Ausdrücken auf Englisch. All das spielt sich im Wesentlichen im Modus des „als ob“ ab, ein Verfahren, das zu einem doppelt metaphorischen Dialog auffordert.

Die Schöpfer_innen dieser Texte setzen ständig auf die Veränderung des Blickwinkels, auf die Veränderung von Form und Sinn. Sie fordern uns also dazu auf, unterhalb der Wiederaufnahme-Modifizierung einer feststehenden Formulierung das Auftauchen von neuen Sinngebilden zu sehen und zu hören. Das diskursive Gewebe dieser Texte nimmt Anleihe bei Formen und Sinngehalten anderer Formen von Literatur und Semiotik und ist tatsächlich grundlegend dialogisch und heterophon. Die Wiederaneignung dieser bereits existierenden Diskurse und ihr neuerlicher Einsatz im Rahmen von verbalen Rap-Performances – als Gattung und soziale Praxis – über eine heterolinguale Intertextualität führt dazu, dass diesen „fremden Worten“, diesen, wie Bachtin sagt, „bereits besetzten Worten“, ein Aufschub gewährt wird. Denn an ihrem Horizont steht eine Öffnung, ein Raum der Erwartung, den die heterolinguale Intertextualität zugleich affirmiert und modifiziert.

Heterolinguale Adressierung und Dialog mit Gleichgestellten

Die ironische Intention, die sich zwischen Humor und Infragestellung bewegt und die den verschiedenen Rapper_innen gemeinsam ist, verleiht ihrem Nachdenken eine beharrliche Reflexivität; diese verläuft vom Selbst zum Selbst und vom Selbst zur Anderen und ist so eine Manifestation ihrer Positionierung zwischen einem Innen und einem Außen, von der das Sprachspiel Zeugnis ablegt.

Was an diesen Texten auffällt, ist die reflexive Dimension ihrer Rede; sie lässt darauf schließen, dass sie sich der Tatsache sehr bewusst sind, dass die natürliche Bewegung von in Beziehung gesetzten Sprachen und Kulturen in deren gegenseitiger Transformation besteht. Sie wissen auch um den Effekt, der – unter einem sozio-politischen Gesichtspunkt – daraus resultiert, dass die mit anderen Privilegien verbundene, herrschende Sprache aufgezwungen wird. Darum sprechen sie nicht von einer Verweigerung dieser Sprache, sondern davon, sich dieser Sprache ganz im Gegenteil zu bemächtigen und sie beherrschen zu wollen, um „wach zu bleiben“ und antworten zu können.

Anhand von mehreren Texte kann man feststellen, dass sich manche Rapper_innen gegenseitig hören und die Texte der anderen jeweils kennen; sie bewerten und beurteilen das „politische“ Engagement von Gleichgesinnten. Über ihre Texte sprechen sie miteinander und antworten einander. Von diesem Gesichtspunkt aus wohnt man einer Art „Gemeinschaft“ bei, die Ähnlichkeiten mit der aus politischen Parteien zusammengesetzten Sphäre hat: Man spricht für oder gegen, man kämpft miteinander oder man widersetzt sich. Durch ihre Kritik zeigen die Rapper_innen, dass ihre Sympathie oder Ablehnung entschieden politisch sind und nicht ethnisch, kulturell oder linguistisch verstanden werden dürfen. Kurz gesagt, ihre Praxis ist Ausübung einer verbalen Demokratie.

Es geht vor allem um Diskurse, die darauf aus sind, gehört und kommuniziert zu werden. Es geht um eine Adressierung, die insistiert; um eine Anrufung [interpellation], deren Übelkeit erregende Wiederholung nur das Pendant einer unaufhörlich wiederkehrenden Anrufung ist, sowie der Last von Diskursen, deren Opfer sie sind und die ihnen die „Möglichkeit zu sprechen“  nimmt, um die Welt anders zu bewohnen als in Unsichtbarkeit.

Das Wort ergreifen ist also lebensnotwendig. Dass diese Rede nicht wahrgenommen und gehört wird, zählt weniger als die Würde, die sie denen verleiht, die sie bilden und schmieden, damit sie zu einem „3âqil“, einem menschlichen Subjekt werden. „Weil die Rede ihr schon in dem Augenblick, als sie den Horizont des Benennbaren und des Sagbaren eröffnete, dort einen Platz zusicherte, weil kein Sprecher [locuteur] spricht, ohne sich im Voraus zum Angesprochenen [allocutaire] zu machen, und sei es nur für sich selbst und weil er den Kreis seiner Beziehung zu sich selbst und seiner Beziehung zu den Anderen mit einem einzigen Handstrich schließt und sich damit zugleich zum Besprochenen [délocutaire] macht, zur Rede, von der man spricht: er bietet sich selbst und sein ganzes Sprechen einem universellen Sprechen dar.“[39] Und dies ist die Arbeit von allen, die sich als sprechende Individuen in ihrer Eigenschaft als Person verorten, in ihrer Eigenschaft als Erfinder_innen ihres eigenen Lebens. Der Diskurs ist das, in dem und durch den alle aktiv werden; alle, die sich dazu verpflichten, zu denken und sich in Worte zu fassen. Die heterolinguale Diskursivität ist von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet nur die sichtbarste Form eines jeden semiotischen Prozesses.

Von der Anerkennung zur Repräsentation. Statt einer Schlussfolgerung

Die Sichtbarkeit, die der „anderen“ Sprache durch die heterolinguale Adressierung zugestanden wird, fordert zur Befragung des politischen Dispositivs der Repräsentativität auf. Nichts wäre irreführender als zu glauben, dass die Lösung darin bestünde, einfach das Prinzip der „Sichtbarkeit“ zur Anwendung zu bringen. Sind die sogenannten „Vertreter von sichtbaren Minderheiten“ wirklich repräsentativer als jene, die ihrer Stimme beraubt werden? Oder handelt es sich nicht vielmehr um einen irreführenden Begriff von Repräsentation, der zu einer Art Auswahl wird und nicht länger Delegieren bedeutet? Es scheint uns, dass die im Korpus geforderte Sichtbarkeit – weit davon entfernt, eine notwendige Ähnlichkeit zwischen dem Repräsentierten und dem Repräsentanten – die Möglichkeit eines Sprechens als andere im starken Wortsinn vernehmen lässt, das heißt, die Möglichkeit, als eine solche andere zu sprechen. Die Möglichkeit besteht, ganz gleich ob man im Namen der anderen oder im eigenen Namen spricht; denn der Verdacht, der auf der Repräsentation lastet, hat nur in einer ontologischen Konzeption des Subjekts einen Sinn: Indem man nämlich die Authentizität der realen Präsenz geltend macht, verwirft man das Substitut, das diejenige verkörpert, die für andere spricht.[40] Das Postulieren einer grundlegenden Heterogenität ermöglicht es im Gegenzug, sich verschiedene legitime Repräsentationsformen vorzustellen.[41] 


[1] Jemand, der ch’ti spricht. Ch’ti ist eine picardische Sprache, die im Norden von Frankreich, vor allem in Lille gesprochen wird. 

[2] Dieser Begriff, den wir den Arbeiten von Frédéric François verdanken, ist deshalb interessant, weil er den Akzent auf die Zirkulation des Wortes legt und die Gemeinsamkeit der Differenz zwischen Körpern, Texten oder Diskursen betont. Er unterstreicht den Dialog und die Semiotiken, die als Raum des Spiels verstanden werden. So betrachtet, implizieren die Bewegungen der Verlagerung, der Denivellierung und die Verwandlung von Welt und Gattung, dass die Variation die dialogische Dimension der Sprache ist. „Von Wiederaufnahme-Modifizierung zu sprechen“, so erzählt uns der Autor, „verweist auf die Tatsache, dass es niemals eine identische Nachahmung gibt: Sobald eine Geste die Hand oder ein Wort den Mund wechselt, werden sie andere.“ Was die Sprache der Rapper_innen angeht, wird dieses Werden jedoch durch die Präsenz von verschiedenen Sprachen und von notgedrungen erneuerten Performances gewissermaßen vervielfältigt.

[3] Rainier Grutman, „Le bilinguisme comme relation intersémiotique“, in: Canadian Review of Comparative Literature, Jg. XVII, Nr. 3–4, 1990, S. 199. 

[4] Frédéric François, „L’enfant monolingue existe-t-il? Le point de vue d’un linguiste“, in: Nouvelle Revue d’Ethnopsychiatrie, Nr. 25/26, 1994, S. 155–164.

[5] Henri Meschonnic, Pour la poétique II. Épistémologie de l’écriture poétique et de la traduction, „Le Chemin“, Paris: Gallimard 1973, S. 305. 

[6] Vgl. für diesen Begriff Rainier Grutman, Des langues qui résonnent. L’heterolinguisme au XIXsiècle québécois, Montréal: Université de Montréal 1997. Für eine Definition des Begriffs vgl. weiter unten im Text [Anm. d. Übers.].

[7] Wenn Migrant_innen das Syntagma „Migrationshintergrund“ in einem bestimmten Moment abgelehnt haben, weil sie sich bis zur Auslöschung ihrer sichtbaren Identität integrieren wollten – „indem sie duckten“, wie der Texter von MAP sagt –, so scheint diese Sichtbarkeit heute im Gegenzug wieder eingefordert zu werden, und zwar im Begehren, den Weg der immigrierten Eltern und/oder Großeltern aufs Neue zu beschreiten. Migrant_innen wollen sich nicht nur den Begriff der „Migration“ wieder aneignen, sondern auch den der „Indigenen“ und hoffen damit, dass die Verwendung dieser Begriffe nicht länger den Mündern derer überlassen bleibt, die sie als „Migranten“ oder „Indigene“ bezeichnen wollen, sondern dass die Begriffe rehabilitiert und anders gelebt werden.

[8] „Banlieue“ wird hier als ein generischer Begriff eingesetzt, so wie ihn auch die Medien verwenden. Axiom sowie die Gruppe Ministère des Affaires Populaires (MAP – Ministerium für populäre Angelegenheiten) kommen beispielsweise nicht aus „der Banlieue“, sondern sind in Lille und Roubaix verortet. 

[9] Amina Bensalah hat sich zahlreiche Alben und Videos von unterschiedlichen Rapper_innen (solo oder in der Gruppe) angehört und angesehen. Sie hat zudem viele ihrer Texte transkribiert. Manche Texte finden sich in den Booklets oder auf den Websites der Rapper_innen. Die Analyse in unserem Text berücksichtigt dieses breitere Spektrum und nicht nur die hier präsentierten Auszüge aus dem Korpus.

[10] R. Grutman, Des langues qui résonnent. L’hétérolinguisme au XIXème québécois, op. cit., S. 37.

[11] Naoki Sakai, Translation and Subjectivity, Minneapolis: University of Minnesota 1997, S. 8.

[12] Das Lied „Entre Deux“ [Zwischen Zwei] findet sich auf dem 2003 erschienen Album Gravé dans la roche [In Stein gemeißelt].

[13] Ululation ist die onomatopoetische Bezeichnung für einen langen, hohen Klang, mit schnell schwankender Tonhöhe, der an ein trillerndes Heulen erinnert. In arabischen Ländern wird es von Frauen häufig als ein Ausdruck von Freude, insbesondere bei Hochzeiten eingesetzt [Anm. d. Übers.]. 

[14] Die mit Asterix markierten Wörtern sind im französischen Zitat im Verlan verfasst, das heißt mit ausgetauschten Silben: Im folgenden Zitat wird „cousin“ zu „zin-cous“ und aus „traitre“ wird „te-trai“. Der Asterix macht hier diese Besonderheit des Französischen sichtbar, die in der Übersetzung verloren geht [Anm. d. Übers.].

[15]Ils mettent la mairie sens dessus-d’souks“ ist ein mehrdeutiges Wortspiel zwischen der französischen Redewendung „mettre quelque chose sens dessus dessous“, was soviel bedeutet wie „etwas durcheinander bringen“ oder „auf den Kopf stellen“, und dem arabischen Wort „souks“, eine Bezeichnung für Markt bzw. Bazar. Im gesungenen Französisch schwingt sowohl „dessous“ (drunter) wie „souks“ mit, was zu folgender Übersetzung führt: „Sie bringen das Rathaus durcheinander“ und „Sie verwandeln das Rathaus in einen Bazar“. Zudem ist „souk“ in der französischen Umgangssprache ein Synonym für „Unordnung“ oder „Zirkus“, was eine dritte Übersetzungsmöglichkeit nach sich zieht, nämlich „Sie verwandeln das Rathaus in einen Zirkus“ [Anm. d. Übers.].

[16] Bachtin hat drei in Beziehung stehende Neologismen geprägt: „raznojazychie“: die Heteroglossie oder die Sprachenvielfalt; „raznorechie“: die Heterologie oder die Vielfalt von Stylen (Soziolekte); und „raznoglosie“: die Heterophonie oder die Vielfalt (individueller) Stimmen. Todorov wählt das Präfix „Hetero-“ und nicht „Poly-“, das man üblicherweise verwendet, um anzuzeigen, dass „die Betonung nicht auf die Pluralität, sondern auf die Differenz gelegt wird wird“; vgl. Tzvetan Todorov, Mikhaïl Bakhtine, le principe dialogique suivi du Écrits du Cercle de Bakhtine, Paris: Seuil 2002, S. 89. 

[17] Es handelt sich um das 1954 geschriebene Gedicht „Le déserteur“ [Der Deserteur] von Boris Vian. In diesem Gedicht erhält ein junger Mann seinen Einberufungsbefehl für den Algerienkrieg und erläutert in einem Brief an den Präsidenten die Gründe, weshalb er diesem nicht nachkommen kann. Das Chanson, gesungen von Moulouldji wurde 1955 zensuriert [Anm. d. Übers.].

[18] Michael Riffaterre, „L’intertexte inconnu“, in: Littérature Nr. 41, 1981, S. 4–7.

[19]Mariage blanc“, wörtlich „weiße Hochzeit“ nennt man im Französischen eine Ehe für Papiere bzw. eine „Scheinehe“; wenn einer der Ehepartner nichts von diesem Ansinnen weiß, spricht man von einer „mariage gris“, das heißt von einer „grauen Hochzeit“ [Anm. d. Übers.].

[20] Dieses Wortspiel ist neuerlich mehrdeutig, da sich „weiß“ und „grau“ sowohl auf die Hautfarbe wie auch auf die beiden in der FN 19 beschriebenen Termini zur Bezeichnung von „Scheinehen“ beziehen.

[21] Die „Rede von Orléans“ wurde 1991 vom damaligen Bürgermeister von Paris Jacques Chirac auf einem Parteitag gehalten und ist unter dem Titel „Le bruit et l’odeur“ [Der Lärm und der Geruch] bekannt. Die Rede lautet – in Auszügen – wie folgt: „Unser Problem sind nicht die Ausländer, sondern die Überdosis. […] Dass Spanier, Polen und Portugiesen bei uns arbeiten, ist weniger ein Problem als dass wir Muslime und Schwarze haben. […] Wie soll der französische Arbeiter, der in Goutte d’Or wohnt […], dessen Frau und er arbeiten und gemeinsam rund 15.000 Francs verdienen, und der sieht, dass auf derselben Etage seines HLMs (Sozialbau, Anm. d. Übers.) eine Familie zusammengepfercht mit einem Familienvater, drei oder vier Ehefrauen und ca. zwanzig Kindern wohnt und der Vater 50.000 Francs an Sozialleistungen bekommt – selbstverständlich ohne zu arbeiten! Wenn Sie nun dazu den Lärm und den Geruch hinzufügen, dann wird der französische Arbeiter auf der Etage verrückt. […].“ Diese Rede wurde u. a. von einer Rap-Gruppe, nämlich Zebda, auf dem Album Le bruit et l’odeur gesamplet [Anm. d. Übers.]

[22] Michael Bachtin, Die Ästhetik des Wortes, übers. v. Rainer Grübel / Sabine Reese, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1979, S. 185.

[23]bled“, arabisch für Gebiet oder Land, ist eine in die französische Umgangssprache eingegangene Bezeichnung für einen weit entfernt liegenden Ort bzw. ein kleines Dorf, wobei es sich oftmals um das Dorf handelt, aus dem man bzw. die Familie ursprünglich kommt.

[24] Arabisch im Original.

[25] Henri Meschonnic, De la langue française. Essai sur une clarté obscure, Paris: Hachette 1997, S. 31.

* Verlan für „Francais“, das heißt für Franzosen [Anm. d. Übers.].

[26] Boris Seguin/ Frédéric Teillard, Les céfrans parlent aux français. Chronique de la langue des cités, Paris: Calman-Levy 1996. Boris Seguin nahm ebenfalls am Workshop teil.

[27] Aziz Daki, „L’air du ton: Blason“; vlg. http://www.aujourdhui.ma/magazine-details1104.html.

[28] Wir nehmen hier Anleihe an Begriffen und theoretischen Vorschlägen von Axel Honneth, Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1994. 

[29] Vgl. Magyd Cherfi, La trempe, insb. „Le bleu de travail“, Arles: Actes Sud 2004, S. 113–131.

[30] Den Hintergrund für diese Analyse bilden Lektüren der Arbeiten von Axel Honneth und Paul Ricœur; vlg. Axel Honneth, Kampf um Anerkennung, op. cit.; Ders., Das Andere der Gerechtigkeit. Aufsätze zur praktischen Philosophie, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2000 sowie Paul Ricœur, Wege der Anerkennung – Erkennen, Wiedererkennen, Anerkanntsein, übers. v. Ulrike Bokelmann / Barbara Heber-Schärer, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2006; Ders., „La lutte pour la la reconnaissance et l’économie du don“, Paris: Unesco 2004; vlg. außerdem Ders., „Devenir capable, être reconnue“, in: Esprit, Nr. 7, 2005.

[31] Louis-Jean Calvet/ Lia Varela, „XXIème siècle: le crépuscule des langues? Critique du discours Politico-Linguistiquement Correct“, in: Sociolinguistic Studies, Nr. 1 (2), 2000, S. 47–64.

[32] Edouard Glissant, L’imaginaire des langues. Entretiens avec Lise Gauvin (1991–2009), Paris: Gallimard 2010, S. 27–28.

[33] bougnoul bedeutet eigentlich Kameltreiber, wird jedoch als rassistische Bezeichnung für Araber verwendet.

[34] Georges Lüdi, „Pour une linguistique de la compétence du locuteur plurilingue“, in: Revue française linguistique appliquée, Nr. 2, Jg. IX, 2004, S. 133.

[35] Michail Bachtin, Die Ästhetik des Wortes, op. cit.

[36] Michel Foucault, Archäologie des Wissens, übers. v. Ulrich Köppen, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981, S. 155 f.

[37] HK & les Saltimbanks haben unlängst in einer Live-Performance von „La maman“ in Nizza (für die Demonstration gegen den G20-Gipfel) eine neue Passage in das Lied eingebaut, die von der Polizeigewalt in Syrien und vom Abgang der Präsidenten Tunesiens und Ägyptens spricht, aber sie liefern auch mit viel Humor eine Vorhersage der Wahlergebnisse 2012 in Frankreich.

[38] Jacqueline Authier-Revuz, „La représentation du discours autre: un champ multiplement hétérogène“, in: Juan Manuel Lopez Muñoz, Sophie Marnette, Laurence Rosier et al. (Hg.), Le discours rapporté dans tous ses états, Paris: L’Harmattan 2004, S. 53.

[39] Maurice Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare, übers. v. Regula Guilani / Bernhard Waldenfels, München: Wilhelm Fink Verlag 1986, S. 202.

[40] Vgl. Gayatri Chakravorty Spivak „Can the Subaltern Speak?“ in: Cary Nelson / Lawrence Grossberg (Hg.), Marxism and the Interpretation of Culture, Champaign: University of Illinois Press 1988, S. 275. Übersetzung aus dem Englischen von Alexander Joskowicz / Stefan Nowotny, Can the Subaltern Speak. Postkolonialität und subalterne Artikulation, Wien: Turia+Kant 2008, S. 28 f.; vlg. außerdem Linda Alcoff, „The Problem of Speaking for Others“, in: Cultural Critique, Nr. 20, 1991, S. 10: "Indem ich für mich selbst spreche, repräsentiere ich mich selbst auf bestimmte Weise als ein_e, di_e eine spezifische Subjektposition einnimmt, als ein_e mit diesen und keinen anderen Merkmalen usw. Indem ich für mich selbst spreche, schaffe ich mich (für den Augenblick) selbst – ebenso wie ich, wenn ich für andere spreche, deren Selbst schaffe –, sodass ich ein öffentliches, diskursives Selbst erzeuge, das sich auf das als Innerlichkeit erfahrene Selbst zumeist auswirken wird."

[41] Lasse Thomassen, „A Basic Closure of Perspective? Reply to Robinson and Tormey“, in: Parliamentary Affairs Nr. 60 (1), 2007, S. 141.