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04 2009

Die Sorbonne gegen die Zentauren

Elsa Dorlin

Übersetzt von Birgit Mennel und Stefan Nowotny

Seit der Bewegung gegen den CPE (Contrat première embauche)[1] im Frühjahr 2006 wurden jene universitären Standorte, die sich an den Mobilisierungen gegen die den Aufgaben von Universität und öffentlicher Forschung abträglichen Regierungsreformen beteiligt hatten, zum Objekt einer verstärkten Überwachung, und zwar nicht nur seitens staatlicher Ordnungskräfte, sondern auch seitens eigens zu diesem Zweck angeheuerter privater Sicherheitsunternehmen. Die Sorbonne ist diesbezüglich ein exemplarischer Fall, der von der Umsetzung einer noch nicht dagewesenen Politik zeugt, welche im Namen des Schutzes der Unversehrtheit von „Gütern und Personen“ vor Ort auf alle zielt, die an der Universität tätig sind (Studierende, BIATOSS[2] und Lehrpersonen). Als wahres Labor einer neuen akademischen Unterwerfung wird die Sorbonne einer sicherheitsmäßigen Rasterung unterzogen, welche die Neutralisierung und Entkräftung der Protestbewegung anstrebt, die sich hier seit mehreren Monaten entfaltet. Seit einigen Wochen betritt die universitäre Gemeinschaft die Sorbonne daher unter strengster Aufsicht: und zwar wird sie von einem beunruhigenden Spalier in Empfang genommen, bestehend aus mobilen Wachen und/oder CRS (Compagnies républicaines de sécurité)[3] vor der Universität sowie den Sicherheitskräften des Rektorats und den privaten Bediensteten des Unternehmens Centaure Sécurité im Inneren.

Wenn auch der Bürgermeister von Paris seit 1852 der Eigentümer der Sorbonne ist, so ist es doch die Universitätskanzlei – das Rektorat von Paris –, der die Verwaltung des Ortes und der Gebäude obliegt. Diese beauftragt also private Sicherheitsunternehmen zur Unterstützung der (zur Universität gehörigen) Pedelle, der Feuerwehrleute und der eigenen vereidigten Sicherheitsbediensteten. Spätestens seit den Ereignissen vom Mai 1968 haben sich die MinisterInnen für Erziehung, Hochschulwesen und Forschung immer dagegen gesträubt, die Ordnungskräfte ins Innere der ihnen unterstellten Einrichtungen zu schicken. Seit mehreren Jahren tritt eine neue Sicherheitsphilosophie an die Stelle dieser Vorsichtsregel (und, stillschweigend, auch der entsprechenden Rechtsnorm[4]); ihr Ziel ist es ebenso sehr, die universitäre Gemeinschaft zu kontrollieren, insbesondere die Studierenden, die den Ruf haben, besonders schwer regierbar zu sein, wie auch eine neue akademische Unterwerfung zu produzieren, und zwar im Namen der „Risikoprävention“.

Die Allgegenwart von Sicherheitskräften – ob Polizeifunktionäre, vereidigte Bedienstete, die mit der Prävention von Hygiene- und Sicherheitsrisiken betraut sind (und der Obrigkeit des Rektorats von Paris unterliegen) oder auch Sicherheitsbedienstete, die durch private Unternehmen entlohnt werden – ist das Zeichen eines tiefgreifenden Wandels in Bezug auf den Umgang mit bzw. die Beseitigung von sozialen Konflikten im universitären Milieu. Das Dispositv einer näher gerückten, eindringenden und auf Verdacht basierenden Kontrolle, das auf den Universitäten lastet, ist bekanntlich nur eine Seite einer grundlegenden Umgestaltung der Universität. Die im Namen der Modernisierung des Hochschulwesens durchgeführten Reformen – Ergebnis einer im eigentlichen Sinn neoliberalen Konzeption, die schon wiederholt analysiert, kritisiert und angeprangert wurde[5] – basieren auf der Verallgemeinerung des Wettbewerbsprinzips (zwischen den Universitäten, innerhalb des Lehrpersonals, unter den Studierenden sowie zwischen den Diplomen). Nun ist aber die Durchsetzung und Verallgemeinerung dieses Wettbewerbsprinzips unter anderem auf die Einrichtung eines Sicherheitsdispositivs angewiesen, dessen Funktion die Atomisierung der Mitglieder der universitären Gemeinschaft, die Beseitigung jeder kollektiven Mobilisierung sowie die Verinnerlichung einer Politik des „Risikos“ durch alle ist. Von welchen Risiken aber ist hier die Rede?


Erste Ebene: Unsichtbarmachen der Mobilisierung, Auslagerung der Bedrohung – die Vorsitzenden der Universität und ihre Pedelle

Die Einrichtungen des Hochschulwesens unterliegen wie alle öffentlichen Gebäude, insbesondere wenn sie als „historische Gebäude“ klassifiziert werden, einem verschärften Plan der aktiven Vermeidung von Brandrisiken (gestützt durch Gesetze, die das Rauchen an öffentlichen Orten verbieten, und zwar selbst unter freiem Himmel). Nun lässt sich an dieser Präventionspolitik aber tatsächlich die Durchsetzung eines Dispositivs nachvollziehen, das all das beseitigen soll, was nunmehr als Akt der „Beschädigung“, als „böswilliges“ bzw. „ungebührliches“ Verhalten bezeichnet wird, indem etwa die Pedelle dazu autorisiert werden, die im Zusammenhang mit Mobilisierungen oftmals direkt nach deren Ausbruch und ohne Genehmigung angebrachten Transparente, Flugblätter, Plakate, Informationen etc. zu entfernen (bzw. die Reinigungskräfte mit der Entfernung zu beauftragen).

Die Sorbonne ist diesbezüglich ein problematischer Ort: Ihre mäanderartigen Gänge, ihre gewundenen Stiegen, ihre zahllosen Säle und verborgenen Durchgänge sind ausnehmend schwierig zu sichern, das heißt, zu „reinigen“. Außerdem hat sich seit der Protestbewegung gegen den CPE eine bestimmte Gepflogenheit etabliert: die administrative Schließung. Anstatt das Risiko einer Mobilisierung einzugehen, ziehen es die Vorsitzenden und Direktoren der Einrichtungen vor, den Zugang zu den jeweiligen Stätten schlicht und einfach zu untersagen. Die angeblich „blockierten Universitäten“ sind zumeist aus Sicherheitsgründen „gesperrte Universitäten“, was zur Unterbrechung aller akademischen und administrativen Tätigkeiten zwingt und zur Folge hat, dass die Studierenden die Universität verlassen müssen, wofür im Nachhinein die Streikenden verantwortlich gemacht werden. Eine vollständige Stillstellung, oder jedenfalls beinahe … Wir wissen, dass die neuen Verfügungen in Verbindung mit der LRU (Loi relative aux libertés et responsabilités des universités)[6], dem Plan Licence[7] sowie der Abänderung der Verordnung über das Statut des Lehr- und Forschungspersonals in mehreren Punkten zusammenlaufen, insbesondere hinsichtlich der Aufwertung der digitalen Ressourcen. Wenn das Online-Stellen von Seminardokumenten (Bibliographie, Seminarplan, Referenztexte etc.), ja selbst ganzer Seminare zu einer besseren pädagogischen Koordination gehört, so ist dies von nun an ein Kriterium zur Bewertung der Lehrenden. Klar ist außerdem, dass dies all jenen, die sich von der Streikbewegung „in Geiselhaft genommen“ fühlen (nicht streikende Lehrende und privilegierte Studierende, die im Genuss einer entsprechenden Ausrüstung sowie eines entsprechenden Zugangs sind), eine Lehre „auf Distanz“ ermöglicht, bis schließlich die Störungen an der Lehrstätte eingedämmt sind. Mit einem Wort, es handelt sich um eine Art „gewählte“ Mindestleistung, und zwar noch bevor diese durch die neue Politik der Vergabe von Prämien und Beförderungen an den Lehrkörper institutionalisiert wird.

Des Weiteren ist es unmittelbar einsichtig, dass die Abteilungen sowie Lehr- und Forschungseinheiten (UFR – Unité de formations et de recherches), die traditionell am stärksten an Mobilisierungen beteiligt – im gegebenen Fall Human-, Sozial- und Politikwissenschaften – sowie hinsichtlich aktivistischer Kommunikationsformen am kreativsten waren, auch die ersten sind, die auf neue Universitätsgelände ausgelagert werden. Deren akademische „Lebensqualität“ wird uns schmackhaft gemacht, doch vergisst man dabei hinzuzufügen, dass diese Orte insbesondere auch dafür entwickelt wurden, jede Form von zukünftiger Mobilisierung zu verhindern. Überdies bleibt der universitären Gemeinschaft, der der Zugang zu ihrem Arbeitsplatz und damit auch der Zugang zu jenem selbstverständlichen Ort gemeinsamer wissenschaftlicher Produktion und gewerkschaftlicher, sozialer sowie politischer Mobilisierung verweigert wird, keine andere Wahl als die, ihre Aktionen auszulagern: „Seminare außerhalb der Mauern“ („cours hors les murs“), symbolische Aktionen (wie etwa der mutige Reigen der Hartnäckigen vor dem Pariser Rathaus) … Dies ist der Imperativ, dem wir unterliegen, um die Bewegung auszuweiten und die Aufmerksamkeit unseres Ministers, der Öffentlichkeit und Medien zu bekommen. Zugleich handelt es sich aber auch um eine Form der Unterschlagung unseres Rechts auf Streik an jenem Ort, wo der Konflikt definitionsgemäß tobt: unserem Arbeitsplatz.


Zweite Ebene: Die Sicherheit aller gewährleisten, „externe Elemente“ identifizieren und beseitigen, die Gemeinschaft entzweien – Rektorat und vereidigte Sicherheitskräfte

Auf dieser Ebene kommt der Plan Vigipirate[8] ins Spiel. Bei der geringsten verdächtigen Flugblattaktion wird der Eingang der Universitäten unter Berufung auf Vigipirate[9] kontrolliert. Der „Vorwand des Terrorismus“ erlaubt hier also eine mehr oder weniger weit reichende Störung der akademischen Aktivitäten, und zwar durch die systematische Kontrolle von Örtlichkeiten, Aktivitäten und Personen[10], die in der Konsequenz eine Privatisierung des Zugangs zum Wissen bedeutet. Die Einrichtungen des Hochschulwesens verwandeln sich so in Dienstleistungserbringer auf dem Wissensmarkt: Die Kontrolle von Studierendenausweisen führt auch dazu, dass nur jenen der Zutritt gewährt wird, die an der jeweiligen Einrichtung ordnungsgemäß inskribiert sind, wodurch der freie Zugang nicht nur zur Lehre, sondern auch zu traditionell „öffentlich“ zugänglichen Seminaren, Studientagen und Konferenzen unterbunden wird. Doch dieses in Zeiten der Krise errichtete Dispositiv ist eigentlich erst in einer Testphase, um später flächendeckend eingesetzt zu werden: in Form von Studierendenausweisen mit Chips (nach Art von Bankomatkarten und Chipkarten für den öffentlichen Verkehr), die Zutritt zum Gelände, zu den Bibliotheken sowie zu den Dienstleistungen und Aktivitäten der Universität gewähren, während sie gleichzeitig die individualisierte Kontrolle über die Bewegungen der Individuen sowie ihre Identifikation und Lokalisierung sicherstellen.

Indem die gegenwärtigen Unimobilisierungen, den Bestimmungen des Vigipirate-Plans entsprechend, als ein „erwiesenes Risiko“ betrachtet werden, verbreitet das aktuelle Kontrolldispositiv innerhalb der universitären Gemeinschaft im Allgemeinen sowie unter den AktivistInnen im Besonderen ein Klima der Belästigung; doch es bereitet auch unbestreitbar Geisteshaltungen vor. Der Antagonismus wird inmitten der universitären Gemeinschaft selbst gekonnt orchestriert, nämlich zwischen einer Minderheit von „Störenfrieden“ (oftmals charakterisiert als nicht der Universität zugehörige „externe Elemente“ – „Scheinstudierende“ –, sobald es etwa um eine Besetzung geht) und der „schweigenden“ Mehrheit von „in Geiselhaft genommenen“ NutzerInnen/KundInnen der Universität, die darüber besorgt sind, dass sie nicht an Seminaren teilnehmen, ihre Prüfungen ablegen oder ihren Abschluss machen können. So lässt sich also die Neudefinition oder vielmehr die Herstellung einer noch nie dagewesenen universitären Gemeinschaft beobachten („wir“, die AkteurInnen/UnternehmerInnen, NutzerInnen und KundInnen der Universität), die vermittels der Durchführung einer endogenen Reinigung („wir“ und „sie“) von jedem kritischen Empfinden Abstand nimmt.

Was aber geschieht auf der Ebene des Sicherheitspersonals selbst? Der erste Effekt, nämlich die massive Rekrutierung privater Sicherheitsbediensteter (wir erleben derzeit allein in den Räumlichkeiten der Sorbonne den Einsatz von mindestens fünfzig Privatbediensteten, die an allen Eingängen und in jedem Stockwerk des Gebäudes eingesetzt werden), ist offensichtlich das Ergebnis einer Aufteilung der Sicherheitsaufgaben zwischen verbeamteten Sicherheitskräften und im Privatsektor beschäftigten AkteurInnen[11]. Letztere werden vor Ort eingesetzt aufgrund der Entstehung eines öffentlichen Marktes, auf den private Sicherheitsunternehmen reagieren, die auf das Management von Krisensituationen spezialisiert sind. Erste Serie von Fragen: Wie hoch ist das Budget, das vom Rektorat und/oder den Universitäten für diesen Ausgabeposten aufgewandt wird? Woher kommt dieses Geld und wer entscheidet darüber, es für diesen Posten zu veranschlagen anstatt für einen anderen? Zweite Serie von Fragen: Mit wem solidarisieren sich die verbeamteten SicherheitsfunktionärInnen? Warum nicht mit dem streikenden BIATOSS-Personal und den ebenfalls streikenden Lehrkräften, wenn doch ihr Status und ihre Funktion schlicht und einfach durch eine Privatisierung bedroht sind?


Dritte Ebene: Die Ordnung aufrechterhalten, Angst verbreiten, die Universitäten privatisieren – der Staat und Centaure Sécurité, „Spezialist für die Analyse atypischer Verhaltensformen“[12]:

Centaure Sécurité ist ein 1995 gegründetes privates Sicherheitsunternehmen mit einem geschätzten Bruttoumsatz zwischen fünf und zehn Millionen Euro.[13] Zu seinen Kunden zählen unter anderem die Universitäten Paris X Nanterre, Paris V und Paris I, aber auch der Asterix-Vergnügungspark, das Musée Grévin, Yves Saint Laurent und Lacoste. Ruft man die Website des Unternehmens auf, so erfährt man Folgendes: „Um die Wirksamkeit der Sicherheitskette zu optimieren, bietet Centaure eine globale Lösung an, die Humanressourcen wie auch technische Mittel beinhaltet. Das Angebot umfasst, nach Untersuchung der Sachlage, die zweckdienlichsten und an Bedarf und Kontext optimal angepassten technologischen Lösungen in den nachfolgenden Bereichen: Brandmeldung, Fern- und Videoüberwachung, Zugangskontrolle, Zeitmanagement …“ Centaure Sécurité hat demnach an der Sorbonne die Aufgabe, die Sicherheitsbediensteten, vereidigte FunktionärInnen, zu „verstärken“, und zwar in einem Kontext, in dem sich nach Ansicht der Sicherheitsdelegation des Rektorats die Mobilisierung der universitären Gemeinschaft zu radikalisieren droht. Centaure Sécurité muss dafür sorgen, dass nichts den „freien Zugang“ zu den Gebäudeeingängen der Sorbonne behindert. Konkret bedeutet dies, dass das Unternehmen einer „Blockade“ vorbeugt – ein neuer Begriff für eine klassische Praxis aus dem Repertoire gewerkschaftlicher Aktionen: die der Streikposten. In anderen Worten, „Streik“ wird nunmehr gleichgesetzt mit einem „atypischen Verhalten“ der Arbeitenden, hier der ganz normalen Lehrenden oder Studierenden.

Auf dieser Ebene intervenieren also die privaten Sicherheitsunternehmen gemeinsam mit den zur Aufstandsbekämpfung eingesetzten Polizeikräften, und zwar aufgrund zweifelhafter, ja sogar völlig illegaler Vorrechte. Zusätzlich zum Eindringen und den systematischen Polizeikontrollen anlässlich aktivistischer Handlungen (Identitätskontrolle, Verhaftung, Verfolgung wegen Aufruhr …) sind die täglichen Kraftdemonstrationen, welche die Sorbonne, aber auch zahlreiche andere Einrichtungen des Hochschulwesens und der Forschung in belagerte Räume verwandeln, Teil eines generellen Prozesses der Kriminalisierung von Mobilisierungen und politischen Aktionen. Konsultieren wir nun aber den Text über die Rechte und Pflichten, die den privaten Sicherheitsbediensteten gesetzlich eingeräumt werden, so können wir dort lesen[14]: 1) dass sie deutlich erkennbar (und vor allem von den öffentlichen Kräften zur Aufrechterhaltung der Ordnung unterscheidbar) sein müssen; 2) dass sie nur eine visuelle Inspektion des Handgepäcks durchführen dürfen (ohne dass übrigens präzisiert würde, ob das Gepäckstück offen sein muss oder nicht!)[15] und keinesfalls zu einer Durchsuchung der Gepäckstücke bzw. zu einer Personendurchsuchung ohne Zustimmung der Betroffenen befugt sind; 3) und vor allem, wie Artikel 4 festhält: „Es ist den Personen, die eine im Artikel 1 erwähnte Tätigkeit durchführen, ebenso wie ihren Agenten untersagt, sich, in welchem Moment und in welcher Form auch immer, in den Verlauf eines Arbeitskonflikts bzw. in Ereignisse, die sich darauf beziehen, einzumischen. Gleichermaßen ist es ihnen untersagt, eine Überwachung in Bezug auf politische, philosophische oder religiöse Meinungen oder hinsichtlich der gewerkschaftlichen Zugehörigkeiten von Personen durchzuführen“ (die Hervorhebungen sind von mir).


„Die Sorbonne gehört uns, wir haben gekämpft, um sie zu besetzen, wir werden darum kämpfen, sie zu behalten …“[16]

Die Tatsache, dass die privaten Sicherheitsbediensteten das Aufstellen von Streikposten ebenso verhindern wie „Blockaden“, Besetzungen bzw. jede andere von der Generalversammlung des Personals und der Studierenden unserer Universitäten beschlossene aktivistische Handlung; ja dass sie sogar eine menschliche und logistische Verstärkung zur Räumung der Gebäude manu militari sowie weiters zur Identifikation und Erfassung von GewerkschafterInnen und AktivistInnen sind – das stellt einen schweren Angriff auf unsere Freiheiten dar. Heißt das, dass wir es lieber sähen, wenn diese „niedrigen Aufgaben“ (wieder) ausschließlich von Staatsbediensteten erledigt würden? Tatsächlich wäre die logische Konsequenz eher die Autonomisierung der Sicherheits- und Kontrollfunktionen (wie sie etwa durch Videoüberwachung, Magnetkarten und die Installation von Detektoren bzw. Absperrungen an den Eingängen möglich gemacht wird): Die Wachsamen, die unsere Unzufriedenheit so sehr hervorgerufen haben, sind auch eine psychologische „Waffe“, die auf die Senkung unserer Toleranzschwelle zielt und dabei nur eine Übergangslösung darstellt.

Was hier auf dem Spiel steht, hat mit der Verzahnung von Kämpfen und der erneuten Bekräftigung von akademischer Freiheit zu tun. Die Präsenz von Bediensteten des Unternehmens Centaure Sécurité auf dem Gelände der Sorbonne ebenso wie in allen angrenzenden universitären Räumen vor Ort, und dies im Namen der Sicherheit aller, ist nicht nur skandalös, sondern buchstäblich illegal. Tatsächlich haben das Personal und die Studierenden der erwähnten Universitäten am 9. Februar 2009 in der Generalversammlung mehrheitlich den unbeschränkten Generalstreik beschlossen und sind damit inmitten dessen, was einen „Arbeitskonflikt“ ausmacht. Was ist also die Rechtfertigung dafür, dass das Rektorat und die Vorsitzenden der Universitäten, die auf die eine oder andere Weise Gelder zur Verfügung gestellt und die Präsenz von Unternehmen dieser Art in den ihrer Verantwortung obliegenden Gebäuden autorisiert haben, die im Strafrechtskodex vorgesehenen Prozeduren missachten?

Wenn die Breite der Bewegung, die heute die universitäre Gemeinschaft und die Welt der Forschung beseelt, seit ’68 beispiellos ist, dann auch deshalb, weil wir eine unvergleichliche Situation erleben. Die Anwendung der von der Regierung vorgesehenen „Risikopolitik“, ebenso wie ihrer Sicherheitskomponente, auf die Welt des Wissens ist die unverzichtbare Bedingung der Möglichkeit für deren völlige Liberalisierung; sie ist die Speerspitze der Verbannung der öffentlichen Universität und Forschung, die wir nicht so sehr „verteidigen“ oder „bewahren“ wollen, sondern zu deren Aufbau, Weiterverfolgung und Hoffnung wir einen Beitrag leisten wollen.


Dieser Text, erstmals veröffentlicht im Frühjahr 2009, entstand im Rahmen einer Protestbewegung gegen die Regierungsreformen; eine Bewegung, die im Laufe des letzten Winters und Frühjahrs nahezu alle französischen Universitäten mobilisierte.

 



[1] Beim CPE handelt es sich um einen Erstanstellungsvertrag für Personen unter 26 Jahren (Anm. d. Übers.).

[2] BIATOSS (bibliothécaires, ingénieurs, administratifs, techniciens, ouvriers, de service et de santé) ist eine Abkürzung für alle an der Universität Beschäftigten, die nicht Lehrende sind: BibliothekarInnen, IngenieurInnen, administratives Personal, TechnikerInnen,und Dienstleistungs- und Gesundheitspersonal (Anm. d. Übers.).

[3] Die CRS sind die mobile Bereitschaftspolizei Frankreichs (Anm. d. Übers.).

[4] Man führt dieses Verbot für gewöhnlich aufs Mittelalter zurück, als die Sorbonne der Obrigkeit der Kirche unterstand: Ihren Hoheitsbereich erhielt sie demnach nicht vom König.

[5] Vgl. hierzu insbesondere den Dokumentarfilm „Université le Grand Soir“ von Thomas Lacoste,(2007, L’Autre Association).

[6] Die LRU ist ein im Jahr 2007 erlassenes Gesetz, das die Autonomie der Universitäten regelt (Anm. d. Übers.).

[7] Die Licence ist ein auf das Baccalauréat folgender universitärer Abschluss; der Plan pour la réussite en Licence (2007) sah u. a. die „verbesserte Betreuung“ und die „stärkere Professionalisierung“ der Studierenden vor (Anm. d.. Übers.).

[8] Der Plan Vigipirate betrifft Maßnahmen zum Schutz vor Terrorismus; er wurde im Jahr 1978 ins Leben gerufen und 1995, 2000 sowie 2003 aktualisiert (Anm. d. Übers.).

[9] Vgl. http://fr.wikipedia.org/wiki/Vigipirate (abgerufen am 14. 6. 2009). Seit dem 16. Dezember 2008 signalisiert Vigipirate die Alarmstufe rot, das heißt: „Die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um dem konkreten Risiko eines oder mehrerer schwerer Anschläge vorzubeugen; dazu gehört der Schutz bestimmter Institutionen und die Bereitstellung der geeigneten Mittel zur Hilfeleistung und Verteidigung, unter Akzeptanz von Beeinträchtigungen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Aktivitäten.“

[10] Dazu gehören Identitätskontrollen, Durchsuchung der Taschen etc., aber auch die Installierung von Überwachungskameras … An der Sorbonne gibt es bereits eine Kamera am in der Rue de la Sorbonne 17 gelegenen Eingang, und diese Vorkehrung wird in den kommenden Monaten systematisiert und ausgeweitet: verstärkte Videoüberwachung im Inneren der Gebäude sowie Aufzeichnung von Daten (was das Rektorat dazu verpflichtet, die NutzerInnen des Gebäudes gemäß den von der Datenschutzbehörde CNIL [Commission nationale de l’informatique et des libertés] vorgesehenen Bestimmungen zu informieren.

[11] Eine Aufteilung der Sicherheitsaufgaben, die im Allgemeineren auf eine rassisierte soziale Skala verweist: Dies wird deutlich an der Farblinie, die zwischen einer mehrheitlich „weißen“ universitären Gemeinschaft und dem fast ausschließlich „schwarzen“ Personal von Centaure Sécurité, das an der Sorbonne präsent ist, verläuft.

[12] Vgl. die Webseite von Centaure Sécurité: http://www.centaure-securite.fr (abgerufen am 14. 6. 2009).

[13] Vgl. die Website http://www.kompass.com/de/FR0085570 (abgerufen am 14. 6. 2009).

[14] Gesetz N°83-629 vom 12. Juli 1983, modifiziert durch das Gesetz N°2003-239 vom 18. März 2003, insbesondere Art. 1, 2, 3, 4; abrufbar unter http://www.legifrance.gouv.fr (abgerufen am 14. 6. 2009).

[15] Art. 3.1: „Die physischen Personen, welche die im Artikel 1 unter 1 erwähnte Tätigkeit durchführen, dürfen eine visuelle Inspektion des Handgepäcks und, mit Zustimmung seitens des Besitzers, auch dessen Durchsuchung durchführen. Die physischen Personen, welche die im Artikel 1 unter 1 erwähnten Tätigkeiten durchführen, werden dazu vom Präfekten des Départements oder, in Paris, vom Polizeipräfekten eigens befugt und zugelassen, und zwar gemäß der Bestimmungen, wie sie die Verordnung des Staatsrats vorsieht, und dürfen im Falle besonderer Umstände, die auf eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hinweisen, mit der ausdrücklichen Zustimmung der Personen zu Personendurchsuchungen übergehen. In diesem Fall ist die Personendurchsuchung durchzuführen von einer Person gleichen Geschlechts wie die zu durchsuchende Person. Diese besonderen Umstände werden durch einen Erlass des Präfekten bekannt gegeben, in dem ihre Dauer festlegt und die Orte bzw. die Kategorie von Orten bestimmt wird, an denen solche Kontrollen durchgeführt werden dürfen. Dieser Erlass wird vom Staatsanwalt der Republik bekannt gegeben.“

[16]Vlg. http://sorbonneengreve.revolublog.com (abgerufen am 14. 6. 2009).