10 2006
Die gute Regierung der Zapatistas
Übersetzt von Tom Waibel
Transkription eines Videos von Oliver Ressler & Tom Waibel, aufgenommen in Chiapas, Mexiko, 31 Min., 2006
Comandanta Esther
Wir als
indigene Frauen kämpfen wegen dieser Situation, dass wir die dreifache
Ausbeutung erleiden: als Frauen, als Indigene und als Arme. Als Frauen werden
wir nicht beachtet, wir werden erniedrigt und gering geschätzt. Als Indigene
werden wir aufgrund unserer Kleidung, Farbe, Sprache und Kultur diskriminiert.
Als Arme haben wir kein Recht auf Gesundheit und Erziehung und man hat uns
vergessen. Deshalb haben wir beschlossen, uns zu organisieren und gemeinsam zu
kämpfen, um aus dieser Situation herauszukommen. Uns interessiert weder
Verfolgung, noch Gefängnis oder Entführung, nicht einmal der Tod, wenn er
notwendig ist. Trotz alledem sind wir hier und wir werden weiterkämpfen. Wir
werden uns weder ergeben, noch für die Almosen verkaufen, die die schlechte
Regierung hergibt. Noch viel weniger werden wir irgendein Regierungsamt
übernehmen.
Multitude
Es beginnt der
Morgen, hier mit der anderen Kampagne...
Coni Suarez Aguilar (Frauen-/Menschenrechtsaktivistin)
Was war eine
der wichtigsten Forderungen der Frauen im zapatistischen Gebiet, die nicht
berücksichtigt worden ist? Die Gewalt gegen die Frauen. Nehmen wir zum Beispiel
die Politik der EZLN (Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung), den Konsum,
den Verkauf und die Einfuhr von Alkohol in den Gemeinden zu verbieten. Das hat
eine der Forderungen der Frauen beantwortet, das wurde angenommen und als Gesetz
und Regel in den Gemeinden eingeführt. Niemand kann dort Alkohol verkaufen,
kaufen oder konsumieren. Das war die Politik oder die Strategie der EZLN, um
die Gewalt gegen die Frauen einzuschränken. Tatsächlich hat es die Gewalt bis
zu einem gewissen Grad eingeschränkt, aber es hat sie nicht abgeschafft, weil
das grundsätzliche Problem nicht beachtet wird, das darin besteht, die Frauen
als Personen anzuerkennen, als Rechtspersonen und sie nicht länger nur als
Objekte im Besitz der Männer zu sehen.
Comandanta Esther
Wir müssen als
Frauen weiterkämpfen, um unsere Rechte zu verteidigen, weil seit mehr als
fünfhundert Jahren haben die schlechten Regierenden und die Mächtigen uns das
Recht und den Platz verweigert, der uns als Personen zukommt. Sie haben uns wie
Objekte behandelt und dasselbe unseren Vätern und Großvätern aufgezwungen.
Darum behaupten heute manche unserer Väter, Brüder und Ehemänner, dass wir
unbrauchbar sind und dass wir nur die Kinder und das Haus hüten können, dass
wir schwach sind und dass wir nicht denken und keine Entscheidungen treffen
können. Von diesen schlechten Ideen werden wir alle beherrscht, die Frauen am
Land und in der Stadt, aber sie stimmen nicht. Wir Frauen können uns
organisieren, Ämter übernehmen und Entscheidungen treffen, gleich wie die
Männer. Deshalb sagen wir, dass wir gemeinsam weiterkämpfen müssen, um das
Recht zu verteidigen, das wir als Frauen und als Menschen verdienen.
Coni Suarez
Aguilar
Dahinter liegt
auch das Problem, manchmal nicht zu wissen, wie diese Themen zur Sprache
gebracht werden können, ohne dass es als Konfrontation ausgelegt wird. Wenn wir
anfangen, über die Rechte der Frauen zu arbeiten, gibt es häufig die Idee, dass
die Familien auseinander gehen, die Gemeinden ebenso, und schließlich auch die
politische Organisation. Darum wird die Tatsache, dass die Frauen ihre Rechte
einfordern, als Bedrohung für die Organisation angesehen. Möglicherweise fehlt
da ein selbstkritischerer Standpunkt, den es bis zu einem gewissen Punkt gibt.
Sie haben anerkannt, dass sie weder über die richtigen noch die ausreichenden
Strategien verfügen, um dieses Problem anzusprechen. Aber es mangelt daran, von
der Tatsache auszugehen, dass es notwendig ist, die Türen zu öffnen, damit die
Frauen dazu gelangen, unter sich zu kommunizieren und ihre Probleme in ihrer
eigenen Sprache darzulegen. Nicht nur diejenigen, die bereits eine
Führungsposition innehaben, nicht nur die Kommandantinnen, die ihre Forderungen
sehr klar ausdrücken können, sondern auch die Frauen, die die alltägliche Unterstützungsbasis
sind, die keine Ämter innehaben, die nicht als Milizionäre ausgebildet und
keine Aufständischen sind. Diejenigen, die bis heute keinen Zugang zu Erziehung
und Gesundheit haben, diejenigen, die nichts haben, um sich wertzuschätzen, um
sich zu ermächtigen. Diejenigen, die eine politische Identität als
Zapatistinnen haben, sie als solche annehmen, verteidigen und leben, die aber
noch nicht als solche in ihrer Besonderheit anerkannt und mit ihren eigenen
Forderungen bekannt wurden.
Versammlung der guten Regierung, La Garrucha
Wir als
Compañeras haben ebenso das Recht, hier mit der Versammlung der guten Regierung
zu arbeiten, denn in unserem Kampf haben wir gemeinsam mit den Männern, Frauen
und Kindern alles kennen gelernt. Wir haben auch einen gewissen Einfluss um
teilzunehmen, und so haben wir in den Gemeinden den Alkohol verboten, den uns
die schlechte Regierung gegeben hat. Wir wollen ihn nicht. Als Zapatistinnen
wollen wir, dass wir mit allen Dörfern und allen, die aus anderen Gemeinden, aus
anderen Staaten und anderen Nationen gekommen sind, gemeinsam einen Schritt
vorwärts gehen. Wir wollen, dass es zwischen allen Frieden gibt.
Comandanta Esther
Wir danken dem
Kampf, der uns diesen Raum gegeben hat, um mitzumachen und um unsere Kräfte zu
vereinen, damit wir gemeinsam kämpfen, Männer und Frauen. Denn ohne die Männer
oder ohne die Frauen kommt der Kampf nicht voran. Darum ist die Teilnahme von
allen sehr wichtig, ohne Unterschied von Ethnie und Farbe. Zum Schluss möchten
wir euch sagen, dass wir unsere Kräfte vereinen sollen, um Demokratie, Freiheit
und Gerechtigkeit für alle zu erreichen.
Comandante Tacho
Compañeras und
Compañeros, jetzt nach diesen beinahe 11 Jahren im Kampf gegen das Vergessen,
gegen die Marginalisierung und gegen die Ausrottung, möchten wir euch sagen:
wir sind hier. Wir haben nicht aufgegeben und uns nicht verkauft. Wir werden
uns nicht verkaufen und nicht aufgeben, weil wir fest davon überzeugt sind,
dass unser Kampf gerechte Gründe für die Armen von Mexiko und die Armen der
Welt hat. Wir sind Arbeiter auf dem Land und in der Stadt und wir haben die
physischen Möglichkeiten und die Kenntnisse, all das zu fabrizieren und zu
produzieren, was unsere Gesellschaft braucht. Angesichts dieser enormen
Fähigkeit der Männer und Frauen sind wir imstande, Reichtümer hervorzubringen,
die unser Land aufrechterhalten. Darum glauben wir, dass die Lösung für diese
große Ungerechtigkeit, die wir erleiden, auf unserer Seite ist und in unseren
Händen liegt, weil wir schon längst erkannt haben, dass wir von der Regierung
nichts Gutes erwarten können.
Coni Suarez
Aguilar
Die Autonomien
haben bisher über eine territoriale Struktur funktioniert. Es gibt dabei
verschiedene Niveaus: die autonomen Bezirke, die Gemeinden mit ihren eigenen
Autoritäten und die Versammlungen der guten Regierung, die die Verwaltung
unterstützen und die Arbeiten auf regionalem Niveau koordinieren. In diesen
Versammlungen werden viele Themen besprochen, sie sind der Ort, an dem Anfragen
entgegen genommen werden, die von der Rechtsprechung bis zur Erziehung reichen,
von der Gesundheit und der inneren Organisation der Gemeinden bis hin zu
Feiern, die eher traditionellen Charakter haben. Diese Versammlungen sind nicht
permanent und sie dauern keine einheitlich definierten Zeitperioden. In jeder
Region, in jedem Caracol werden eigene Beschlüsse darüber getroffen, wie lange
jede Versammlung der guten Regierung im ihrem Amt bleibt.
Sie sind im Gebiet der widerständischen
Zapatisten
Hier befiehlt das Volk und die Regierung gehorcht
Eingang zum Caracol
Versammlung der guten Regierung, La Garrucha
In den
Versammlungen sind die Leute ausgewählt worden, die die Arbeiten erledigen, um
eine Arbeit zu machen, die wirklich der entspricht, für die die Leute in ihre
Ämter gewählt worden sind. Wenn irgendeine Person Fehler begeht, dann muss die
Versammlung von neuem die Autoritäten bestimmen. Die Arbeit ist rotativ und die
Tätigkeiten werden kollektiv ausgeführt.
Diese Versammlung der guten Regierung
hat kollektiv beschlossen, unsere Fragen
schriftlich zu beantworten und von einem
Compañero verlesen zu lassen.
Die Autoritäten müssen hinausgehen und in die Dörfer fahren, damit sie in den Gemeinden die Bedürfnisse ihrer Bevölkerung hören. Sie können nicht nur in einem Büro sitzen, sondern sie müssen sich aufmachen und nachfragen. Das Volk befiehlt und die Regierung gehorcht; so ist die Arbeit. Wenn man in der Versammlung gewählt wird, muss man in die Gemeinden gehen, um zu sehen, welche Bedürfnisse es in jedem Dorf gibt. Um Probleme zu lösen und um selbst Lösungen zu finden, einer für den anderen, wir als Bauern und Indigene.
Von der schlechten Regierung wird nichts angenommen, weil sie uns nur Versprechungen macht, die sie niemals einhält. Darum organisieren wir uns selbst in kollektiver Weise, um Formen zu finden, den Bedürfnissen nachzukommen, die es in den Dörfern gibt: Erziehung, Gesundheit und Wasser. Ich glaube, dass Wasser das wichtigste ist, denn es gibt Gemeinden, in denen wir nicht genügend von dieser lebenswichtigen Flüssigkeit haben. Es gibt Gemeinden ohne Wasser und man muss eine Form finden, wie die Compañeros im Widerstand überleben können.
Der Erfolg, den wir in unserer Autonomie sehen, liegt darin, dass in verschiedenen Gemeinden Kliniken eingerichtet werden. Unserer Entwicklung entsprechend können wir Gesundheitszentren und autonome Schulen in den Dörfern und den Caracoles errichten.
Die Promotoren der Erziehung werden von den Dörfern selbst bestimmt. Wir kümmern uns selbst um die Erziehungsarbeit. Wir sind im Widerstand und akzeptieren die Erziehung der schlechten Regierung nicht mehr, weil es die schlechte Regierung uns nicht erlaubt, eine autonome Erziehung zu haben. Aus diesem Grund werden die Erziehungspromotoren von den Gemeinden selbst bestimmt, damit sie unsere Sprache, unsere Kultur und unsere Tradition nicht vergessen.
Hier verlangen wir keinen Peso und gibt es kein Interesse daran, dass jemand etwas für Geld tut, so wie es die schlechte Regierung macht. Hier werden Lösungen gefunden, aber niemand kommt ins Gefängnis. Hier werden Lösungen gefunden, die Verfahren verlangen, aber ohne jemanden zu bestrafen.
Nach dem Dienst in der Versammlung gehen sie in ihre Gemeinden zurück, um mit der bäuerlichen Arbeit weiterzumachen, weil man von der Arbeit auf dem Feld lebt.
Die Dorfbevölkerung unterstützt den Compañero, wenn er seiner Verpflichtung nachkommt. Die Arbeit ist kollektiv, einer unterstützt den anderen, es gibt Einigkeit und Gleichheit.
Coni Suarez
Aguilar
Die allen
Caracoles gemeinsame Charakteristik ist die Rotation. Es hat Zeiten gegeben, da
waren die Versammlungen für eine Woche, Zeiten in denen sie einen Monat
gedauert haben, je nach den Übereinkünften, die getroffen werden. Das hat einer
großen Zahl von Leuten erlaubt, an der Ausübung der öffentlichen Verwaltung
teilzunehmen, an der Praxis der Rechtssprechung, an der Anhörung der
Forderungen und an der Koordination von Aktionen. Das ist ein Vorteil, aber es
gibt auch eine nachteilige Seite, und die besteht im folgenden: sagen wir, ich
komme heute zur Versammlung der guten Regierung an einem Mittwoch und ich
bringe ein Problem vor, dessen Lösung für mich dringlich ist, tief greifend,
schmerzhaft und das mich in eine verletzliche Lage bringt. Ich gehe dahin auf
der Suche nach Gerechtigkeit und Lösung. Die Versammlung wird mich anhören und
mein Problem kennen lernen, aber wenn sie in diesem Moment nicht die
Möglichkeit hat, es zu lösen, wird sie einen neuen Termin festlegen, damit der
Fall angehört wird. Wenn nun diese Versammlung, die mich angehört hat, ihr Amt
am Samstag zurücklegt und ich am Dienstag wiederkomme, dann muss ich wieder von
Null beginnen. Alles ist neu aufzurollen und die Details der Situation sind
nochmals zu erklären, damit die, die jetzt im Amt sind, Klarheit erlangen
können, um etwas zu lösen. Für die Durchführbarkeit ist das etwas lästig, es
verlangsamt die Dinge und beinhaltet das Risiko, dass die Leute ihre
Vorstellungen nicht eingelöst sehen.
Comandante Moises
Ich spreche im
Namen meiner Compañeros und Compañeras für den
politisch-militärischen Teil. Die Compañeros und Compañeras Kommandanten und Kommandantinnen
sind der politisch-organisatorische Teil und sie leiten uns auf unserem Weg des
Kampfes. Wir sind die Soldaten der Bevölkerung und wir haben unsere Väter und
Mütter und alle zurückgelassen. Es gibt aufständische Compañeros und Compañeras, die bereits für immer ihre
Familien verlassen haben, weil sie kämpfend gefallen sind, als sie ihre Pflicht
erfüllt haben. Wir, die wir weiterleben, schlagen auf die schlechte Regierung
der Ausbeuter ein, und wir werden nicht aufhören, diese schlechten und
ausbeuterischen Regierungen zu schlagen. Wir Aufständische sind hier aufgrund
unseres Gewissens. Der große Lohn, den wir eines Tages erhalten werden, wird es
sein, eines Tages zu sehen, dass dieses Volk, das sich Mexiko nennt, frei sein
wird. Darum sind wir ein politisch-militärisches Heer, weil wir die Waffen
ergriffen haben, um die Compañeros und Compañeras der kämpfenden Bevölkerung zu
beschützen und zu verteidigen.
Ihr habt
bereits gesehen, dass die Unterdrückung kommt, wenn wir kämpfen, wenn wir
wahrhaftig und klar darüber sprechen, wie wir ausgebeutet und erniedrigt
werden, wenn wir uns dagegen organisieren und wenn wir gegen die Repression
kämpfen.
Coni Suarez
Aguilar
Die Antwort
der Regierung auf die bewaffnete Bewegung war sehr zwiespältig. Auf der
Diskursebene gab es eine Haltung der Schaffung von politischen Programmen und
eine Haltung in der Außenpolitik, die anerkannte, dass es einen Rückstand der
indigenen Völker gibt. Es wurde gesagt, dass sie im politischen Leben des
Landes willkommen sind, dass ihre Forderungen gerecht sind und dass der Staat
die Notwendigkeit anerkennt, sie anzuhören, aber trotzdem wurde parallel dazu
eine Serie von Angriffen entwickelt, die vom militärischen und
paramilitärischen Einmarsch bis hin zu Programmen reichen, die in die Gemeinden
implementiert werden, um sie zu spalten: Programme zur Beglaubigung des
Landbesitzes, zur Schenkung öffentlicher Dienstleistungen bis hin zur
schamlosen Geldverteilung. Daher haben wir hier von einem Krieg niedriger
Intensität gesprochen, einem nicht erklärten Krieg, einem Krieg, der von den
staatlichen Institutionen ausgerüstet und nach seinen Möglichkeiten ausgeführt
wird. Auf dem Weg der Veränderungen, die das zapatistische Heer durchmacht,
wird zuerst der bewaffnete Kampf verlassen und ein Weg politischer Arbeit
beschritten. Die autonomen Bezirke beginnen sich zu formieren und die
organisatorischen Strukturen in den Gemeinden werden verstärkt. Angesichts
dieser neuerlichen Veränderung, dieser neuen Form des EZ, sich zu organisieren
und zu handeln, ändert auch die Regierung ihre Angriffsstrategien und die
paramilitärischen Gruppen werden vollständig entfesselt. Ab 1996 gibt es viele
Angriffe, vor allem im Norden, ganz besonders im Bezirk von Tila gibt es eine
Reihe von Toten und Entführten.
Comandante Moises
Sie wollen
nicht, dass wir eine neue Politik und eine andere Art Politik zu machen lernen.
Darum sind wir die Verteidiger unserer organisierten Völker, die politisch
kämpfen. Es ist genau das, was wir jetzt mit den Leuten, die hier sind und die
nicht hier sind, machen werden: wir wollen politisch und friedlich kämpfen. Wir
sind kein militaristisches Heer, wir brauchen die Waffen, um uns zu verteidigen
und um die Freiheit, die Gerechtigkeit und die Demokratie zu erobern. Wir
verstehen politisch, dass die Demokratie für alle und jeden der Bevölkerung von
Mexiko sein soll. Wir fordern, dass das umgesetzt werden soll, dafür
organisieren wir uns. Wir mussten ein Volksheer gründen, damit sich tatsächlich
die Demokratie realisieren kann und damit sie wirklich von den Menschen
ausgeübt wird. Wir sind ganz anders, wir sind eine andere Art von einem Heer:
verrückt, aber gut und gesund für die Bevölkerung. Wir sind bereit, bis zum
Äußersten zu gehen, und wir sind bereit, für die mexikanische Bevölkerung zu
sterben, wenn es notwendig ist. Die EZLN praktiziert die Demokratie mit seinen
Völkern und in seinen Regionen derart, dass sie die Bevölkerung über seine
kriegerischen Initiativen befragt. So wurde das 1993 gemacht, wir haben
gefragt, ob wir unseren Kampf schon jetzt beginnen sollen, und so wurde es zu
verschiedenen Gelegenheiten gemacht. So ist es jetzt auch mit der 6. Erklärung
gemacht worden und die große Mehrheit unserer Bevölkerung hat mit „Ja“
geantwortet. Es ist einfach, einen Befehl zu erteilen, aber das haben wir nicht
getan, weil das nicht demokratisch wäre. Sie sind befragt und konsultiert
worden, ob sie mit der Initiative einverstanden sind. Die Aufgabe der
Avantgarde zur Auskundschaftung des Terrains für die andere Kampagne trifft den
aufständischen Compañero Subkommandant Marcos.
Subcomandante Marcos
Lacht
Compañeros, es ist gut zu lachen. Man muss lachen, weil was wir machen werden,
ist sehr ernst. Was wir machen werden, ist dies: wir werden gemeinsam dieses
Land von unten her durchschütteln, aufrütteln, auf den Kopf stellen, damit sich
endlich alle Räubereien zeigen, alle Verachtungen und alle Ausbeutungen. Wir
werden es durchschütteln und vielleicht werden wir entdecken, dass es nicht im
Sterben lag und dass es nicht so sein sollte. Dann werden wir es von neuem
ausbreiten, ohne oben und ohne unten, außer seinen Bergen, seinen Tälern,
seinen Flüssen und Lagunen. Und wir werden es als Neues von neuem ausbreiten
zwischen dem Pazifik und dem Atlantik, zwischen dem Rio Bravo und dem Suchiaté
und dann müssen wir anfangen zu gehen. Was wir aufbauen müssen, darf sich nicht
auf den Tribünen entscheiden, im Charisma, in den Stärken oder Schwächen der
Beredsamkeit. Es soll unten diskutiert, unten entschieden und unten erarbeitet
werden. Die Tribüne soll nur dazu dienen, um ein Wort in vielen Ohren zu
konzentrieren. Ihr Platz sollte zweitrangig sein, weil er an sich bereits eine
Auswahl und einen Ausschluss bedeutet. Misstrauen wir den Rednern. Die andere
Kampagne soll darum unsere Gefangenen benennen, unsere Verschwundenen, aber
auch unsere Toten. Wenn wir diese Arbeit erledigen, sollten wir nicht in die
Zukunft schauen, oder doch, aber machen wir es umgekehrt: indem wir auf unsere
Vergangenheit blicken, auf unsere Toten. Wenn wir nur nach vorne schauen, dann
kommen die Alibis, der Realismus: 'man muss reif sein, vernünftig, man muss
daran denken, was passieren kann, wir sollen dies nicht tun und das nicht tun,
Vorsicht.' Legen wir uns daher Rechenschaft ab über die Pflichten und die
Schulden, die wir angehäuft haben und kämpfen wir für sie, für unsere Toten und
für uns selbst, dann wird der Morgen aus eigener Kraft kommen und er wird ohne
Zweifel etwas anderes sein. Wenn wir in die Zukunft schauen und vergessen, von woher
wir gekommen sind, dann kommen die Zwänge, die Besonnenheit, die
Vernünftigkeit, die Angst, die Kapitulation und der schlimmste Verrat, das
heißt, der Verrat an uns selbst. Wenn wir uns bemühen, den kommenden
Generationen Freiheiten zu vererben, vererben wir ihnen Ketten und Ballast.
Lassen wir zu, dass sie selbst ihr eigenes Schicksal bestimmen, denn das und
nichts anderes heißt es, frei zu sein. So wird die Welt ein wenig besser werden
und dann werden andere ihr die Form und die Richtung geben, den Schritt, die
Geschwindigkeit und das Schicksal, denn man darf nicht vergessen, dass immer
fehlt, was fehlt. In die andere Kampagne und in die 6. Erklärung des
lakandonischen Regenwaldes legt die EZLN ihr Leben, ihr Überleben als
Organisation, ihre moralische Autorität, die bescheidenen Fortschritte, die
erreicht worden sind, kurzum alles, was wir haben. Im Tausch dafür fordern wir:
für alle alles, nichts für uns. Jeder soll sich selbst sagen, wie viel er in
diese Anstrengung einbringt und wozu er bereit ist. Dementsprechend soll er
seine Verpflichtung eingehen und erwägen, was er im Tausch dafür erwartet. Es
geht darum, dass der niemand, der wir sind, seinen Platz und seinen Weg
verteidigt, seinen Schritt und sein Schicksal und vor allem die Vielfältigkeit
der Füße und der Formen des Gehens in dieser anderen Kampagne. Lassen wir in
all dem Platz für die Fantasie, denn, Compañeros und Compañeras,
was passieren kann, wird bestimmt in keiner Weise dem ähnlich sein, das wir
vermuten. Hoffentlich wird es besser und hoffentlich wird es nicht vom Ballast
beschwert, den wir vererben könnten: möge es auch frei von uns selbst sein.